Hamburg. Nürnbergs Sportchef war nach dem Hinspiel der Buhmann. Nun spricht er noch einmal über die Beweggründe des Einspruchs wegen Jatta.

Dieter Hecking hatte am Sonntag einiges zu sagen. Der HSV-Trainer war verärgert über das, was er an seinem freien Tag gelesen hatte. Ein angeblicher Streit im Vorstand über den Transfer von Joel Pohjanpalo? „Kritischer Umgang ist ganz normal.“

Eine Startelf-Rückkehr von Kapitän Aaron Hunt am Donnerstag gegen Nürnberg? „Das kann gar nicht funktionieren.“ Ein Nachteil, weil die anderen Mannschaften zuerst spielen? „Interessiert mich nicht“, sagte Hecking und schob noch einmal nach: „Das darf uns alles nicht berühren. Ich plädiere für eines: arbeiten, arbeiten, arbeiten.“

Vorstandsstreit beim HSV? Jonas Boldt bezieht Stellung

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    Fall Jatta: Hecking will Nürnberg sportlich antworten

    Nur bei einem Thema gab sich Arbeiter Hecking am Sonntag ganz gelassen: Die Erinnerungen an den Fall Bakery Jatta und den 1. FC Nürnberg. Fünfeinhalb Monate ist es her, dass nach dem 4:0-Sieg des HSV bei den Franken die wochenlange Debatte um die Identität des Gambiers begann.

    Befeuert wurde der Fall vor allem auch durch die Nürnberger, die unmittelbar nach der Veröffentlichung des „Sport Bild“-Artikels Einspruch beim DFB gegen die Spielwertung eingelegt hatten. Zum Unverständnis von Hecking. „Wir haben damals zu Recht gesagt, dass wir diesen Einspruch nicht verstanden haben, weil man sich auch anders hätte verhalten können, wie es andere Vereine gezeigt haben.“

    Hecking will die Geschichte vor dem Wiedersehen mit Nürnberg aber nicht erneut aufwärmen. „Für mich geht es um die sportliche Wertigkeit. Wir wollen gewinnen, denn das ist immer die beste Antwort, die du geben kannst.“

    HSV-Sportvorstand Boldt gießt Öl ins Feuer

    Deutlich forscher hatte sich zuvor Jonas Boldt ausgedrückt. „Ich glaube, dass wir mit dem Gegner noch eine kleine Rechnung offen haben“, sagte der Sportvorstand und kündigte an: „Ich bin mir sicher, dass die Bude am Donnerstag brennen wird.“

    Boldt hatte sich im August in den Tagen nach den ersten öffentlichen Zweifeln an Jattas Identität federführend hinter seinen Spieler gestellt und insbesondere Nürnbergs Sportchef Robert Palikuca für dessen Verhalten scharf kritisiert.

    Der FCN soll damals erwägt haben, selbst nach Gambia zu reisen, um nach Beweisen für eine falsche Identität Jattas zu suchen. Nürnberg bestritt den Vorwurf, hatte aber für die angesetzte Verhandlung vor dem Sportgericht einen Zeugen gefunden.

    Zu dem Termin sollte es aber nicht kommen. Das Bezirksamt Hamburg-Mitte stellte die Ermittlungen vier Wochen später aufgrund fehlender Beweise ein.

    Nürnbergs Palikuca entschuldigt sich beim HSV

    Ein halbes Jahr danach ist all das, was sich rund um den Fall Jatta ereignet hat, noch nicht vergessen. Vor allem Nürnbergs Robert Palikuca sieht noch Bedarf, sich zu erklären.

    Nürnbegs Sportchef Robert Palikuca
    Nürnbegs Sportchef Robert Palikuca © Imago/Zink

    Der frühere St.-Pauli-Profi zeigt vor dem Rückspiel in Hamburg Reue. „Wären wir transparenter gewesen, wäre nie jemand auf die Idee gekommen, uns als 1. FC Nürnberg Unfairness vorzuwerfen oder uns in die rechte Ecke zu drängen. Das war ein großer Fehler von mir“, sagte Palikuca am Sonntag dem Abendblatt.

    „Wir hatten damals nur wenige Stunden Zeit zu entscheiden, ob wir Einspruch einlegen oder nicht. Es gab keinen vergleichbaren Fall“, so der 41 Jahre alte Kroate.

    Palikuca: "Tragweite war uns nicht bewusst"

    Die Nürnberger hatten mit ihrem Einspruch eine emotionale Debatte ausgelöst, die drei Wochen lang die Schlagzeilen bestimmte, weil auch der VfL Bochum und der Karlsruher SC dem Beispiel folgten und nach ihren sportlichen Niederlagen einen Punktgewinn am grünen Tisch erzwingen wollten.

    „Wir wussten es selbst nicht einzustufen und haben aus rein rechtlichen Gründen pro forma Einspruch eingelegt. Schon um uns gegen mögliche Regresse zu schützen“, sagt Palikuca heute. „Welche Tragweite dieses Thema haben würde, war uns zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar.“

    Palikuca: Einspruch richtete sich nicht gegen Jatta

    Während der HSV mit seiner Haltung bundesweit Sympathien gewann, galt Nürnbergs Robert Palikuca als Buhmann. „Das Problem war, dass die Debatte viel zu emotional und populistisch geführt wurde. Mir wurde beispielsweise Fremdenfeindlichkeit und fehlende Fairness unterstellt“, sagt der FCN-Sportchef.

    „Es ging weder um Fremdenfeindlichkeit noch darum, sich sportlich zu Recht verloren gegangene Punkte irgendwie zu ergaunern. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass der Einspruch sich in keiner Weise gegen den Menschen Bakery Jatta gerichtet hat.“

    Palikuca will nicht auf Boldt eingehen

    Zwischen HSV-Sportchef Boldt und Nürnbergs Palikuca herrscht seitdem Funkstille. Die Hamburger wollen trotz der Nürnberger Reue die Emotionen der Fans nutzen, um am Donnerstag eine spezielle Stimmung zu erzeugen. 37.500 Tickets wurden bislang verkauft.

    Palikuca will auf Boldts offene Rechnung nicht eingehen. „Wir konzen­trieren uns nur auf den Fußball“, sagt er. Eine Haltung, die eine späte Erkenntnis sein dürfte nach der Jatta-Debatte, die auch für Nürnberg nun der Vergangenheit angehören soll.