Lagos/Hamburg. Sportgericht verhandelt die Einsprüche. Während sich der HSV weitere Schritte vorbehält, geht es für St. Pauli noch um etwas anderes.

Am 22. Februar ist wieder Derbytag im Volkspark. Der HSV empfängt den FC St. Pauli zum vierten Hamburger Stadtderby der Zweitligageschichte. Schon jetzt fiebern viele Fans dem Highlight der Rückrunde entgegen. Dann könnte es auch wieder zum Duell der Feuerteufel kommen. So wie bei den letzten zwei Derbys am Millerntor, als die Pyro-Vorfälle das Fußballgeschehen überschatteten.

Die Bilanz vom 16. September: 35 bengalische Feuer, mindestens 20 sogenannte Blinker, 21 Feuerwerksraketen und fünf Knallkörper in der HSV-Kurve – eine Rauchbombe, 20 bengalische Feuer und mindestens 20 Blinker im Block der St.-Pauli-Ultras. Hinzu kam, dass HSV-Chaoten gegen Ende des Spiels Feuerwerkskörper in den Strafraum des FC St. Pauli schossen.

DFB verhandelt Pyro-Einspruch von HSV und St. Pauli

An diesem Freitag ist alles anders. Dann kämpfen die Rivalen HSV und St. Pauli gemeinsam – und zwar gegen den Deutschen Fußball-Bund. Es geht um das Strafmaß, welches das Sportgericht nach dem jüngsten Derby im Einzelrichterverfahren verhängt hatte. 200.000 Euro für den HSV, 120.000 Euro für den Kiezclub.

Der DFB-Kontrollausschuss hatte zunächst sogar eine Geldbuße von 250.000 Euro beziehungsweise 180.000 Euro beantragt. Doch auch gegen das zweite Urteil legten beide Clubs Einspruch ein. Am Freitag kommt es nun um 11 Uhr vor dem Sportgericht zur mündlichen Verhandlung mit dem Vorsitzenden DFB-Richter Hans E. Lorenz.

Der HSV und die Pyrostrafen:

  • In der Strafentabelle belegt der HSV regelmäßig einen der traurigen Spitzenplätze
  • 2019 verteidigten die HSV-Fans sogar den fragwürdigen Titel des deutschen "Randalemeisters"
  • In der Saison 2017/18 wurden insgesamt 235.000 Euro Strafe an den DFB fällig
  • In der Saison 2018/19 überboten die Anhänger diese Summe mit ihrem Fehlverhalten auf 294.150 Euro
  • Die höchste Einzelstrafe gegen den HSV wurde für Pyrotechnik im Stadtderby beim FC St. Pauli verhängt: 150.000 Euro (10.03.2019)
  • In der ewigen Strafentabelle seit der Saison 2011/12 liegt der HSV mit 1,214 Millionen Euro auf Rang drei (Stand: Dezember 2019)

HSV könnte vor ein ordentliches Gericht ziehen

Das mit Spannung erwartete Urteil könnte weitreichende Folgen haben. Sollte der DFB dem HSV beim Strafmaß nicht deutlich entgegenkommen, erwägt der Club nach Abendblatt-Informationen, vor ein ordentliches Gericht zu ziehen. Möglicherweise mit Unterstützung von Carl Zeiss Jena.

Der Drittligist wehrt sich ebenfalls gegen ein Strafmaß des DFB nach einem Pyro-Vorfall. Der DFB dürfte an einem solchen Vorgang kein Interesse haben. Denn dann müsste geklärt werden, ob das Sportgericht grundsätzlich überhaupt befugt ist, Strafen auszusprechen, die gar nichts direkt mit dem Sport zu tun haben.

DFB hat HSV eine Strafreduzierung zugesagt

Wie das Abendblatt erfuhr, hatte der DFB dem HSV bereits mündlich zugesichert, das Strafmaß weiter zu reduzieren. Sicher ist das aber nicht. Deswegen wird Clubchef Bernd Hoffmann gemeinsam mit HSV-Justiziar Philipp Winter und dem Leiter der Fanbetreuung, Cornelius Göbel, persönlich nach Frankfurt reisen.

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Für den HSV geht es dabei nicht allein um die Höhe der Geldstrafe oder einen Kleinkrieg gegen den DFB. Es geht vor allem auch um die grundsätzliche Haltung zum Thema Pyrotechnik. „Es kann aus unserer Sicht nicht sein, dass das, was bei jedem ortsüblichen Musikkonzert passiert, für den Fußball nicht zulässig sein soll“, sagt Hoffmann dazu.

HSV-Fanbeauftragter Cornelius Göbel zu Pyro im Stadion

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    Auch in Frankfurt will der HSV die Gelegenheit nutzen, den Dialog mit dem Verband voranzutreiben. Seit Monaten arbeitet der Club hinter den Kulissen an einem legalisierten und kontrollierten Einsatz von Pyrotechnik im Volksparkstadion. Nachdem der mögliche Termin schon mehrfach verschoben wurde, soll es nun am 8. Februar vor dem Heimspiel gegen den Karlsruher SC so weit sein.

    Kurden-Plakat: St. Pauli stellt sich hinter Fans

    In Frankfurt wird am Freitag neben den HSV-Vertretern auch der FC St. Pauli vor Ort sein. Für den Kiezclub geht es um ein weiteres Thema, das vor dem Sportgericht landen könnte. Ein politisches Plakat beim Heimspiel gegen Darmstadt 98 am 19. Oktober hatte für Ärger in der Türkei gesorgt.

    Die Südtribüne zeigte auch die Farben Gelb, Rot und Grün – die Farben von Rojava, der autonomen Region in Nordsyrien, in der die Türkei eine Militäroffensive gestartet hatte. St. Paulis Anhänger schwenkten zudem Fahnen der kurdischen Frauenverteidigungseinheiten YPJ.

    Der Fall vom Millerntor beschäftigt nun den DFB. „Man kann ganz klar sagen: Für den FC St. Pauli ist die Meinungsfreiheit nicht verhandelbar – auch im Stadion“, sagte Göttlich, der eine mögliche Geldstrafe nicht hinnehmen will.

    Für den FC St. Pauli und den HSV geht es in Frankfurt um richtungsweisende Themen. Klar ist: An diesem Tag sind die Rivalen in ihrem Widerstand gegen den DFB vereint.​