Lagos. Faride Alidou gilt als hochbegabt, aber schwierig. In Portugal ist er im Gegensatz zu anderen Talenten deshalb gar nicht dabei.
Jordan Beyer wirkte schon sehr erwachsen, als er am Mittwochvormittag in Lagos sein erstes Interview als HSV-Profi gab. Am Tag nach seinem Wechsel von Borussia Mönchengladbach auf Leihbasis stand der 19-Jährige im Trainingslager des HSV in Portugal vor vier Kameras und sprach über seinen Transfer vom Tabellenzweiten der Bundesliga zum Tabellenzweiten der Zweiten Liga.
„Für mich ist das ein Fortschritt, kein Rückschritt“, sagte Beyer, der froh ist, dass er die Rolle des Gladbacher Eigengewächses erst einmal ablegen kann. „Natürlich will man irgendwann nicht mehr der Jugendspieler sein, der immer Welpenschutz bekommt. Irgendwann will man ein gestandener Profi werden.“
Beyer wird an diesem Donnerstag (16 Uhr deutscher Zeit/live bei HSV TV) gegen den FC Seoul aus Südkorea das erste Mal für seinen neuen Club spielen. Während der Rechtsverteidiger beim HSV gleich eine gesetzte Größe werden soll, ist der Test vor allem eine Chance für die eigenen Talente, die Trainer Dieter Hecking mit nach Portugal genommen hat: Anssi Suhonen (19), Travian Sousa (18) und Jonah Fabisch (18). Aber auch die Jungprofis Jonas David (19) und Xavier Amaechi (19) werden Einsatzzeit erhalten, um sich zu empfehlen.
Amaechi soll beim HSV bleiben
David und Amaechi waren in der Hinrunde bislang nur zu jeweils einem Kurzeinsatz gekommen – und spielten unglücklich. Auch in der zweiten Saisonhälfte dürften ihre Perspektiven auf mehr Einsatzzeiten nicht gerade steigen. Trotzdem denkt der HSV bei beiden Spielern nicht über ein mögliches Leihgeschäft nach. Sie sollen sich weiterhin im Training an den Männerfußball gewöhnen und in der U-21-Mannschaft in der Regionalliga regelmäßig spielen.
Dass Hecking den Talenten grundsätzlich Chancen gibt, hat er mit Jordan Beyer in Mönchengladbach bewiesen. Gleich zu Beginn der vergangenen Saison ließ er den gerade 18 Jahre alt gewordenen Verteidiger in der Startelf ran. Beim HSV hatten es die Talente aus der eigenen Jugend in den vergangenen Jahren dagegen schwer. Aufgrund der ständigen sportlichen Drucksituationen trauten sich die Trainer nur selten, die Jungprofis regelmäßig spielen zu lassen.
Marinus Bester lobt HSV-Talent Suhonen
Kaum jemand weiß das besser als der ehemalige Talentebetreuer des HSV, Marinus Bester. Der 50-Jährige verließ den Club vor einem Jahr und arbeitet nach einem Trainerintermezzo beim TSV Buchholz nun als Berater. Die Talente, die sich bei Hecking vorstellen, kennt Bester noch sehr gut. Insbesondere dem Finnen Suhonen traut Bester perspektivisch viel zu.
„Anssi ist ein Kampfschwein, ein Duracell-Männchen, das rennt und rennt und rennt“, sagt Bester über den zentralen Mittelfeldspieler. „Eigentlich ist er ein typischer Otto-Rehhagel-Spieler, weil er wenig Fehler macht. Was ihm etwas abgeht, ist die Torgefahr“, so der frühere Bremer.
Bei A-Jugend-Kapitän Jonah Fabisch ist Bester etwas skeptischer, wenn es um den Sprung nach oben geht. „Jonah ist ein ruhiger Vertreter, der seine Aufgaben sehr gewissenhaft abarbeitet. Er ist ein Typ Stratege mit guter Technik, der aber Defizite in der Geschwindigkeit hat.“
Größtes HSV-Juwel Alidou vor Profivertrag
Das für Bester und auch andere Beobachter des HSV-Nachwuchses größte Talent im Club ist dagegen in Portugal nicht dabei: Faride Alidou (18). Der Außenstürmer aus der A-Jugend wird in der Rückrunde wie auch Sousa bei der U21 zum Einsatz kommen. „Faride hat außergewöhnliche Fähigkeiten. Er ist schnell, technisch richtig stark, auch im Tempo“, sagt Bester. „Er ist derjenige, der die besten Voraussetzungen hat. Seine Fähigkeiten sind bei jedem Bundesligatrainer gefragt. Er muss aber auch klar im Kopf bleiben.“
Was Bester meint: Alidou, der für das U-19-Perspektivteam des DFB spielt, gilt als nicht gerade einfacher Charakter. Unter HSV-U-19-Trainer Daniel Petrowsky war er schon einmal suspendiert. Dem Toptalent wird fehlende Professionalität und ein übersteigertes Selbstbewusstsein nachgesagt.
Über die sportlichen Qualitäten sind sich die Verantwortlichen aber einig. Deswegen soll Alidou auch bald einen Profivertrag bekommen. Sein Vertrag läuft im Sommer aus. „Das Ziel des Clubs ist es, dass er bei uns bleibt“, sagte Rodolfo Cardoso im Abendblatt-Podcast. Der Co-Trainer der U21 arbeitete mit Alidou bereits individuell zusammen. „Im Kopf ist er noch ein bisschen ein Kind. Da müssen wir noch dran arbeiten“, sagte Cardoso.
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Langfristig könnten Alidou und vor allem auch Sousa, den Nachwuchschefscout Benjamin Scherner vor einem Jahr bei einem Sichtungsturnier in Florida entdeckte, bei den Profis eine Rolle spielen. Aber auch kurzfristig wollen die Verantwortlichen auf junge Spieler setzen.
So pokert Sportvorstand Jonas Boldt aktuell um eine Verpflichtung des Slowaken Robert Bozenik (20). Der junge Nationalstürmer von MŠK Žilina könnte nach Beyer und Louis Schaub der dritte Neuzugang der Transferperiode werden. Das Problem: Bozeniks Club fordert nach Abendblatt-Informationen eine Ablösesumme von sechs Millionen Euro. Zu viel für den HSV.