Hamburg. Bevor der Stürmer mit dem HSV ins Trainingslager fährt, spricht er über seinen Start in Hamburg, seine Karriere und seine Familie.
Vor rund vier Monaten kam Martin Harnik auf Leihbasis von Werder Bremen zum HSV. Seit Montag bereitet sich der 32-jährige Vierländer mit seinem Verein auf die verbliebenen 16 Partien in der 2. Bundesliga vor. Am Sonntag geht es dann ins Trainingslager nach Portugal. Vorher hat er sich für ein Interview Zeit genommen.
Herr Harnik, Ihr Kumpel Max Kruse hat bei der Promi-Darts-WM mitgemacht und trat bei der türkischen Variante von „The Voice“ auf. Können Sie sich vorstellen, etwas Ähnliches zu machen?
Martin Harnik (grinst): Eher nicht. Max ist eine Rampensau, er hat es auch gut gemacht. Ich würde da meine Komfortzone verlassen und dem Druck nicht standhalten.
Wo liegen Ihre Fähigkeiten abseits des Fußballplatzes?
Das herauszufinden wird noch interessant sein, wenn meine Profikarriere vorbei ist. Das weiß ich jetzt noch gar nicht. Aktuell zählt, dass ich meine Fähigkeiten beim HSV auf dem Platz voll einbringe.
Als Sie im September zum HSV gekommen sind, waren Sie da sofort integriert?
Ja, ich habe mich schnell wohlgefühlt. Ich musste natürlich erst mal den Verein kennenlernen, die Mannschaft, die Mitarbeiter. Das braucht seine Zeit – wie in jedem neuen Job. Aber in Hamburg kenne ich mich ja aus. Deswegen fiel mir die Eingewöhnung nicht schwer.
Stichwort Mannschaft. Als erfahrener Bundesligaprofi und schon etwas älterer Spieler: Wie wird man da von seinen neuen Mitspielern aufgenommen? Hatten Sie von vornherein ein gewisses Standing?
Von der sportlichen Vita her kannten mich ja die meisten. Aber es geht vor allem darum, sich auf der persönlichen Ebene kennenzulernen. Manch einer braucht vom Charakter her etwas länger, um sich einzugewöhnen. Bei mir ging es schnell, weil ich aktiv auf die Jungs zugehe.
Ihr erster Einsatz war im Derby gegen den FC St. Pauli. Sie sind eingewechselt worden. Wie waren die ersten Minuten im HSV-Trikot?
Wir lagen mit 0:2 zurück, als ich eingewechselt wurde. Da hatte ich keine Zeit zu genießen oder zu reflektieren, sondern habe noch mal alles versucht, um das Spiel zu drehen. Dass ich jetzt für den HSV spiele, ist mir erst vor meinem ersten Heimspiel so richtig bewusst geworden. Ich stand in der Startelf und durfte vor unseren Fans auflaufen. Das war ein sehr schöner Moment.
Wie fällt Ihr persönliches sportliches Fazit beim HSV bisher aus?
In der Winterpause habe ich mir viele Gedanken gemacht, warum es zuletzt für mich nicht so gut gelaufen ist. Ich hatte einige Torchancen, diese aber aus unterschiedlichen Gründen nicht nutzen können. Ich habe falsche Entscheidungen getroffen, hatte Alu-Pech, der Ball wurde auf der Linie weggeschlagen, oder der Torwart hat gehalten. Das war bezeichnend für die letzten beiden Monate. Die zwei Monate zuvor war ich zufrieden mit meiner Leistung.
Warum steigt der HSV auf, obwohl es zuletzt nicht gut gelaufen ist?
Wir sind auf einem direkten Aufstiegsplatz und haben es selbst in der Hand. Natürlich ist es an der Tabellenspitze eng, aber ich bin überzeugt von unserer Mannschaft und der Art und Weise, wie wir Fußball spielen. Zudem habe ich keine Mannschaft gesehen, die uns klar überlegen ist. Wir sind oft an uns selbst gescheitert.
Im Februar steigt das Rückspiel gegen den FC St. Pauli. Wird das auch für Sie ein besonderes Spiel?
Es ist für mich ein besonderes Spiel, weil es für Hamburg besonders ist. Wenn man von den wichtigsten Derbys in Deutschland spricht, ist das eines davon. Deswegen freue ich mich darauf.
Wie wird es für Sie beim HSV weitergehen? Ihr Vertrag verlängert sich nur im Aufstiegsfall.
Wir haben einen klaren sportlichen Auftrag, den wir erfüllen möchten. Über etwas anderes mache ich mir zum jetzigen Zeitpunkt keine Gedanken.
Sie waren einmal kurz davor, nach China zu wechseln. Sie haben damals einen Rückzieher gemacht. Sind Sie zu heimatverbunden, um im Ausland zu leben?
Mir ist es wichtig, da zu sein, wo meine Familie ist und meine Freunde sind. Ich muss auch am Ende meiner Karriere nicht irgendetwas Verrücktes machen. Dazu bin ich hier einfach zu verwurzelt. Zumal wir jetzt auch im Raum Reinbek bauen. England allerdings hat mich immer sehr gereizt. Ich mag den Fußball da und auch das Land. Ich bin aber auch froh darüber, in Deutschland zu spielen.
Haben Sie während Ihrer Karriere einmal festgestellt: Jetzt habe ich einen Fehler gemacht?
(Überlegt) Ich habe während meiner Zeit in Stuttgart meinen Porsche bereits vor dem Saisonende abgeholt. Davon gab es ein Foto. Durch diese Aktion habe ich sehr viel Kredit verloren, den ich mir sportlich erarbeitet hatte. Darüber ärgere ich mich noch heute, weil ich nicht so bin. Aber sportlich bereue ich nichts.
Sie sind jetzt 32. Wie sieht Ihre mittelfristige Karriereplanung aus? So lange wie möglich Fußball spielen?
Ich denke nicht so sehr über mein Karriereende nach. Ich möchte so lange Fußball spielen, wie ich Spaß daran habe. Wenn der Körper nicht mehr will, macht es auch keinen Spaß mehr. Der Spaß steht über allem. Zurzeit bin ich aber fit, habe Spaß und will mit dem HSV unser gemeinsames Ziel erreichen.
Sie haben immer mal anklingen lassen, nach Ihrer Profikarriere in Dassendorf spielen zu wollen. Sie sind mit dem Trainer befreundet, Ihr Schwager spielt da. Können Sie sich das immer noch vorstellen?
Ich habe immer mal Spiele in Dassendorf verfolgt. Das ist ein gutes Niveau, und es sind richtig gute Jungs, die zum Teil höher gespielt haben. Aber: Alles kann, nichts muss.
Haben Sie als Fußballprofi eigentlich genügend Zeit, um sich um Ihre Kinder zu kümmern?
Sommer- und Wintervorbereitung und Spiele am Wochenende – als Profi ist man mehr unterwegs, als viele glauben. Noch sind meine Kinder klein. Aber wenn sie später an den Wochenenden ein Reitturnier oder ein Fußballspiel haben, kann ich eventuell nicht zuschauen, weil ich arbeiten muss. Unter der Woche habe ich aber natürlich mehr Zeit als andere
Angenommen, Ihr Sohn ist talentiert: Würden Sie ihm raten, eine Karriere als Fußballprofi einzuschlagen, oder ist der Weg zu steinig?
Ich finde, es ist ein Traumjob. Wenn man sein Hobby, seine Leidenschaft zum Beruf machen kann, würde ich jedem dazu raten, es zu tun. Aber ich würde meinem Sohn nie dazu raten, alles auf die Karte „Fußballprofi“ zu setzen. Dafür gibt es zu viele Faktoren, die man nicht beeinflussen kann.
Wie bewerten Sie die Rolle Ihres Vaters bei der eigenen Karriere?
Nicht nur mein Vater, sondern auch meine Mutter hat mich sehr unterstützt. Mein Vater hat mich immer zum Training gefahren, war später Manager unserer Mannschaft beim SC Vier- und Marschlande. Meine Eltern sind beide große Förderer meiner Karriere. Heute weiß ich es sehr zu schätzen, dass sie mir gegenüber nie Druck aufgebaut haben. Ich bekomme ja auch mit, wie Eltern von Jugendspielern sein können. Dass ich keinen Tunnelblick habe, dass ich nach links und rechts schauen kann, das haben mir meine Eltern beigebracht. Ich war 15 oder 16, da hat mein Vater zu mir gesagt: „Ich traue dir die Regionalliga zu.“ Ich glaube, er ist heute sehr stolz auf mich.