Hamburg. Nach der zweiten Niederlage in Folge weist der HSV-Trainer Journalisten zurecht. Aber auch zwei Spieler bekamen einen Hecking-Rüffel.
Wie sich Dieter Hecking am Tag nach der ernüchternden 0:1-Heimniederlage gegen den 1. FC Heidenheim der unbefriedigenden Situation stellte, hatte durchaus Symbolcharakter. Ohne regenschützende Kopfbedeckung und mit festem Stand trotzte der Trainer des HSV während der Trainingseinheit der Ersatzspieler am Sonnabendvormittag den widrigen Bedingungen im Volkspark, die wie die Faust aufs Auge zur aktuellen Ergebniskrise des Aufstiegsfavoriten der Zweiten Fußball-Bundesliga passten wollten. "Er ist eben ein Allwetter-Trainer", hörte man es aus der Mitte des HSV-Staffs raunen.
Hecking: "Verfalle nicht in tiefe Depressionen"
Dass Hecking tatsächlich ein Mann für jede Lage – eben auch die schwierigen – sein kann, versuchte der 55-Jährige dann in der anschließenden Analyse mit den Medienvertretern einmal mehr unter Beweis zu stellen. "Davon lasse ich mich nicht um den Schlaf bringen", sagte der Vorkämpfer angesichts der zweiten Niederlage in Folge und der ersten der Saison im Volksparkstadion.
"Ich habe nicht hurra geschrien, als alles super gelaufen ist und ich verfalle jetzt nicht in tiefe Depressionen, weil wir zweimal verloren haben." Schließlich habe ihm der Auftritt gegen Heidenheim ungleich besser gefallen als der in der Vorwoche beim 1:2 in Osnabrück, betonte Hecking.
Heidenheim lief mehr als der HSV
"Ich glaube schon, dass die Mannschaft von ihrem Auftreten her eine Reaktion gezeigt hat." Nur das Ergebnis habe noch nicht gepasst. "Wir haben im letzten Drittel bis zum Schluss viel versucht. Auch, wenn wir nicht immer die richtigen Mittel hatten", analysierte Hecking das "etwas umständliche" Spiel seiner Profis. Heidenheim habe das kreative Moment mit einer defensiven "Wand" und hohem läuferischen Aufwand erheblich erschwert. Am Ende hatten die Gäste (124,6 km) knapp drei Kilometer mehr abgespult als der HSV (121,74 km).
Dies alleine sei ärgerlich genug. "Was uns aber noch viel mehr ärgert, ist, dass du dann 0:0 spielen musst", sagte Hecking. "Man muss auch mal mit einem Punkt zufrieden sein und darf dann nicht noch das 0:1 bekommen." Am Ende habe sein Team wie gegen Dresden (2:1) den Sieg erzwingen wollen, dabei aber den entscheidenden Konter zu viel zugelassen.
Hecking rüffelt Harnik wegen Gegentreffer
Vor allem Martin Harnik habe bei dem späten Gegentreffer durch Jonas Föhrenbach (82.) nicht gut ausgesehen. "Föhrenbach läuft auf einer Linie mit Martin los, der in dem Moment abgeschaltet hat. Dann merkt er 'Oh, Sch..., ich muss mit', dann fehlen ihm fünf Meter", erzählte Hecking die Szene nach, in der letztlich auch Timo Letschert auf dem falschen Fuß erwischt worden sei ("Bei dem Schuss war er auf einen Doppelpass eingestellt und stand dann zu weit weg").
Zwischen dem Lattentreffer durch Konstantin Kerschbaumer und Föhrenbachs Abstauber habe Hamburgs Defensive dann kurz die Orientierung verloren.
Hecking gewährt HSV-Profis "Schwankungen"
Momentan kämen die Gegner gegen seine Mannschaft mit sehr wenigen Torchancen zu Punkten, kritisierte Hecking, der im peitschenden Regen dennoch zu keinem verbalen Donnerwetter gegen seine Spieler ansetzen wollte wie noch in Osnabrück. "Das sind Schwankungen, die ich meiner Mannschaft ein Stück weit zugestehen kann, wenn wir daraus die richtigen Schlüsse ziehen. Es sollte sich nur nicht zu oft wiederholen."
Hecking hebt zu kleiner Medienschelte an
Zu einem leichten Grollen hob Hecking dann aber doch noch an – aber eher in Richtung der Journalisten. "Welche Stimmung soll sich drehen?", antwortete auf eine entsprechende Nachfrage: "Wir haben immer wieder gesagt, dass die Saison ein Marathon wird."
Angesprochen auf eine möglicherweise verloren gegangene Leichtigkeit im Spiel des HSV, stellte sich Hecking dann vollends hinter seine Schützlinge und fuhr in seiner Medienschelte "light" fort. "Das ist total falsch!", brodelte der Coach los. "Ein für alle mal: Wenn Ihr glaubt, dass es so einfach ist, sich mal eben mit Hacke, Spitze, eins zwei drei gegen zehn Mann durchzuspielen, die 30 Meter vor dem Tor stehen – das ist das schwerste Spiel!"
Hecking fordert mehr Freistöße für den HSV
Gegen eine derart tiefstehende Mannschaft wie Heidenheim müssten allerdings mehr Standardsituationen herausgeholt werden, gestand Hecking. "Das geht uns gerade ab." Sein Team suche in solchen Situationen zu sehr nach einer spielerischen Lösung, statt ins Eins-gegen-Eins-Duell oder mit letztem Willen in den Strafraum zu gehen, monierte Hecking. "Das müssen wir wieder erzwingen."
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Das habe jedoch nichts mit Leichtigkeit zu tun, sondern mit mangelnder Zielstrebigkeit und "spieltaktischen Dingen, die du ausnutzen musst", sagte Hecking, der seine kleine Schimpftirade mit einer rhetorischen Frage schloss: "Wann hatten wir den letzten Freistoß um den Strafraum herum?"
Hecking verweist auf BVB-Einbruch
Er wolle sich nun zwar nicht zurücklehnen, sondern weiter nach Lösungen suchen. Dafür, dass es momentan nicht mehr so rund laufe wie zu Saisonbeginn, fehle aber auch ihm eine "1-A-Erklärung". Manche Verläufe seien nun einmal schwer zu ergründen, sagte Hecking unter Verweis auf die Einbrüche von Borussia Dortmund oder auch seiner Gladbacher nach der Hinrunde der vergangenen Erstligasaison.
"Bei uns sehe ich das als Wellen, die für uns aber normal sind." Der HSV-Kader sei aus guten und entwicklungsfähigen, aber eben auch jungen Spielern wie Rick van Drongelen oder Adrian Fein (beide jeweils 20 Jahre alt) zusammengestellt. "Diesen Spielern müssen wir auch mal ein Formtief zugestehen."
Boldt über mögliche HSV-Transfers
Dieser Ansicht ist auch Jonas Boldt, der vor diesem Hintergrund auch am Sonnabend offen lassen wollte, ob den Talenten im nächsten Jahr weitere erfahrene Mitspieler zur Seite gestellt werden. "Ich kann nicht sagen, ob wir was machen oder nicht", sagte der HSV-Sportvorstand zu möglichen Transfers in der Winterpause.
"Der Januar-Markt ist ein schwieriger Markt, weil die guten Spieler meistens nicht hergegeben werden." Denkbar wäre ein Neuzugang, der bei seinem aktuellen Verein "nicht ganz so zum Zuge kommt", gleichzeitig aber auch die Möglichkeit sehe, in Hamburg helfen zu können. "Wenn das der Fall ist, werden wir uns natürlich damit auseinandersetzen", sagte Boldt. "Ansonsten arbeiten wir so weiter, wie wir das seit einem halben Jahr tun."
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Hecking und Boldt bewahren kühlen Kopf
Dieses Credo will nun auch Hecking weiterhin vorgeben und vorleben. "Von Hektik bin ich weit entfernt", sagte der Trainer. "Du darfst dich nicht verrückt machen lassen und unruhig werden. Wir nehmen uns alle Zeit, unsere Ziele zu erreichen. Und wenn es 34 Spieltage dauert."
Auch Boldt möchte angesichts der Ergebniskrise kühlen Kopf bewahren: "Wir wissen, dass es auch mal ein paar Täler gibt, die wir durchschreiten müssen. Das scheint jetzt mit der zweiten Niederlage in Folge mal der Fall zu sein. Aber trotzdem gucken wir nach vorne."
Und da dürfte sich selbst im wetterlaunischen Hamburg irgendwann mal wieder ein Hoch formieren, das ahnt auch Dieter Hecking. "Man darf sich nicht von zwischenzeitlichen Tiefs einer Saison zu sehr beeindrucken lassen", sagte der HSV-Trainer, grüßte in die Runde und machte sich ungeschützt durch den querpeitschenden Regen auf den Weg in die Kabine – und in womöglich wieder sonnigere Zeiten.