Hamburg. Noch ist die Mannschaft von Dieter Hecking auf einem Aufstiegsplatz. Doch einiges erinnert an den vergangenen Winter.

Allzu viele Zutaten braucht Dieter Hecking nicht für einen rundum gelungenen Sonntag. Eine Tasse Tee am frühen Morgen. Eine lange Feldrunde mit seinen beiden Hunden. Bei seinem Lieblingsitaliener in Bad Nenndorf ein Cappuccino und ein kurzer Schwatz über die Kommunalpolitik. Am Abend dann der „Tatort“ und zum Abschluss der Krimi im Zweiten. So jedenfalls hat Hecking seinen perfekten Sonntag kürzlich im Podcast Phrasenmäher skizziert – dabei allerdings die wichtigste Zutat vergessen: ein Sieg mit dem HSV.

Am Sonnabend, einen Tag vor dem Adventssonntag und einen Tag nach der deprimierenden 1:2-Niederlage des HSV in Osnabrück, steht Hecking im Bauch des Volksparkstadions. Der Trainer spricht über das sechste sieglose Auswärtsspiel in Folge („Unser Auswärtstrend ist nicht gut“), über die Formkrise seiner Leistungsträger („Unsere Mittelfeldspieler sind zu nachlässig in der Rückwärtsbewegung“) und über ein mögliches Hierarchieproblem („Wir haben im Vorfeld der Saison nicht die Spieler geholt, die qualitativ sofort den Riesenunterschied machen“). Und obwohl der fünffache Familienvater nicht über Tee, Cappuccino oder den „Tatort“ spricht, wird schnell deutlich, dass an den perfekten Sonntag an diesem Wochenende nicht mehr zu denken ist.

Der HSV auf der Suche nach der Leichtigkeit

„Wir befinden uns in einer Phase, in der wir auswärts nach der Leichtigkeit suchen“, sagt Hecking, der sich noch wenige Tage zuvor ein wenig lustig darüber gemacht hatte, dass man ihn nach Gründen der Auswärtsschwäche befragt hatte. Doch nachdem seine Mannschaft nun länger als drei Monate nicht mehr in der Fremde gewinnen konnte, ist jetzt vorerst Schluss mit lustig. „Wir dachten, wir können ein bisschen Primaballerina spielen. Das geht so nicht“, hatte Hecking am Freitag geschimpft. Am Morgen danach ist der Ärger zwar verraucht, aber die Suche nach Gründen im vollen Gange. Unter dem Strich bleibt eine zentrale Frage: Muss man sich etwa schon wieder Sorgen machen?

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Youtube, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Nein. Sagt Hecking. „Entscheidend ist, dass wir vorne dabei sind.“ Ja. Sagt der Blick in die Vergangenheit. Denn auch vor einem Jahr überwinterte der HSV als Tabellenführer, ignorierte eine ganze Reihe von offenkundigen Problemen – und stürzte in der Rückrunde ab.

Gideon Jung im Formtief

Probleme gibt es auch im Hier und Jetzt mehr als genug. Hinten, wo die formschwachen Gideon Jung und Rick van Drongelen eher früher als später durch Timo Letschert und Ewerton ersetzt werden dürften. Vorne, wo Bobby Wood den Nachweis der Zweitligatauglichkeit bislang schuldig geblieben ist. Und auch in der Mitte, wo Hecking fehlende Galligkeit moniert. „Wir begleiten im Zweikampf, schalten ab in den Umschaltmomenten und lassen unsere Gegenspieler laufen“, kritisiert er.

Das zentrale Mittelfeld galt lange Zeit als das HSV-Prunkstück. Doch Hecking ist der hübsch anzusehende, aber wenig effektive Fußball seiner Techniker viel zu verspielt. „Adrian (Fein) ist in der Arbeit gegen den Ball in erster Linie ein Sechser und kein Spielmacher. Da muss er schon mal gucken, wo sein Gegenspieler rumläuft“, kritisiert der Coach vor allem Fein. „Adrian muss jetzt den nächsten Entwicklungsschritt gehen.“ Aber auch die Mittelfeldkollegen bekommen ihr Fett weg. „Im zentralen Mittelfeld haben wir Feingeister. Wenn es läuft, lässt sich das super ansehen. Aber wenn es darum geht, Defensivarbeit zu verrichten, wird es bei Jerry (Dudziak), Chris (Moritz), Kinso (Kinsombi) und Aaron (Hunt) weniger.“

Kritik an der Defensivarbeit

Obwohl der HSV nach Gegentoren noch immer die zweitbeste Abwehr hat, scheint Hecking die Defensivarbeit grundsätzlich nicht zu gefallen. „Gidi und Rick müssen sich dem Konkurrenzkampf stellen“, sagt der Trainer – und deutet einen Wachwechsel an. So könne er sich vorstellen, dass Letschert, der in Osnabrück spielen sollte, aber musku­läre Probleme hatte, und Ewerton per­spektivisch die Rolle der noch gesuchten Führungsspieler übernehmen. „In diesem Bereich müssen wir noch wachsen. Vielleicht sind es auch unsere erfahrenen Innenverteidiger Letschert und Ewerton, die diese Rolle ausfüllen können. Das gilt es abzuwarten.“

HSV verliert in Osnabrück

HSV verliert nach schwachem Auftritt in Osnabrück

Khaled Narey beschwert sich – über den schlechten Rasen? Der HSV verliert 1:2 in Osnabrück.
Khaled Narey beschwert sich – über den schlechten Rasen? Der HSV verliert 1:2 in Osnabrück. © Bongarts/Getty Images | Thomas F. Starke
Gideon Jung liegt am Boden, enttäuscht über die Niederlage, Enttäuschung nach dem Schluss.
Gideon Jung liegt am Boden, enttäuscht über die Niederlage, Enttäuschung nach dem Schluss. © Imago/Foto2Press
Torhüter Philipp Kühn zeigte einige sehenswerte Paraden und wurde zum Osnabrücker Matchwinner.
Torhüter Philipp Kühn zeigte einige sehenswerte Paraden und wurde zum Osnabrücker Matchwinner. © Bongarts/Getty Images | Thomas F. Starke
Adrian Fein kämpft mit Etienne Amenyido um den Ball.
Adrian Fein kämpft mit Etienne Amenyido um den Ball. © Bongarts/Getty Images | Thomas F. Starke
Kann es nicht fassen: Khaled Narey.
Kann es nicht fassen: Khaled Narey. © Bongarts/Getty Images | Thomas F. Starke
Tabellenführung am Sonnabend futsch? Enttäuschung beim HSV nach dem 1:2 in Osnabrück.
Tabellenführung am Sonnabend futsch? Enttäuschung beim HSV nach dem 1:2 in Osnabrück. © Imago/Jan Huebner
Osnabrücks Torwart Phillipp Kühn (l.) und Joost van Aken (r.) im Kampf um den Ball mit Martin Harnik (M.).
Osnabrücks Torwart Phillipp Kühn (l.) und Joost van Aken (r.) im Kampf um den Ball mit Martin Harnik (M.). © dpa | Friso Gentsch
Niklas Schmidt bejubelt sein Tor nach einem Solo à la Lionel Messi.
Niklas Schmidt bejubelt sein Tor nach einem Solo à la Lionel Messi. © WITTERS | TimGroothuis
Sonny Kittel trifft für den HSV zum 1:2 in Osnabrück.
Sonny Kittel trifft für den HSV zum 1:2 in Osnabrück. © Imago/Jan Hübner
Wer macht hier die Ansage? Martin Harnik!
Wer macht hier die Ansage? Martin Harnik! © WITTERS | TimGroothuis
Wieder in der Startelf: Gideon Jung, hier im Duell mit Felix Agu.
Wieder in der Startelf: Gideon Jung, hier im Duell mit Felix Agu. © WITTERS | TimGroothuis
Bobby Wood und Joost van Aken (Osnabrück)
Bobby Wood und Joost van Aken (Osnabrück) © WITTERS | TimGroothuis
Osnabrücks Torschütze Niklas Uwe Schmidt im Kampf um den Ball mit Adrian Fein (oben).
Osnabrücks Torschütze Niklas Uwe Schmidt im Kampf um den Ball mit Adrian Fein (oben). © dpa | Friso Gentsch
Dieter Hecking ist mit dem HSV nun schon seit sechs Auswärtsspielen sieglos.
Dieter Hecking ist mit dem HSV nun schon seit sechs Auswärtsspielen sieglos. © WITTERS | TimGroothuis
Gideon Jung im Zweikampf mit Marcos Alvarez.
Gideon Jung im Zweikampf mit Marcos Alvarez. © WITTERS | TimGroothuis
Präsident Marcell Jansen und der Vorstandsvorsitzende Bernd Hoffmann.
Präsident Marcell Jansen und der Vorstandsvorsitzende Bernd Hoffmann. © WITTERS | TimGroothuis
1/16

Die Zeit des Abwartens im Sturm scheint dagegen vorbei. Weil Lukas Hinterseer zuletzt wegen eines Blutergusses zuschauen musste, erhielt Bobby Wood gleich zweimal die Chance, die er gleich zweimal verstreichen ließ. „Bobby muss daran arbeiten, dass er wieder besser performt, und auch die Konsequenzen tragen“, sagt Hecking, der den indisponierten US-Amerikaner aber auch verteidigt. „Wir können uns nicht nur auf Bobby Wood stürzen, weil er vielleicht ein bisschen mehr verdient als andere. Die Leistung gegen Dresden und auch in Osnabrück war nicht gut. Deswegen ist er auch ausgewechselt worden. Aber ihn jetzt herauszupicken, geht mir zu weit.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Zu weit gehen Hecking auch die Nachfragen nach möglichen Wintertransfers. Es sei nicht die Zeit, über dieses Thema nachzudenken. Ähnliches sagten und dachten die HSV-Verantwortlichen allerdings auch im vergangenen Winter, als man mit Ausnahme von Berkay Özcan von Verstärkungen absah. Später musste man dann dabei zusehen, wie sich beispielsweise Konkurrent Köln mit Florian Kainz, Johannes Geis und vor allem Anthony Modeste verstärkte – und im Eiltempo am HSV vorbeizog.

„Warten wir doch erst einmal ab, was die letzten drei Spiele des Jahres bringen“, sagt Hecking zum Schluss – und wünscht einen schönen Sonntag.