Hamburg. Cristian Fiel trifft erstmals als Trainer auf seinen ehemaligen Lehrmeister. Der HSV-Coach ist etwas verhaltener.

Eigentlich wollte Cristian Fiel am Donnerstagmittag nur das tun, was man als Profitrainer kurz vor einem wichtigen Spiel so tut. Dynamo Dresdens Cheftrainer, akkurater Seitenscheitel, leicht ergrauter Vollbart, saß auf dem Pressepodium, lobte den Gegner (den HSV), die eigene Mannschaft und sprach über seine Verletzten. Über Balla (Florian Ballas), Möschi (Patrick Möschl), Harti (Marco Hartmann) und Ebbi (Patrick Ebert).

Als sich aber ein Journalist zum Ende der Pressekonferenz nach dem Wiedersehen mit seinem früheren Trainer Dieter Hecking beim Spiel gegen den HSV (Sa., 13 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) erkundigte, da antwortete Fiel zunächst nur, dass darüber doch eigentlich schon viel zu viel erzählt worden sei. Eigentlich.

Doch irgendwie merkte dann auch der Deutsch-Spanier mit dem wunderbaren Namen Cristian Ramon Fiel Casanova, dass es natürlich etwas Besonderes sei, wenn man erstmals überhaupt „auf seinen alten Trainer trifft“. Auf diesen „großartigen Trainer“, der „ein noch besserer Mensch“ sei. Kurzum: „Ich freue mich, den Dieter wiederzusehen.“

HSV-Trainer Hecking trainiert Fiel zwei Jahre in Aachen

Die Freude dürfte auf Gegenseitigkeit beruhen. Allerdings hielt sich „der Dieter“ einen Tag später strikt an den offenbar vorher abgesprochenen Bloß-nicht-übereinander-sprechen-Plan. „Eigentlich wollte ich mich im Vorfeld des Spiels gar nicht über Cristian äußern“, knurrte Hecking am Freitagnachmittag auf der HSV-Pressekonferenz auf Nachfrage. „Und das würde ich auch gerne so beibehalten.“ An diesem Sonnabend sei ja schließlich ein Spiel. „Da ist nicht das Verhältnis vom Cristian und von mir entscheidend“, erklärte Hecking.

HSV-Trainer Dieter Hecking schwärmt von seinem ehemaligen Schützling Cristian Fiel.
HSV-Trainer Dieter Hecking schwärmt von seinem ehemaligen Schützling Cristian Fiel. © Witters

Na dann. Geschwärmt haben die beiden ohnehin schon mehr als genug voneinander. 13 Jahre ist es bereits her, dass Hecking Fiel trainiert hat. Bei Alemannia Aachen. In der Zweiten Liga. In der Bundesliga. Und sogar im Uefa-Pokal. „In Aachen hat es nach Fußball gerochen, nach Schweiß, Modder, Schimmel und Wellblech – einmalig“, erinnerte sich Hecking in einem Dokumentarfilm („Es war Liebe – Ein Porträt über ein Leben für den Fußball“) gern an die gemeinsamen Zeiten zurück.

„Fielo hat das verkörpert, was wir Trainer gernhaben: totale Begeisterung für den Job, für den Fußball. Er wollte keinen biederen Fußball, sondern das Extravagante, den Pass mit dem Außenrist, den Ball in den Winkel schießen“, sagte Hecking. „Diese Generation Spieler gibt es nicht mehr so oft, aber Fielo ist so ein Typ.“

Überhaupt kein Problem damit, auch heute noch über den Typen Fiel zu sprechen, hat Dirk Bremser. „Bremse“, offiziell Heckings Co-Trainer und inoffiziell Heckings bessere (Trainer-)Hälfte, sitzt gerade im Auto, als er die gemeinsame Alemannia-Zeit mit Hecking und Fiel Revue passieren lassen soll. „Wir hatten viel Spaß zusammen“, sagt der Assistenztrainer, der auch heute noch Whats-App-Verkehr mit „Fielo“ pflegt. „Bei manchen spürt man schon als Spieler, dass sie später mal Trainer werden. Fielo war so einer. Ich wusste schon damals, dass er mal Karriere an der Seitenlinie machen würde“, sagt Bremser. „Er war als Profi ein Offensivspieler, und er liebt als Trainer das Offensivspiel.“

Uefa-Pokal-Spiel gegen Sevilla war für „Fielo“ besonders

Am liebsten erinnert sich Bremser aber an ein Spiel, in dem Fiel und auch sonst kein Aachener ein Tor geschossen hat. Ein Novembertag vor ziemlich genau 15 Jahren. Uefa-Cup. FC Sevilla gegen Aachen. Spaniens Topclub gegen den deutschen Zweitligisten. 40.000 Zuschauer im Stadion Ramon Sanchez Pizjuan.

„Dieses Spiel bleibt für immer im Herzen“, sagt Bremser, der sich an die Kanonenschläge vor dem Anpfiff erinnert, an Sergio Ramos, Jesus Navas, Julio Baptista. Und an die Ehrenrunde, die Aachens Profis nach der knappen 0:2-Niederlage drehen mussten. „Das ganze Stadion hat uns gefeiert. Dieses Spiel war für Fiel, der ja spanische Wurzeln hat, ganz besonders.“

Im Film sagte Hecking sogar: „Ich glaube, nach dem Uefa-Pokal-Spiel gegen den FC Sevilla hätte Fielo seine Karriere beenden wollen.“ Hat er aber nicht. Während Hecking als Trainer Karriere machte in Hannover, Nürnberg, Wolfsburg, Gladbach und nun beim HSV –, spielte Fiel noch sechs Jahre in Aachen und fünf weitere Jahre in Dresden. 2015 beendete der zweifache Familienvater dann tatsächlich seine Karriere, um die Karriere nach der Karriere in Angriff zu nehmen. Erst bei Dynamo im Nachwuchsbereich, dann als Interims- und schließlich als Cheftrainer.

Hecking ist für Fiel ein Vorbild

Vorbild auf diesem Weg, da macht Fiel gar keinen Hehl draus, ist und bleibt für ihn Hecking. „Unter Dieter Hecking habe ich das meiste gelernt – nicht nur fußballerisch, sondern auch mental. Er war für mich der beste Trainer, weil er in jedem Bereich gut ist: taktisch, menschlich, hat dazwischengehauen, wenn es nötig war, und auch mal den Arm um einen Spieler gelegt.“

Fiel sitzt noch immer auf dem Pressepodest, 13 Journalisten hören ihm zu. „Ich habe schon damals gesagt: Wenn es mal in diese Richtung geht, dann ist er schon ein Vorbild für mich“, sagt er, um den Schalter aber wieder direkt zurück von Gefühlsduselei auf Professionalität zu legen. „Ich fahre aber nicht nur nach Hamburg, um Dieter Hallo zu sagen.“

Und Hecking? Der wird Hallo sagen. Und nach dem Spiel möglicherweise auch ein wenig mehr. Denn eigentlich gibt es aus Heckings Sicht doch nur Positives über Fiel zu berichten. Eigentlich.