Das Hecking-Team muss aber seit fünf Spielen auf einen Auswärtssieg warten. Bakery Jatta fliegt mit Roter Karte vom Platz.

Dieter Hecking atmete tief durch, als am frühen Sonnabendnachmittag der Schlusspfiff im Holstein-Stadion ertönte. Das Tor in der Nachspielzeit des eingewechselten Timo Letschert bewahrte den HSV-Trainer und seine Spieler gegen Angstgegner Holstein Kiel vor der zweiten Saisonniederlage. Durch das 1:1 (0:1) bleiben die Hamburger Tabellenführer der Zweiten Liga. Verfolger VfB Stuttgart verlor überraschend beim VfL Osnabrück mit 0:1. Auch Greuther Fürth ließ beim 2:3 beim SV Sandhausen Punkte liegen.

Ab der 27. Minute mussten die Hamburger in Unterzahl spielen, nachdem Bakery Jatta nach einer harten Grätsche gegen Kiel Salih Özcan mit der Roten Karte vom Platz musste. Die Hamburger müssen aber weiter auf den ersten Auswärtssieg seit dem 28. August warten. Damals gab es einen 4:2-Sieg beim Karlsruher SC. "So lange mit zehn Mann zu spielen, ist nie einfach. In der zweiten Halbzeit haben wir gut gekämpft und uns einen Punkt verdient. Wir haben gezeigt, dass wir Kondition und Mentalität haben", sagte Torschütze Letschert und ergänzte: "Wir sind nicht happy, aber auch nicht unglücklich."

Hecking setzt auf dieselbe Startelf wie gegen Wiesbaden

Personell setzte Trainer Hecking auf dieselben elf Spieler, die am vergangenen Wochenende beim 1:1 gegen Wehen Wiesbaden über weite Strecken enttäuscht hatten. „Ich bin sehr positiv gestimmt“, sagte Sportvorstand Jonas Boldt vor der Partie und fügte an: „Es wird vieles schwarz-weiß gemalt. Es wäre vermessen zu glauben, dass wir durch die Liga marschieren. Wir haben auswärts aber auch erst einmal verloren.“

Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass der Aufstiegskandidat die vergangenen vier Auswärtsspiele nicht gewinnen konnte. Und das versuchten die Hamburger von Beginn an zu korrigieren. Nach eine starken Flanke von Khaled Narey kam Toptorjäger Sonny Kittel im Strafraum zum Abschluss, doch Kiels Torhüter Ioannis Gelios reagierte überragend. Nur zwei Minuten später konnten die mitgereisten Fans das erste Mal jubeln, als Lukas Hinterseer nach schöner Kombination zur vermeintlichen Führung einschob. Das Problem: Bei der Vorarbeit stand Kittel im Abseits. Der Treffer fand zurecht keine Anerkennung.

HSV mit viel Ballbesitz und starkem Torwart

In der Folge kontrollierte das Hecking-Team die Partie, hatte viel Ballbesitz gegen Kieler, die in erster Linie auf Konter lauerten. Allein die Präzision im letzten Drittel des Platzes fehlte dem HSV, der in Minute 15 in Rückstand hätte gehen müssen. Nach einer starken Kombination stand Emmanuel Iyoha frei vor dem Hamburger Tor, scheiterte aber an einem sensationell reagierenden HSV-Keeper Daniel Heuer Fernandes.

Für das Hecking-Team war das ein Weckruf, der aufzeigte, dass es für den HSV kein Spaziergang an der Ostsee wird. Erst recht nicht, als Bakery Jatta mit einer Roten Karte in der 27. Minute vom Platz musste. Der Gambier grätschte Gegenspieler Salih Özcan überhart an der Seitenlinie um. Schiedsrichter Christian Dingert zögerte keine Sekunde und stellte den Hamburger vom Platz. "Mit der Roten Karte hat sich das Spiel natürlich verändert. Wir haben das dann schnell angenommen und das Beste daraus gemacht“, sagte Mittelfeldspieler David Kinsombi, der erstmals gegen seinen Ex-Club auf dem Platz stand.

Kiels Ersatzbank sprang nach Jatta-Foul auf und forderte den Platzverweis

Im Anschluss zofften sich beide Ersatzbänke, weil HSV-Trainer Hecking den Kielern vorwarf, den Platzverweis gefordert zu haben. In der Tat sprang die Holstein-Bank kollektiv auf, als das Foul passierte. Bis dato war der HSV die fairste Mannschaft der Liga, kassierte lediglich 13 Gelbe Karten und nun den ersten Platzverweis."Für mich war es keine Rote Karte. Baka kommt in den Zweikampf mit einer Dynamik, die vielleicht überflüssig ist. Aber er will zum Ball, der Gegenspieler will blocken. Das sieht dann spektakulär aus, aber man hätte es mit Abstand anders bewerten können", kritisierte HSV-Trainer Hecking.

Kiel klaut sich selbst ein sicheres Tor

Die Hamburger mussten sich nach der Hinausstellung von Jatta erst einmal neu sortieren und hatte acht Minuten vor der Halbzeitpause Glück. Kiels Jae-sung Lee chippte die Kugel über Daniel Heuer Fernandes in Richtung Tor, doch Holstein-Stürmer Janni Serra ging noch zum Ball und beförderte den Ball aus Abseitsposition ins Netz.

Deutlich mehr Glück hatten die Gastgeber in der 44. Minute. Nach einem schlimmen Fehlpass des in den vergangenen Spielen fahrigen Rick van Drongelen sorgte Janni Serra, der sich gegen den wegrutschenden Gideon Jung behaupten konnte, für die nicht unverdienten Führung zur Halbzeit. "Das 1:0 darf so nicht passieren, weil das hat mit einer Überzahlsituation nichts zu tun. In der zweiten Halbzeit sieht man, welche Moral die Mannschaft hat und wie sie zusammenhält. Wir haben die ganze Zeit daran geglaubt und hart dafür gearbeitet. Am Ende haben wir den verdienten Ausgleich dann auch geschossen“, lobte Sportvorstand Jonas Boldt.

Dezimierter HSV kämpft, Arzt erhält Gelbe Karte

Nach dem Seitenwechsel versuchten die personell dezimierten Hamburger die Partie zu drehen. Hinterseer verpasste in der 47. Minute eine Hereingabe des auffälligen Tim Leibold nur knapp. Viel mehr wollte dem bemühten und optisch überlegenen HSV aber nicht gelingen. Khaled Narey wurde in der Schlussminute in guter Schussposition zwei Mal geblockt, ehe der eingewechselte Timo Letschert den Punkt rettete. "Ich denke, dass wir nach dem 0:1 gezeigt haben, dass wir es auch mit zehn Mann können. Am Ende haben wir mit dem Lucky Punch noch den Ausgleich erzielt. Das zeigt, wie stark die Truppe ist und, dass alle füreinander da sind", bilanzierte Kapitän Rick van Drongelen.

Kuriosität am Rande: HSV-Arzt Götz Welsch erhielt von Schiedsrichter Dingert in der 61. Minute die Gelbe Karte, nachdem er Linksverteidiger Leibold behandelte und anschließend etwas in Richtung des Unparteiischen sagte.