Hamburg. Der HSV gewinnt das Topspiel gegen Stuttgart nach einer Gala. Aber gejubelt wird nur kurz. In Satz zwei könnte sich einiges ändern.

Es war ein außergewöhnlicher Moment am Sonntagvormittag im Volkspark. Außergewöhnlich viele Fans hatten sich am Tag nach einem Heimspiel am Trainingsplatz versammelt und begrüßten den HSV-Trainer mit einem ungewöhnlich lautstarken Applaus. Dabei lag das Außergewöhnliche zu diesem Zeitpunkt schon rund 20 Stunden zurück. Mit 6:2 (3:1) hatte Heckings HSV am Sonnabend im Spitzenspiel der 2. Bundesliga den VfB Stuttgart bezwungen. Es war ein Fußballfest, wie es die 57.000 Zuschauer im ausverkauften Volksparkstadion lange nicht gesehen hatten. Noch zwei Stunden nach diesem außergewöhnlichen Spiel schunkelten vereinzelte HSV-Fans auf dem Heimweg zu Walter Rothenburgs „Oh, wie ist das schön“, das schon während des Spiel durch das Stadion schallte.

Nur Dieter Hecking, der stand am Sonntag am Trainingsplatz und tat so, als wäre nichts passiert. „Gefeiert habe ich wenig, geschlafen habe ich sehr gut“, berichtete der HSV-Trainer über seine Gemütslage nach diesem außergewöhnlichen Fußballtag. „An Tagen wie heute würde man nie über das Karriereende nachdenken“, sagte der 32 Jahre alte Martin Harnik, einer der fünf HSV-Torschützen, als er zwischen Dusche und Dopingprobe seine Gefühle beschrieb. Der frühere Stuttgarter hatte mit seinem Treffer zum 5:2 in der 76. Minute ein Spiel entschieden, dass zwischenzeitlich in alle Richtungen hätte ausschlagen können. „Vielleicht war der Sieg in der Höhe ein oder zwei Tore zu hoch. Aber es hätte auch 12:5 ausgehen können“, fasste Tim Leibold die verrückte Partie treffend zusammen.

HSV – VfB Stuttgart: Dienstag folgt der zweite Satz

Der erste Satz ging also mit 6:2 an den HSV. Schon am Dienstag wird Satz zwei ausgespielt, wenn der VfB Stuttgart zum Zweitrundenspiel im DFB-Pokal (18.30 Uhr/Sky) erneut im Volkspark antritt. Dann werden die Bälle neu gemischt. Satz eins, um in der Sprache des gelben Filzballs zu bleiben, war in jedem Fall schon einmal ganz großes Tennis. „Das war einfach perfekt. Ein geiles Spiel, ein tolles Ergebnis und ein wichtiger Sechs-Punkte-Sieg. Das war ein rundum gelungenes Fest“, sagte Harnik.

Der Angreifer durfte erstmals für den HSV als alleinige Spitze spielen. Hecking hatte mit seiner Aufstellung viele überrascht – auch VfB-Trainer Tim Walter. So ließ er Stürmer Lukas Hinterseer erstmals in dieser Saison auf der Bank. Zudem kehrte Gideon Jung für Timo Letschert zurück in die Startelf. Die größte Überraschung war aber die Aufstellung von Christoph Moritz. Erstmals seit seinem Wechsel zum HSV vor einem Jahr durfte er in einem Heimspiel von Beginn an ran.

Die Statistik

HSV

Heuer Fernandes – Vagnoman, Gideon Jung, van Drongelen, Leibold – Moritz (73. Letschert) – Dudziak (77. Kinsombi), Fein - Jatta, Harnik, Kittel (81. Hinterseer). – Trainer: Hecking

VfB Stuttgart

Kobel – Stenzel, Awoudja, Kempf, Emiliano Insua – Karazor – Mangala (66. Gomez), Klement (46. Castro) – Förster – Gonzalez, Wamangituka. – Trainer: Walter

Schiedsrichter

Deniz Aytekin (Oberasbach)

Zuschauer

57.000 (ausverkauft)

Tore

1:0 Kittel (13./Foulelfmeter), 2:0 Jatta (24.), 2:1 Gonzalez (33.), 3:1 Kittel (36.), 4:1 Castro (Eigentor), 4:2 Wamangituka (63.), 5:2 Harnik (76.), 6:2 Fein (90.+1)

Gelbe Karten

Vagnoman  – Kempf, Förster, Castro

Torschüsse

13:13

Ecken

3:4

Ballbesitz

39:61 %

Zweikämpfe

97:90

1/10

Mit seinen Entscheidungen hatte Hecking einmal mehr alles richtig gemacht. Die Taktik des 55-Jährigen, dem VfB das Spiel zu überlassen und auf Umschaltfußball zu setzen, ging auf. Sechs Torschüsse reichten dem HSV in der ersten Halbzeit, um drei Treffer zu erzielen. Am Ende hatte Stuttgart (602) fast doppelt so viele Pässe gespielt wie der HSV (331) und mit 64 Prozent auch deutlich mehr Ballbesitz gehabt. Doch die Hamburger machten aus 14 Torschüssen am Ende sechs Tore, der VfB aus der selben Anzahl nur zwei.

Jatta sticht aus HSV-Team heraus

Vor allem Bakery Jatta war es, der aus einer effektiven HSV-Mannschaft herausstach. Mit seinen Pässen leitete der Gambier die Tore von Sonny Kittel zum 1:0 (13./Foulelfmeter) und 3:1 (36.) ein. Das 2:0 erzielte er nach einer Balleroberung gegen den überforderten VfB-Verteidiger Maxime Awoudja selbst (24.). Stuttgarts Trainer Tim Walter hatte auch gegen den HSV an seiner mutig-riskanten Spielweise festgehalten. Die Fehler im Aufbau nutzte der HSV eiskalt aus. Als Gonzalo Castro per Kopf ins eigene Tor zum 4:1 traf, war das Spiel eigentlich entschieden (56.).

So riskant der VfB verteidigt, so spektakulär kann er aber auch nach vorne spielen. Stuttgart war plötzlich nah dran, auf 4:4 heranzukommen. Doch weil Schiedsrichter Deniz Aytekin das zwischenzeitlich 4:3 durch Philipp Förster wegen eines Handspiels zuvor von Nicolas Gonzalez nach Videoüberprüfung zu Recht wieder zurücknahm, hielt der HSV seine Führung und legte durch Harnik und Adrian Fein (90.+1) noch nach.

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Am Dienstag wird nun Satz zwei ausgespielt. Dann gibt es auch keinen Videobeweis, der am Sonnabend gleich zweimal die HSV-Torhymne unterbrach. Und auch die Teams werden sich wohl deutlich verändern. HSV-Kapitän Aaron Hunt könnte ins Team rutschen. Beim VfB darf der in der Liga gesperrte Ex-Nationalspieler und Ex-Münchner Holger Badstuber wieder spielen.

Und auch der andere Ex-Nationalspieler und Ex-Münchner Mario Gomez dürfte eine Chance erhalten. Der 34-Jährige hatte vor dem Ligaspiel zwei Siege für den VfB vorhergesagt. Das sorgte beim HSV für Extramotivation. „Ich habe das gehört“, sagte HSV-Verteidiger Rick van Drongelen. „Das klappt schon mal nicht mehr. Ich bin gespannt, was Gomez jetzt sagt.“

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Stuttgart gratuliert dem HSV schon zur Meisterschaft

Weit aus dem Fenster lehnte sich auch Stuttgarts Sven Mislintat. Der Sport­direktor gratulierte dem HSV schon einmal vorab zur Zweitligameisterschaft. „Wir müssen Klasse beweisen, dass wir gut genug sind, um für den zweiten Aufstiegsplatz zu kämpfen.“ Hecking wollte auf diese Aussage nicht eingehen. Der nach drei Niederlagen in Folge in die Kritik geratene VfB-Trainer Tim Walter wählte dagegen eine andere verbale Taktik. „Wir kommen am Dienstag wieder und werden nicht die weiße Fahne hissen“, sagte der 43-Jährige.

Und auch der HSV-Coach ließ wissen, dass er bereits seine Pokal-Taktik ausheckt. „Der Hunger im Team ist da, auch am Dienstag erfolgreich zu sein. Wir schenken nichts ab und wollen im Pokal weit kommen.“ Heckings Worte lassen erahnen, dass ein weiterer außergewöhnlicher Tag bevorsteht.