Hamburg. Der HSV tritt am Montagabend beim besten Zweitligateam des Jahres an. Wie stabil ist Heckings Mannschaft wirklich?
Dieter Hecking guckte noch ein letztes Mal grimmig in die Runde und machte klar, dass jetzt alles gesagt sei. „Das war mein Wort zum Sonntag“, sagte der HSV-Trainer, ehe er dann doch noch einmal ein leichtes Grinsen andeutete und den Medienraum verließ. Zuvor hatte Hecking am Sonntagvormittag über das Spiel am Montagabend bei Arminia Bielefeld (20.30 Uhr/Sky und Abendblatt-Liveticker) gesprochen. Über die Möglichkeit, mit einem Sieg die Tabellenführung auszubauen und den Verfolger auf fünf Punkte zu distanzieren.
Doch Hecking wollte darüber nicht sprechen. „Ich halte von solchen Momentaufnahmen nichts. Wenn wir gewinnen, ist nichts passiert, und wenn wir verlieren, ist auch nichts passiert“, sagte der 55-Jährige in seiner gewohnt stoisch-gelassenen Art.
Man hätte Hecking an dieser Stelle widersprechen können. Schließlich könnte es in der SchücoArena passieren, dass Bielefeld mit einem Heimsieg am HSV vorbeizieht. Doch dem Hamburger Trainer ist natürlich bewusst, welche Aufgabe am Montagabend auf ihn und sein Team wartet. „Bielefeld ist die beste Zweitligamannschaft im Jahr 2019. Mehr brauche ich dazu nicht zu sagen.“ Mit 31 Punkten war die Arminia in der Rückrunde der vergangenen Saison die zweitbeste Mannschaft hinter Sensationsaufsteiger Paderborn. In dieser Saison traut nicht nur Hecking den Ostwestfalen zu, das neue Paderborn zu werden. Mit 18 Punkten liegt die Arminia nur zwei Zähler hinter dem HSV. „Für mich ist das keine Überraschung“, sagt Hecking.
Arminia Bielefeld ist ein unangenehmes Team
Dass Bielefeld von vielen Experten als Geheimfavorit in dieser Saison gehandelt wird, hat viel zu tun mit dem Mann, der in seiner Art und Weise an Hecking erinnert: Uwe Neuhaus. Seit der Trainer im vergangenen Dezember die Nachfolge von Jeff Saibene angetreten hat, geht es mit dem Traditionsclub wieder aufwärts. Nun könnte die Arminia sogar erstmals die Tabellenführung übernehmen. Für den HSV wird das Spiel der erste große Härtetest der noch jungen Saison.
Wie unangenehm Bielefeld zu bespielen ist, erfuhren die Hamburger beim bislang letzten Treffen auf der Alm. Am 2. Februar verlor der HSV dort mit 0:2. Eine kurzfristige Verletzung bei Pierre-Michel Lasogga und eine frühe Rote Karte für Gotoku Sakai sorgten für einen gebrauchten Tag und waren der Anfang einer katastrophalen zweiten Saisonhälfte für den HSV.
Auch deshalb will Hecking nicht über den weiteren Verlauf der Saison oder die Topspielwochen mit den beiden Partien gegen den VfB Stuttgart in der Liga und im Pokal sprechen. Stattdessen erinnert er an die vergangene Saison: „37 Punkte nach der Vorrunde, und ganz Hamburg war in der Bundesliga.“ Nun begegnen sich die beiden befreundeten Clubs erneut in der Zweiten Liga.
Erfolgreichstes Sturmduo der Zweiten Liga
Aufpassen muss der HSV insbesondere auf das aktuell erfolgreichste Sturmduo der Zweiten Liga. Fabian Klos (sechs Tore/vier Vorlagen) und Andreas Voglsammer (5/2) haben zusammen schon 17 Scorerpunkte gesammelt – mehr als jedes andere Angriffspaar. Vor allem 1,94-Meter-Mann Klos ist in diesem Kalenderjahr so gefährlich wie nie. Nach seiner Gelb-Rot-Sperre kehrt der 31-Jährige rechtzeitig zum Topspiel zurück in die Bielefelder Startelf. HSV-Coach Hecking ist gewarnt. „Wir haben der Mannschaft Videosequenzen gezeigt. Es geht darum, clever zu verteidigen.“
Die beiden Niederländer Rick van Drongelen (1,88 Meter) und Timo Letschert (1,88), die voraussichtlich wieder die Innenverteidigung bilden, haben in der Luft klare Größennachteile gegen Klos. Auch Gideon Jung, der nach seiner Zerrung wieder spielfähig ist und anstelle von Letschert verteidigen könnte, ist nur einen Zentimeter größer. „Du wirst gegen Klos auch mal ein Kopfballduell verlieren. Er ist gut in der Luft, das macht er clever. Es kommt darauf an, wie wir in die Zweikämpfe reingehen“, sagt Hecking und kommt zum Schluss: „Ich sehe da kein Problem.“
HSV-Probleme gegen aggressive Gegner
Probleme hatte der HSV bei den jüngsten beiden Auswärtsspielen auf St. Pauli (0:2) und in Regensburg (2:2) allerdings mit der aggressiven Spielweise des Gegners. Die Hamburger, die einen dominanten Spielansatz bevorzugen, wurden in beiden Partien in Zweikämpfe verwickelt und fanden so jeweils erst spät den Rhythmus. Auch Arminia Bielefeld ist eine physisch starke Mannschaft. Heckings Team muss am Montagabend zeigen, wie stabil es wirklich ist. Dem HSV könnte dabei entgegenkommen, dass Bielefeld trotz aller Körperlichkeit auch spielerische Lösungen sucht.
„Bielefeld will Fußball spielen. Das ist ihr Ansatz“, sagt Hecking. Gegen den HSV könnte Neuhaus aber auch andere Mittel nutzen. „Sie haben mit dem langen Ball von Torhüter Ortega auf Torjäger Klos noch eine zweite Waffe. Das machen sie gut“, sagt Hecking. „Aber wir haben auch einen Ansatz. Wir machen schon vieles richtig gut, haben für alles eine Lösung.“ Für Hecking ist klar: „Es liegt vor allem an uns, ob wir in Bielefeld gewinnen oder nicht.“
Hecking kritisiert Hinterseer und lobt Wood
Einen Wechsel könnte es in Bielefeld im Sturmzentrum geben. Lukas Hinterseer droht erstmals in dieser Saison der Platz auf der Bank. Für den Österreicher könnte Bobby Wood sein Startelfdebüt unter Hecking geben. Der US-Amerikaner wurde am Sonntag von seinem Trainer auffällig gelobt: „Bobby hat in den vergangenen Wochen alles bestätigt, was wir uns von ihm erhofft haben. Körperlich hat er keine Probleme, und auch in der Gruppe ist er total integriert. Er ist für morgen eine ernsthafte Wahl.“
Während Wood in der Länderspielpause beim Test in Braunschweig mit einem Treffer Punkte sammelte, saß Hinterseer beim Nationalteam zweimal auf der Bank. Das könnte ihm nun auch beim HSV widerfahren. „Lukas kann besser spielen als in den vergangenen Partien“, sagt Hecking. Bekommt der 28-Jährige eine Pause oder pokert Hecking? Eines ist in jedem Fall sicher: Am Montagabend wird einiges passieren – ob Hecking das nun will oder nicht.