Hamburg. Die größten Nachwuchstalente, Jonas David und Josha Vagnoman, könnten gegen Fürth erstmals zusammen für die Profis spielen.
An diesem Sonnabend wird Maik Peters mal wieder ins Volksparkstadion gehen. Aufgrund eines grippalen Infekts sollte der Athletiktrainer eigentlich besser im Bett bleiben. Doch Peters will die Chance nicht verpassen, möglicherweise das erste Profispiel in der Startelf seines langjährigen Weggefährten live im Stadion zu sehen: Jonas David. Das 19 Jahre junge HSV-Talent könnte im Heimspiel gegen Greuther Fürth (13 Uhr/Sky und im Liveticker auf abendblatt.de) den verletzten Gideon Jung in der Innenverteidigung ersetzen. Peters hat unter der Woche mitbekommen, dass Trainer Dieter Hecking erwägt, das Eigengewächs aufzustellen – obwohl mit Kyriakos Papadopoulos und Timo Letschert zwei erfahrene Alternativen ebenfalls bereitstehen.
„Ich würde mich für Joni sehr freuen“, sagt Peters. Der 34-Jährige begleitet David, seit er zehn Jahre alt ist. Damals spielte der heutige HSV-Profi noch für die Breitensportabteilung der Hamburger, ehe er zu Eintracht Norderstedt wechselte. Über einen gemeinsamen Bekannten lernte er Maik Peters kennen. Der war damals Jugendtrainer beim FC St. Pauli. Zudem arbeitet er seit Jahren als Individual- und Fitnesstrainer. Und einer seiner Schützlinge sollte der junge Jonas David werden. „Jonas wollte schon immer mehr als alle anderen“, sagt Peters über seinen Musterschüler. „So einen Typen findet jeder Trainer cool.“
HSV-Trainer Hecking traut David die Rolle zu
Auch Hecking schätzt den Hamburger Jung, der nun Jung ersetzen könnte. Bleibt nur die Frage: Traut sich Hecking, nach Josha Vagnoman (18) das nächste Talent aus der eigenen HSV-Jugend in die Startelf zu stellen? David würde in der Viererkette im Abwehrzentrum neben Rick van Drongelen und seinem Kumpel Vagnoman verteidigen. Hecking traut David die Rolle zu. „Jonas hat es die letzten Wochen gut gemacht. Er hat sich stetig weiterentwickelt. Er ist eine von drei möglichen Alternativen.“
Im Training am Freitag testete Hecking den erfahrenen Papadopoulos an der Seite von van Drongelen. Bei „Papa“ weiß Hecking, was er bekommt. Zweikampfhärte, Kopfballstärke, gute Grätschen – aber auch immer wieder Kontergefahr durch seine fehlende Geschwindigkeit. Bei David weiß Hecking noch nicht zu 100 Prozent, was er bekommt. Schließlich hat der U-20-Nationalspieler, der am kommenden Donnerstag mit der DFB-Auswahl an seiner alten Wirkungsstätte Norderstedt gegen Polen spielen wird, erst zwei Kurzeinsätze mit den Profis erlebt.
David wurde vom Mittelfeldspieler zum Innenverteidiger umgeschult
Maik Peters erinnert sich noch gut, wie Ex-HSV-Trainer Christian Titz den Meiendorfer vor einem Jahr im ersten Ligaspiel gegen Holstein Kiel nach 57 Minuten beim Stand von 0:1 für David Bates einwechselte. Titz hatte David in der U17 vom Mittelfeldspieler zum Innenverteidiger umgeschult. Gleich in seinem ersten Profispiel erlebte David einen ganz schweren Abend. Der HSV verlor noch mit 0:3. „Für Jonas war das eine wichtige Erfahrung“, sagt Peters.
Noch eine Woche zuvor hatte David bei der Saisoneröffnung gegen Monaco (3:1) das erste Mal im Volksparkstadion gespielt. „Wir haben danach drei Stunden telefoniert und haben alle seine Szenen analysiert“, erzählt Peters. „Er hatte schon immer einen großen Willen zu lernen.“ Zusammen arbeiten sie über Jahre an seinen Defiziten: das Aufdrehen über den schwachen Fuß, der Schulterblick vor der Ballverarbeitung. „Außerdem haben wir an seiner Persönlichkeit gearbeitet. Er sollte mehr Verantwortung übernehmen. Das hat gefruchtet“, sagt Peters.
David bestand sein Abitur mit 1,8
Körperlich hat David genau wie sein Kumpel Vagnoman beste Voraussetzungen. Der Sohn einer Deutschen und eines Nigerianers ist zudem klar im Kopf. Vor einem Jahr bestand er sein Abitur mit 1,8 und den Führerschein im Schnelldurchlauf. Nach dem Training nimmt er Vagnoman oft mit nach Hause. Die beiden spielen seit der U 15 zusammen. Als Vagnoman vor zwei Wochen gegen Aue sein erstes Profitor erzielte, grüßte er Jonas David per Telefonjubel.
Vagnoman und David sind aktuell die beiden größten Talente, die den Sprung aus der Jugend zu den Profis geschafft haben. Von den vielen Nachwuchsspielern, die vor einem Jahr zum Lizenzspielerkader gehörten, sind nur noch die beiden übrig geblieben. Zur Freude von Dieter Gudel. Der ehemalige Sportdirektor des HSV-Nachwuchses arbeitet seit zehn Monaten für die Hamburger Berateragentur FTC, bei der David und Vagnoman unter Vertrag stehen. „Wir sind mit der Entwicklung der beiden und der Arbeit des Trainerteams sehr zufrieden“, sagt Gudel.
Der FTC-Geschäftsführer wird heute ebenfalls ins Stadion gehen, um Vagnoman und vor allem David zu beobachten, sofern er denn spielen sollte. Das Alter spiele für Gudel dabei keine Rolle. „Es geht nicht darum, ob sie jung sind, sondern ob sie gut sind.“ In dieser Einschätzung war man sich beim HSV nicht immer einig. David gehörte vor der Sommervorbereitung zu den Wechselkandidaten. Ein Bundesligist hatte angeklopft. Für Vagnoman rief der ehemalige Sportvorstand Ralf Becker vor einem Jahr zehn Millionen Euro Ablöse auf. Doch die wollte selbst in England keiner zahlen, weil jener noch kaum Einsätze hatte.
Hecking hat bei Vagnoman und David keine Bedenken
Unter Hecking kommt Vagnoman nun zu Einsätzen. Prompt nominierte ihn Stefan Kuntz für die deutsche U-21-Nationalauswahl. Weil Hecking ihm vertraute. „Ich weiß noch, dass Josh kritisch gesehen wurde nach seiner Vorbereitung und dem Stadtderby. Man kann aber nicht einerseits fordern, der HSV muss junge Spieler einbauen, und dann sofort Kritik anwenden, wenn die Leistung nicht gleich passt“, sagte der 55-Jährige.
Vagnoman dankte Hecking dieses Vertrauen mit zwei starken Spielen in Folge. Diesen Weg will der Cheftrainer auch mit Jonas David gehen. „Wenn Jonas am Sonnabend spielt, dann liegt es daran, dass wir überzeugt sind, dass er auch gut spielt. Da hat er in den vergangenen Wochen viel Eigenwerbung betrieben“, sagte Hecking vor dem Spiel.
Sollte er sich am Ende doch für Papadopoulos entscheiden, wäre das für Jonas David aber kein Rückschritt. Sein Weg geht weiter nach vorne. „Perspektivisch kann er für den HSV sehr wichtig werden“, sagt sein Personal Trainer Maik Peters. Vielleicht ja schon gegen Fürth.