Hamburg. Streit um den Russland-Wechsel des Brasilianers eskaliert. Berliner Anwalt fordert 1,2 Millionen Euro Provision.
Der Feiertag der deutschen Einheit hätte für Bernd Hoffmann nicht viel schlechter beginnen können. Kurz bevor der HSV-Vorstandschef am Vortag Feierabend machen wollte, erhielt er Post und ein Fax aus Berlin. Doppelt hält besser. In den sogenannten Forderungsschreiben wurde Hoffmann formaljuristisch mitgeteilt, was er ohnehin schon länger befürchtete: Marcus Haase, der Vermittler des früheren HSV-Brasilianers Douglas Santos, will den Club auf eine Provision in Höhe von 1,2 Millionen Euro (zuzüglich Mehrwertsteuer) verklagen. Es ist der Tiefpunkt eines seit zwei Monaten schwelenden Streits, der nun vor dem Landgericht entschieden werden dürfte.
Hintergrund der Auseinandersetzung war Douglas Santos‘ Wechsel vom HSV zu Zenit St. Petersburg für zwölf Millionen Euro plus eventuelle Bonuszahlungen von zwei Millionen Euro (und nicht wie bislang immer kommuniziert drei Millionen Euro). Der Transfer zog sich über Wochen hin, ehe er nach mehreren Irrungen und Wirrungen vor knapp 100 Tagen doch noch perfekt gemacht wurde. Doch wer nun dachte, dass das Kapitel Douglas Santos damit ein für alle Mal beendet sei, der irrte.
Beraterstreit landet wohl vor Gericht
Schon kurz nach dem Transfer wurden Unstimmigkeiten zwischen Haase und dem HSV öffentlich. Der Berliner Anwalt hatte dem HSV eine Rechnung in Höhe von 1,2 Millionen Euro geschickt, die der Club aber auf keinen Fall begleichen wollte. Nun, knapp zweieinhalb Monate später, die Eskalation: In dem am Mittwoch zugestellten Forderungsschreiben, das direkt an Vorstandschef Hoffmann adressiert war, werden dem HSV noch einmal zehn Tage zur Begleichung der Millionenrechnung eingeräumt. Sollte sich der Club weiter weigern, würde der Gang vor Gericht folgen. „Ich sehe mich nunmehr veranlasst, rechtliche Schritte zur Durchsetzung unserer Ansprüche einzuleiten“, sagt Haase dem Abendblatt.
An dieser Stelle muss man allerdings noch einmal 75 Tage zurückspulen. Denn von zentraler Bedeutung bei der Aufklärung vor Gericht könnte eine zehnseitige Dokumentation über alle Gespräche und sämtliche Abläufe rund um den Santos-Transfer sein, die Haase damals Hoffmann, Sportvorstand Jonas Boldt und Finanzvorstand Frank Wettstein übermittelte. Die zentrale Frage dieser Dokumentation, für die sich zwischenzeitlich auch der AG-Aufsichtsrat interessierte, lautete: Wer hat was beim HSV zu sagen?
Santos-Vermittler erhebt Vorwürfe gegen HSV
Klar scheint nur, dass Sportvorstand Boldt wohl von Anfang an unzufrieden mit Haases Diensten gewesen sein muss und die Zügel irgendwann selbst in die Hand nehmen wollte. In der Dokumentation betonte der Santos-Vermittler der für die brasilianische Agentur TFM Agency Deutschlandbeauftragter ist, dass er aber auch danach noch weiterhin im engen Austausch mit HSV-Chef Hoffmann gestanden habe. Es habe mehrere Telefonate und ein persönliches Treffen gegeben, in dem bereits vor dem finalen Transfer über seinen Provisionsanspruch gesprochen wurde.
Zudem habe er Hoffmann eine E-Mail mit seinen Forderungen geschickt, auf die er allerdings keine Antwort erhalten habe. Endgültig sei der Gesprächsfaden allerdings erst nach dem Wechsel abgebrochen.
„Bizarr ist, dass mich die Verantwortlichen des HSV zunächst darum baten, einen für den HSV lukrativen Transfer von Douglas Santos zu initiieren und einen interessierten Verein zu suchen, mich dann – insbesondere an den entscheidenden Stellen – gebeten haben, diesen für den Verein wirtschaftlich wichtigen und von mir vermittelten Transfer zu Zenit nachzuverhandeln und abzuwickeln, aber seit Abschluss des Transfers die Kommunikation mit mir nahezu komplett eingestellt haben“, sagt Haase nun.
Hoffmann kontert Haases Aussagen
Was der Berliner mit „den entscheidenden Stellen“ meint: Kurz vor der Einigung mit St. Petersburg soll er laut der Dokumentation vom HSV beauftragt worden sein, noch einmal Druck auf die Zenit-Verantwortlichen zu machen. Hierfür habe Haase eine schriftliche Bestätigung der finanziellen Schmerzgrenze eingefordert, die ihm Hoffmann wenig später geschickt habe: 12,5 Millionen Euro Ablöse plus erfolgsabhängig 2,5 Millionen Euro. Am Ende einigten sich die Clubs auf die Formel 12+2 Millionen.
Zweieinhalb Monate später will Hoffmann auf keinen Fall klein beigeben. „Ein Anspruch auf Honorar seitens des HSV ist für Herrn Haase weder vereinbart noch entstanden“, sagt der Clubchef, der vor allem mit Haases Forderung, er wolle „branchenüblich“ bezahlt werden, nichts anfangen kann. So habe der HSV alleine in dieser Transferperiode 30 Transfers abgewickelt, bei denen aber kein einziges Mal der abgebende Club den Berater hätte bezahlen müssen.
Nun dürfte es dem Gericht überlassen werden, Recht zu sprechen. Unstrittig ist dagegen, dass sich zumindest der Protagonist des Ganzen als Gewinner fühlen darf: Douglas Santos hat sich auf Anhieb in St. Petersburg akklimatisiert und ist seit Mittwochabend Tabellenführer in der Champions League. 3:1 gewann Zenit gegen Benfica – nur wenige Stunden, nachdem Haases Forderungsschreiben beim HSV eingegangen ist.