Hamburg. Nürnberg, Bochum und Karlsruhe nehmen ihren Protest zurück – U-21-Nationaltrainer Kuntz will den Gambier indes einbürgern.
Oliver Bierhoff war ein Stürmer, den man guten Gewissens nach als echten Torjäger bezeichnen konnte. Der heutige Direktor Nationalmannschaften traf 37-mal für Deutschland, machte 154 Tore in Italien und erzielte sogar sechs Treffer für den HSV. Doch die Großchance am Dienstag, die ließ der frühere Top-Vollstrecker ungenutzt.
In der ersten Pressekonferenz des Nationalteams vor dem Spiel gegen die Niederlande (Fr./20.45 Uhr) wurde Bierhoff am Millerntor gefragt, wie er den Fall Bakery Jatta und die Rolle des DFB bewerte. Bierhoff hätte nun viel über Werte, Integration und die Kraft des Fußballs sagen können. Er sagte aber: „Ich habe den Fall nicht intensiv verfolgt.“ Er wolle keine großen Kommentare machen, aber es sei wichtig, dass der Fall geklärt werde. Und dann sagte er: „Es ist wichtig, Klarheit zu schaffen. So lange die nicht da ist, sollte man den aktuellen Stand akzeptieren.“
Die Klarheit kam nur wenige Stunden später. Um 15.30 Uhr verkündeten der 1. FC Nürnberg, der VfL Bochum und der Karlsruher SC gleichzeitig, dass sie ihren Einspruch gegen die Spielwertungen nach ihren Niederlagen gegen den HSV zurückziehen. Somit wird es auch nicht zu einer Verhandlung vor dem DFB-Sportgericht kommen. „Durch die veränderte Indizienlage hat sich in einem unsicheren Umfeld nun mehr Klarheit für uns ergeben und es besteht kein Grund mehr, die Rechtmäßigkeit der Spielberechtigung zu hinterfragen“, teilte der Club mit.
Nürnberg plante biometrische Begutachtung
Der Ligakonkurrent hatte nach der 0:4-Niederlage gegen den HSV mit seinem Einspruch eine Welle losgetreten. Bis zuletzt prüften die Nürnberger, wie sie die Punkte am grünen Tisch noch gewinnen könnten. So wollte der Club nach Abendblatt-Informationen sogar einen Spezialisten engagieren, der aufgrund anthropologisch-biometrischer Begutachtung die Übereinstimmung Jattas mit dem früheren gambischen Juniorennationalspieler Daffeh nachweisen sollte.
Der HSV, der sich vor dem Sportgericht vom Hamburger Staranwalt Gerhard Strate vertreten lassen wollte, reagierte mit einer gemeinsamen Erklärung des Vorstands. „Das ist ein guter Tag für Bakery Jatta, den HSV und seine Fans“, schrieb der Vorstand. „Bedanken möchten wir uns auch bei den Clubs aus Darmstadt, Chemnitz, Hannover und dem FC St. Pauli, die durch ihren vollzogenen oder angekündigten Verzicht auf Einspruch ihr Verständnis für Fairplay und Sportlichkeit ausgedrückt haben.“ Für den HSV ist der Fall Jatta vier Wochen nach dem ersten Bericht der „Sport Bild“ damit beendet.
Kuntz will Jatta zur deutschen U21 holen
Für den DFB dagegen noch nicht. Denn Stefan Kuntz, früher ein ähnlich guter Stürmer wie Oliver Bierhoff, nahm den Ball am frühen Abend auf und verwandelte ihn beim TV-Sender "Sport1": „Ich würde gerne versuchen, Bakery bei der Einbürgerung zu helfen, weil ich ihn gerne von der U21 überzeugen möchte. Auf diesem Weg waren wir schon, und dann kam diese, für meine Begriffe, etwas unsägliche Diskussion.
Nach Abendblatt-Informationen hatte sich Kuntz tatsächlich wenige Tage vor dem ersten „Sport Bild“-Bericht, der die ganze Lawine in Gang setzte, beim HSV nach Jatta erkundigt. Und laut Staatsangehörigkeitsgesetzt (Ermessenseinbürgerung, Paragraph 8) könnte Jatta tatsächlich schon sehr bald Deutscher werden.
„Ich finde es beeindruckend, wie der HSV und der Spieler damit umgegangen sind“, sagte Kuntz, und weiter: „Wenn unser neuer Präsident gewählt ist, dann werde ich ihn fragen, ob wir Bakery nicht von uns begeistern wollen.“ Eine bessere Pointe hätte man sich in der Causa Jatta kaum ausdenken können.