Hamburg. HSV fertigt Hannover auch dank eines Treffers des Gambiers mit 3:0 ab und feiert Karneval. Doch wird 96 noch zum Stimmungskiller?
Als das Fest der großen Gefühle gerade vorbei war, ging das Fest der großen Partysongs erst so richtig los. Bakery Jatta eilte nach seiner Ehrenrunde und dem hochverdienten 3:0 gegen Hannover 96 mit freiem Oberkörper an den Journalisten im Bauch des Volksparkstadions vorbei, als er in der HSV-Kabine von lautstarker Karnevalsmusik at it’s best empfangen wurde. „Schenk mir dein Herz“ von den Höhnern wurde dem schunkelnden Gambier als erstes von Kabinen-DJ Tim Leibold vorgespielt, ehe einer der wahrscheinlich emotionalsten HSV-Tage der vergangenen Jahre mit einem voll aufgedrehten „Viva Colonia“ abgerundet wurde.
„Das war für mich ein perfekter Nachmittag“, sagte wenige Minuten später Trainer Dieter Hecking ein Stockwerk über der zur Karnevalsdisco umfunktionierten Kabine. Der HSV-Coach, der sich selten von einer Jubel-Trubel-Heiterkeit-Stimmung anstecken lässt, versuchte gar nicht erst, das gerade Geschehene herunterzuspielen. „Dominant“, „hervorragend“ und „sensationell“ waren nur ein paar der Adjektive, die Hecking auf der Pressekonferenz nach dem Sieg gegen 96 gebrauchte. „Ich bin heute ein sehr zufriedener Trainer“, sagte er. Das ganze Team habe stark gespielt, so Hecking, aber natürlich kam auch er nicht darum herum, den Helden des Tages besonders zu würdigen.
Filmreife Vorstellung
„Das ist mal wieder so eine Geschichte, wie nur der Fußball sie schreiben kann“, sagte also Hecking – und meinte die Geschichte Jattas, dessen Identität seit Wochen ohne Beweise angezweifelt wird, der am vergangenen Wochenende 45 Minuten lang in Karlsruhe lautstark ausgepfiffen wurde und der gestern mit seinem Treffer zum 3:0 (75.) einen nahezu perfekten zu einem komplett perfekten Tag machte.
„Baka hat nach Karlsruhe zwei richtig schwere Tage gehabt, weil er nicht verstanden hat, warum die Leute ihn ausgepfiffen haben. Das mussten wir mit ihm besprechen“, sagte Hecking, dem Jatta nach seinem Tor zum 3:0 mit einem Anlauf über den halben Platz in die Arme fiel. „Dass wir und das ganze Stadion ihm das alle heute gegönnt haben, ist unbestritten. So kann man ein Drehbuch schreiben.“
Happy End für Jatta
Das Drehbuch am Sonntag sah vor, dass der dominant auftretende HSV nach 35 Minuten in Führung ging. Wieder war es Sonny Kittel, der sich bereits über seinen vierten Saisontreffer freuen durfte. Als David Kinsombi nach knapp einer Stunde auf 2:0 erhöhte, schien der vierte HSV-Erfolg in Serie bereits nach 59 Minuten sicher. Doch ein gutes Drehbuch hat eben noch einen Überraschungsmoment parat: „Unglaublich für Baka, dass ausgerechnet er noch das Tor macht“, freute sich der doppelte Vorbereiter Khaled Narey. „Es hätte kein besseres Ende geben können.“
Ob es aber auch außerhalb des Platzes tatsächlich das ganz große Happy End für Bakery Jatta geben wird, dürfte letztendlich erst am 9. September durch das DFB-Sportgericht entschieden werden. Wie das Abendblatt erfuhr, will sich der 1. FC Nürnberg, der als erster Protest gegen die Spielwertung eingelegt hatte, nicht nur auf den vorgeladenen Zeugen Seydou Sané verlassen.
Profiler soll Identität klären
Der Präsident des senegalesischen Erstligaclubs Casa Sports, mit dem sich Vertreter des Clubs bereits getroffen haben sollen, will dem Vernehmen nach aussagen, dass Bakery Jatta und Bakary Daffeh ein und dieselbe Person seien. Nach Abendblatt-Informationen haben die Nürnberger nun auch noch einen deutschen Profiler vorgeladen, der anhand von Fotos ebenfalls behaupten soll, dass Jatta und Daffeh wohl dieselbe Person seien.
Wirklich beunruhigen lassen wollte sich Hecking von Nürnbergs juristischen Winkelzügen allerdings nicht. „Die Beweislage wird im Sande verlaufen“, sagte der HSV-Trainer. Der HSV will bei der Anhörung in Frankfurt den gültigen Reisepass, eine beglaubigte Geburtsurkunde und eine eidesstattliche Erklärung eines Regierungsbeamten aus Gambia vorlegen. „Der größte Wunsch von Baka ist, dass jetzt in der Länderspielpause alles geklärt wird. Damit wir in der Liga zur Tagesordnung übergehen können.“
Legt Hannover Protest ein?
Bevor Jattas und Heckings Wunsch wahr wird, müssen die beiden zunächst abwarten, ob mit 96 an diesem Montag doch noch nach Nürnberg, Bochum und Karlsruhe der vierte Club Protest anmeldet. Nach dem deftigen 0:3 wollte kein Hannover-Verantwortlicher ausschließen, dass man sich zu diesem Schritt durchringt, den man unter der Woche schon nahezu ausgeschlossen hatte.
Am Sonntagabend war all das aber nur ein Nebenkriegsschauplatz. „13 Punkte nach fünf Spielen sind eine fantastische Ausbeute“, sagte Hecking, der am Ende eines denkwürdigen HSV-Tages nur noch eines anmerken wollte: „Ich freue mich auf die Länderspielpause. Und dann kommt das Stadtderby …“