Hamburg. HSV muss sich zunehmend mit Konstellationen wie bei Pollersbeck und Janjicic arrangieren. Spielerberater warnt vor Entwicklung.

Es war im Sommer 2009, als Just Moting ein Anliegen hatte. Der Papa vom damaligen HSV-Talent und heutigen Paris-Saint-Germain-Stürmer Eric-Maxim Choupo-Moting (30) saß in der großzügigen Lobby des HSV-Mannschaftshotels Aqua Dome in Tirol, der Laptop vor ihm aufgeklappt. Und als Moting ein paar Medienvertreter in der Lobby erspähte, bat er höflich darum, dass man ihn doch zukünftig in den Zeitungen als Berater und Vater bezeichnen solle – und bitteschön nicht umgekehrt.

Zehn Jahre ist diese kleine Episode her, die einiges über das große Geschäft Profifußball verrät. Vor allem ist sie aber: so aktuell wie nie zuvor. Denn von Vätern, die vor allem Berater sein wollen, kann man beim HSV derzeit ein Lied singen. Jüngste Beispiele sind Günter Pollersbeck, der Papa von Torhüter Julian Pollersbeck, und Kollege Vasilije Janjicic, der sich seit Kurzem ebenfalls von seinem Vater vertreten lässt. Beiden Profis wurde mitgeteilt, dass sie sich einen neuen Club suchen dürfen – doch bei beiden Profis gestaltet sich diese Familienangelegenheit als durchaus kompliziert.

Eltern als Berater? Keine Ausnahme mehr

Jörg Neblung, etablierter Spielerberater, der unter anderem St. Paulis Torhüter Robin Himmelmann betreut, ist wenig überrascht. „Das Phänomen, dass Eltern bei ihren Fußballersöhnen mitverdienen wollen, gibt es schon länger. Aber in den vergangenen Jahren hat diese fatale Tendenz so zugenommen, dass selbige auch offiziell als Berater auftreten“, sagt der Agent. „Für die Spieler ist diese Entwicklung meiner Meinung nach vor allem deswegen ein großes Problem, weil Familien fast durchweg weder die Erfahrung, noch die Expertise und schon gar nicht das Netzwerk haben.“

Was Neblung im Allgemeinen beobachtet hat, lässt sich an den Beispielen Pollersbeck und Janjicic im Speziellen dokumentieren. So ist Mittelfeldmann Janjicic bereits seit einer Woche freigestellt, um einen neuen Club zu finden. Doch wie das Abendblatt erfuhr, soll der Schweizer U21-Nationalspieler und dessen Familie potenzielle Interessenten durch überhöhte Gehaltsforderungen verschrecken. Nicht viel besser ist die Lage bei Torhüter Pollersbeck, der vor zwei Jahren nach dem Gewinn der U21-Europameisterschaft zu den gefragtesten Keepern Deutschlands zählte und für den der HSV sogar noch vor wenigen Monaten 3,5 Millionen Euro haben wollte. Nun stattete Papa Pollersbeck, der dem bisherigen Agenten Roman Rummenigge den Laufpass gab, gleich mehrere Berater für mehrere Märkte mit Mandaten aus – bislang aber ohne Erfolg.

HSV wartet auf Rückruf von Pollersbeck Senior

Wie es um die Kommunikation zwischen Club und Beraterpapa bestellt ist, verdeutlicht die Tatsache, dass Günter Pollersbeck noch nie mit Sportvorstand Jonas Boldt, Sportdirektor Michael Mutzel oder auch Trainer Dieter Hecking gesprochen hat. Seine Nummer hat Pollersbeck Senior zwar im Vorstandssekretariat hinterlegt, auf einen Rückruf wartet der Bayer aber bis heute vergebens.

Man kann Neblungs Kopfschütteln förmlich durch das Telefon hören. Der Spielerberater, der seit der Zusammenarbeit mit Robert Enke (†32) in der Szene als Torwartspezialist gilt und sogar HSV-Torwarttrainer Kai Rabe betreut, warnt ganz entschieden davor, sich von der eigenen Familie vertreten zu lassen. „Eine objektive Beratung, die auf langjährigen Erfahrungswerten basiert, ist tendenziell ausgeschlossen“, sagt er. „Es gibt leider zu viele Brüder, Väter und sogar Mütter, die gar keine Ahnung vom Markt haben, aber jedem erklären, wie es funktioniert. Das ist schon hanebüchen.“

Bei Geld hört eben die Freundschaft auf

Hört man sich in der Szene um, werden vor allem die steigenden Honorare als Hauptgrund für die neue Art der elterlichen Fürsorge genannt. So traf sich Julian Brandts Vater Jürgen in den vergangenen Monaten mit zahlreichen Beratern, um den Wechsel seines Sohnes von Leverkusen nach Dortmund am Ende selbst durchzuführen. Mama Lasogga kümmert sich um Ex-HSV-Stürmer Pierre-Michel, Irfan Gündogan um Filius Ilkay. Besonders kreativ: Marko Marins Papa Ranko, der sich bei neuen Clubs seines Sohns gerne auch als Scout anstellen lässt. Berühmtestes Beispiel aber ist Mesut Özil, der von Beraterschwergewicht Reza Fazeli so lange betreut wurde, bis beim Wechsel von Bremen zu Real Madrid erstmals richtig viel Geld zu verdienen war. Özil feuerte Fazeli und ließ sich seinerzeit von Papa Mustafa betreuen, mit dem er sich später überwarf.

Bei Geld hört eben die Freundschaft auf – oder gegebenenfalls sogar die Verwandtschaft. Fünf bis 13 Prozent einer Ablöse verdient normalerweise der Agent, bei ablösefreien Transfers fallen Einmalzahlungen an. In der Saison 2017/18 mussten die deutschen Erst- und Zweitligaclubs nach DFL-Angaben mehr als 200 Millionen Euro ausschließlich für Beraterhonorare aufwenden. Spitzenreiter damals: der BVB mit 40,92 Millionen Euro. Auch der HSV schüttete stattliche 5,36 Millionen Euro an die Agenten aus.

Fall Douglas Santos sorgte für großen Streit

„Wenn ein Berater seinen Job richtig macht, dann betreut er vor allem den Spieler und seine Familie gut und umfänglich, wodurch natürlich alle Beteiligten am Ende profitieren. Und dafür sollte ein Berater selbstverständlich auch angemessen entlohnt werden“, sagt Neblung – und läuft mit dieser Meinung auch offene Türen beim HSV ein. Denn solange die Berater ihr Handwerk verstehen, hat niemand ein Problem mit den Provisionen. Doch besonders in dieser Saison ärgern sich die Hamburger zunehmend über die Agenten – auch wenn es sich gar nicht um Familienangehörige handelt. Äußerst kritisch werden Guido Walter (von Sakai) und Maurizio Morana (von Ito) beäugt. Der Vorwurf, der nur hinter vorgehaltener Hand ausgesprochen wird: Obwohl man vor Wochen deutlich gemacht habe, dass die Profis keine Einsatzchancen bekämen, würden die sich eher auf die Tribüne setzen, als Gehaltsabstriche zu machen und bei anderen Clubs einen Neustart zu wagen.

Für den größten Streit hat aber der Fall Douglas Santos gesorgt. Berater Marcus Haase hatte dem HSV eine Rechnung in Höhe von rund 1,2 Millionen Euro zukommen lassen. Die Frist läuft an diesem Mittwoch ab – und der HSV will weiter nicht zahlen. Dabei ist Haase mit Santos nicht einmal verwandt oder verschwägert.