Hamburg. Stephan Ambrosius träumte von einer großen Saison, ehe ihn ein Kreuzbandriss stoppte. Das Abendblatt hat ihn ein Jahr lang begleitet.

Zwischen Stephan Am­brosius und den HSV-Profis liegen nur wenige Meter, als der Verteidiger am Dienstagnachmittag im Volkspark trainiert. Sieben Monate nach seinem Kreuzbandriss fehlen dem 20-Jährigen nur noch rund vier Wochen, ehe er wieder mit der Mannschaft trainieren kann. Und doch ist das Team von Trainer Dieter Hecking im Moment ganz weit weg für Ambrosius, der auf dem Nebenplatz an seinem Comeback arbeitet. Läuft alles glatt, schreiben ihn die HSV-Ärzte Mitte August wieder gesund. Für Ambrosius geht es dann aber erst mal wieder zur U 21 in die Regionalliga. Der Traum vom Profi ist für den Hamburger Jung wieder ein weiter Weg geworden. Dabei war Ambrosius vor einem Jahr noch so nah dran, als er vom Nobody plötzlich zum Bundesligaspieler aufstieg.

Die Kantine im Nachwuchsleistungszentrum ist schon leer, als sich der Abwehrspieler mit dem Abendblatt zum Abschlussgespräch trifft. Ein Jahr lang hat sich Ambrosius in seiner ersten Saison als HSV-Profi begleiten lassen. Auf den Bolzplatz seines Heimatstadtteils Wilhelmsburg, in seine neue Wohnung nach Lurup, in die Kabine im Volkspark. Nun sitzt Ambrosius beim Essen in der Alexander-Otto-Akademie. Es gibt Burger mit Süßkartoffelpommes und Salat. Als Ambrosius über sein Jahr spricht, wirkt er enttäuscht. „Im Endeffekt bin ich immer noch kein richtiger Profi“, sagt er und trinkt ein Glas Wasser.

Ambrosius: "Habe sofort meine Mutter angerufen"

Rückblick: Ziemlich genau ein Jahr ist es her, dass Ambrosius den Innenraum des Volksparkstadions betritt und sich zum ersten Interview auf die Ersatzbank setzt. Er blickt in das weite Rund. „Für mich hat sich eine Tür geöffnet. Jetzt liegt es an mir, hindurchzugehen.“ Ambrosius hat gerade seinen ersten Profivertrag unterschrieben. Trainer Christian Titz hält viel von dem zweikampfstarken Innenverteidiger, den er schon in der U 21 trainiert hat. Als Titz Trainer der Profis wird, nimmt er auch Ambrosius mit und schmeißt ihn beim Spiel in Stuttgart in das kalte Wasser. Ambrosius spielt auf der großen Bühne. Seine Gegner heißen Mario Gomez und Daniel Ginczek. „Das war ein geiles Gefühl. Und es ist immer noch ein geiles Gefühl“, sagt Ambrosius rund 15 Monate später.

Doch die Geschichte vom Jungen aus Wilhelmsburg, der beim HSV nach dem Abstieg zu einem der Gesichter des Neuanfangs werden sollte, nimmt eine schnelle Wendung. Zunächst wird Titz im Oktober gefeuert, dann schickt ihn Nachfolger Hannes Wolf zurück zur U 21. Und als sich Ambrosius Ende des Jahres nach einem neuen Verein umschaut, verletzt er sich bei einem Spiel der zweiten Mannschaft in der Regionalliga gegen Holstein Kiel II schwer. Diagnose: Kreuzbandriss. Acht Monate Pause.

„Ich war sehr traurig, habe sofort meine Mutter angerufen“, erzählt Am­brosius. Er wirkt müde von der langen Rehaphase. „Vor allem die ersten Wochen waren sehr schwer.“ Er legt sich noch eine zweite Portion auf den Teller. Ausnahmsweise. Schließlich hat der Küchenchef Geburtstag. Da darf es auch mal Burger mit Pommes geben. Denn eigentlich hat Ambrosius eine wichtige Erkenntnis gewonnen. „Regeneration ist sehr wichtig. Ich habe in den vergangenen Monaten gelernt, viel sorgfältiger mit meinem Körper umzugehen.“

Das ist Heckings Plan mit Ambrosius

Vor allem auf sein rechtes Knie will Ambrosius in Zukunft noch mehr achten. Die HSV-Ärzte sind mit dem Heilungsverlauf in jedem Fall zufrieden. Doch wie geht es nach dem Comeback für den Verteidiger weiter? Trainer Hecking hat bereits mit ihm gesprochen. Der 54-Jährige plant zunächst nicht mit Ambrosius. Trainieren wird er künftig wieder bei der U 21. „Für Stephan ist es zunächst einmal das Wichtigste, dass sein Knie hält“, sagt Hecking. „Er soll über gute Leistungen bei der U 21 wieder auf sich aufmerksam machen, damit sich die Tür zu den Profis für ihn wieder öffnet.“

Am Dienstagnachmittag macht Ambrosius sogar schon die ersten taktischen Einheiten unter dem neuen U-21-Trainer Hannes Drews mit. „Es ist ein wunderbares Gefühl, wieder den Ball am Fuß zu spüren.“ Sieben Monate hat er auf diesen Moment hingearbeitet. Angst um seine Karriere hatte er nie. „Nein, nein, nein. Auf gar keinen Fall.“ Ambrosius wirkt jetzt wieder kämpferisch und wiederholt: „Auf gar keinen Fall.“ Mit Knieverletzungen hat er bereits in der Jugend seine Erfahrungen gemacht. Fast schon trotzig sagt er: „Es gibt schlimmere Sachen als einen Kreuzbandriss.“

Ambrosius will weiter bei HSV-Profis durchstarten

Vier Wochen bleiben Ambrosius noch, ehe er wieder vollständig belastbar ist. In den Wochen darauf wird sich vielleicht schon entscheiden, wohin sein Karriereweg verläuft. Schafft er perspektivisch wieder den Sprung zu den Profis? Oder wird er doch nur eines von den vielen Talenten, die beim HSV mal oben dabei waren, dann aber in der Versenkung verschwanden? Ambrosius ist Realist. „Ich weiß, dass ich dem HSV in meiner Verfassung noch nicht so schnell wieder helfen kann, so ehrlich muss ich sein.“

Doch die Tür nach oben ist noch nicht verschlossen. „Wenn mein Knie stabil bleibt, dann kann ich mein großes Ziel noch erreichen“, sagt Ambrosius, lächelt und verabschiedet sich mit einem Handschlag. Das Abendblatt-Projekt ist abgeschlossen. Das Projekt Profi geht für Stephan Ambrosius weiter.