Kitzbühel. Kein HSV-Profi hat ein so enges Verhältnis zu den Fans wie er. Ob das für Rick van Drongelen reicht, um in Hamburg zu bleiben?
Der Fan mit dem lustigen Schlapphut und der durchnässten Jacke rückt unter dem schützenden Regenzelt ganz nah an Rick van Drongelen ran. „Lasst euch bloß nichts einreden“, sagt der Anhänger, dem das spendierte Freibier beim offiziellen Fanabend des HSV im österreichischen Trainingslager offensichtlich nicht verborgen geblieben ist. „Ihr werdet das schon schaffen“, sagt er. „Diesmal steigt ihr auf.“ Jetzt bitte noch ein schnelles Selfie. Klick. Noch eins. Klick, klick. Danke, bitte, tschüs.
Es ist schließlich spät am Abend, als sich der erschöpfte van Drongelen in die Couch in der Lobby vom Mannschaftshotel „Das Tirol“ fallen lässt. Der Niederländer weiß, dass er jetzt die gleiche Frage beantworten muss, die ihm beim Fanabend und auch in der Heimat seit Wochen gestellt wird. „In Hamburg werde ich oft angesprochen. Da ist immer die erste Frage: Hey Rick, bleibst du?“ Und? Wie lautet die Antwort? „Ich sage einfach die Wahrheit: Ich bin sehr, sehr gerne in Hamburg. Auch wenn man im Fußball nie etwas ausschließen kann.“
Van Drongelen ist gerade einmal 20 Jahre alt – und doch schon ein echter Profi. Sag niemals nie, Stand jetzt, man wird sehen. So lauten die Spielregeln des Geschäfts. Natürlich sei ihm das Interesse vom FC Augsburg bekannt, sagt van Drongelen, betont aber gleichzeitig: „Es stimmt aber einfach nicht, dass ich abgegeben werden soll.“
Landsmann Letschert bleibt im Visier
Wirklich nicht? Nach Abendblatt-Informationen ist der HSV bei van Drongelen noch immer gesprächsbereit – allerdings nur zu einem gewissen Preis. Ein Preis, den der FC Augsburg dem Vernehmen nach nicht zahlen möchte. Dabei steht mit Timo Letschert ein weiterer Kandidat für die Innenverteidigung bereit (Abendblatt berichtete). Van Drongelens Landsmann soll zwar auch eine Anfrage von Atlanta United und dessen Trainer Frank de Boer haben, allerdings scheint der 26-Jährige eher nach Hamburg zu tendieren. Dem Instagramkanal des HSV folgt der Holländer, der noch bis 2020 im italienischen Sassuolo unter Vertrag steht, jedenfalls schon mal.
Sollte Letschert tatsächlich noch nach Argumenten für Hamburg suchen, gäbe es den perfekten HSV-Botschafter: Ausgerechnet van Drongelen. „Es ist ein unglaubliches Gefühl, in das volle Volksparkstadion zu laufen, dann kommt das Lied ,Hey, Hey, hier kommt Hamburg‘ und dann kannst du gar nicht anders als Vollgas geben“, schwärmt der Abwehrmann, der trotz eines eventuellen Abschieds eine besondere Beziehung zu den Anhängern pflegt. „Die Fans machen den Unterschied beim HSV aus“, sagt er.
Besonderes Verhältnis zu den Fans
Gesagt haben diese und ähnliche Sätze schon sehr viele. Gemeint haben ihn die allerwenigsten. Doch sosehr van Drongelen auch Profi ist, so sehr nimmt man ihm das besondere Verhältnis zu den eigenen Anhängern ab. „In Hamburg hatte ich sofort eine gute Beziehung zu den Fans“, sagt der U-21-Nationalspieler, der besonders zu den Ultras, den Treusten der Treuen, beste Kontakte pflegt. „Ich finde den Support der Jungs wirklich überragend, einfach geil“, sagt er. „Ein paar von den Jungs kenne ich mittlerweile auch. Henrik zum Beispiel, den ehemaligen Capo von Poptown.“
Er habe sich mit dem bisherigen Vorsänger der Nordtribüne auch schon mal zum Kaffee getroffen, berichtet van Drongelen. Und vor zwei Wochen sei sogar eine ganze Reihe der Ultras beim Einstandsabend von Sportchef Boldt und Trainer Hecking zum Grillen eingeladen gewesen.
Der naheliegenden Versuchung, den eigenen Fans nach dem Mund zu reden, widersteht van Drongelen. Er habe einen guten Draht zur Nordtribüne, scheue sich aber auch nicht vor Kritik. So hätten ihn die lautstarken Pfiffe im letzten Saisonspiel gegen Duisburg gegen Gotoku Sakai extrem verärgert. „Das war ganz schlimm“, sagt van Drongelen und schlägt eine andere Tonart an. „So sehr ich die Fans liebe, so unmöglich fand ich diese Pfiffe. Gotoku ist nicht der Schuldige am verpassten Aufstieg.“
Van Drongelen spricht nun langsam, aber bestimmt. „Keiner hat solche Pfiffe verdient – aber am allerwenigsten Gotoku Sakai. Er hilft jungen Spielern sehr – und das sieht ja niemand. Er hat mir vom ersten Tag an sehr geholfen – und deswegen haben mich die Pfiffe noch trauriger und wütender gemacht.“
Entscheidende Frage
Van Drongelen lässt es nicht kalt, wenn es im Stadion brodelt. Nach dem 0:3 gegen Ingolstadt und den lautstarken Pfiffen gegen die ganze Mannschaft brach der Fußballer in der vergangenen Saison sogar in Tränen aus. „Natürlich habe ich mich auch über die Pfiffe geärgert, aber eigentlich hatte es nichts mit den Fans zu tun“, sagt er nun. „Wir haben viele Spiele hintereinander schlecht gespielt – und jedes Mal haben wir uns neu hochgefahren und wollten den Turnaround unbedingt schaffen. Und dann kam dieses Ingolstadtspiel. Drei Tore gegen uns. Zu Hause. Im Volksparkstadion. Das war dann in dem Moment einfach zu viel für mich.“
Bilder aus dem HSV-Trainingslager:
HSV: Die besten Bilder vom Trainingslager in Kitzbühel
Vergangenheit. Im Hier und Jetzt steht schon wieder die nächste Saison vor der Tür. Bleibt nur weiterhin die entscheidende Frage: Mit oder ohne van Drongelen? Der Niederländer lächelt, steht auf und verabschiedet sich. „Ich habe Bock auf den HSV“, sagt er. Was er nicht sagt: Sag niemals nie, Stand jetzt, man wird sehen. Nur eines noch: „Das Stadion, die Fans, das alles. Und dann ist Showtime. Mehr geht doch nicht.“