Hamburg . Jahrelang diente der Publikumsliebling dem Verein. Erstmals öffnet Marinus Bester sein Herz und spricht Klartext.

Jeden Tag bittet der neue Trainer seine Spieler auf den Platz. Saisonvorbereitung, da muss jeder mitziehen, da müssen die Grundlagen erarbeitet werden, da muss man sich kennenlernen und einspielen. Das ist in der Oberliga nicht viel anders als drei, vier, fünf Spielklassen weiter oben. Zudem steht auch noch das „große“ Spiel am Sonnabend (15 Uhr) auf dem Plan. Zum 111. Vereinsjubiläum des TSV Buchholz 08 kommt: Nur der HSV. „Alle meine Jungs freuen sich total. Das ist ein wichtiger Auftritt für uns“, sagt Buchholz´ Trainer – Marinus Bester.

Im Januar bat er Hoffmann um Vertragsauflösung

Das ist nun wieder so eine „Ausgerechnet“-Geschichte, wie sie der Fußball praktisch pausenlos erzählt. Bester und HSV – das war 20 Jahre lang wie eine Einheit. Noch zu Jahresbeginn ließ sich der ehemalige Stürmer so zitieren: „Bei einer Herz-OP würden die Ärzte bei mir eine Raute in der Brust vorfinden." Doch da hatte sein Rautenherz schon längst einen Infarkt erlitten. Mitte Januar bat er nach einem Gespräch mit Vorstandschef Bernd Hoffmann und dem damaligen Sportchef Ralf Becker um Auflösung seines Vertrages. „Ich war nicht mehr so überzeugt, dass der HSV noch auf dem richtigen Weg ist“, erzählt Bester im Gespräch mit dem Abendblatt.

Neuanfänge ermüdeten den Publikumsliebling

Er beschreibt eine mentale Abnutzung und Erschöpfung, die viele, viele HSV-Fans nachvollziehen können. Wie seit Jahren immer wieder ein Neuanfang ausgerufen wird, der dann doch wieder scheitert – bis ein weiterer Neuanfang ausgerufen wird. „Acht, zehn Jahre lang wiederholte sich das Muster. Es wird an alle Mitarbeiter appelliert zusammenzustehen, den neuen Weg mitzugehen“, erinnert sich Bester, „es war der x-te Umbruch. Aber irgendwann hast du dann keine Motivation mehr, da noch einmal mitzumachen.“

Bereits in der Saison 1992/93 lief der gebürtige Hamburger 17-mal als Stürmer in der Bundesligamannschaft des HSV auf. Nach Stationen in Bremen und auf Schalke sowie bei Concordia, dem VfL 93 und dem Lüneburger SK kehrte er im Jahr 2000 als Spieler zum HSV zurück und kickte noch zwei Jahre bei den Profis und in der U23. Danach arbeitete er beim HSV als Pressesprecher, Teamkoordinator, Teambetreuer, Jugendtrainer, in der Talentbetreuung und wurde unter Christian Titz in der letzten Saison Co-Trainer bei den Profis.

Aktion gegen St. Pauli machte ihn unsterblich

Bester kennt das Innenleben des HSV wie kaum einer, er hat geholfen, wo es nötig war, wurde eine der wenigen Konstanten in den letzten Jahren und ist deshalb auch bei den Fans außerordentlich populär. Zu dem Kult trug auch seine Aktion vom Oktober 1999 bei. Bester hatte in der Regionalliga den 1:0-Siegtreffer für Lüneburg gegen den Nachwuchs des FC St. Pauli erzielt, beim Torjubel präsentierte er unter seinem LSK-Trikot ein HSV-Jersey. Es kam zu Tumulten, Bester wurde schließlich von einem Polizeiauto nach Hause eskortiert. So einer ist eigentlich unangreifbar.

Und dennoch sagt er: „Bei der immer wieder anderen Denkweise im HSV konnte man eigentlich darauf warten, dass irgendwann Vorgesetzte kommen und einen anderen Mitarbeiter für deinen Job präsentieren.“ Genau das wollte Bester nicht erleben. „Ich bin im Januar 50 Jahre alt geworden und habe jetzt noch die Chance für einen beruflichen Neuanfang gesehen“, sagt er. Das ist nicht Oberligatrainer – „das ist ein Hobby“ –, Bester orientiert sich Richtung Spielerberatung. Führt hier und da Gespräche und ist dabei, finale Entscheidungen zu treffen. So weiß er noch nicht, ob er sich komplett selbständig machen möchte oder sich einer bestehenden Agentur anschließen will. Eine Voraussetzung aber erfüllt er schon: „Es gibt Spieler, die daran interessiert sind, mit mir zusammenzuarbeiten."

Kritik an Trennung von Nachwuchschef Peters

In der Schnittstelle zwischen Jugend- und Profiabteilung beim HSV hat er ja auch schon jungen Spielern dabei geholfen, den schwierigen Übergang in den Fußballberuf zu bewerkstelligen. Das war auch eine Herzensangelegenheit, Bester stand voll hinter dem Nachwuchskonzept von Bernhard Peters. Dessen Entlassung und quasi die Auflösung seiner Abteilung hält er für einen Fehler. „Peters ist sicher ein streitbarer Typ, aber er hat optimale Strukturen für die Talentförderung geschaffen“, sagt Marinus Bester, „natürlich war das sehr personalaufwendig. Ich halte es trotzdem für falsch, dass an dieser Stelle nach dem Abstieg gespart wurde.“

Dass vor dieser Saison zahlreiche Nachwuchsspieler wie Fiete Arp, Patric Pfeiffer, Finn Porath, Mats Köhlert oder Aaron Opoku den Verein verlassen, die er selbst teilweise betreut hatte, stellt „Marine“ einfach fest. Bewerten will er das nicht. „Ich darf mich nicht in Rage reden“, sagt der Trainer von Buchholz 09 und gibt zu: „Im Herzen bleibe ich eben immer HSVer.“