Hamburg. Sportvorstand kehrt von Beckers Kurs ab. Viele Spieler dürfen bleiben, müssten dann aber zur zweiten Mannschaft. Die Planspiele.
Am Donnerstag hatte Bernd Hoffmann einen Termin mit dem Hotelchef des Wachtelhofs in Rotenburg. Der Vorstandsvorsitzende des HSV erklärte dem Inhaber, warum der Club nicht wie geplant Anfang Juli das Trainingslager an der Wümme bestreitet. Stattdessen haben sich die Verantwortlichen um den neuen Sportvorstand Jonas Boldt und den neuen Trainer Dieter Hecking dafür entschieden, sich in Österreich auf die neue Saison vorzubereiten. Vom 8. bis zum 14. Juli wird der HSV nach Kitzbühel reisen und im Kempinski Hotel wohnen. Boldt hat dort gute Erfahrungen gemacht. Er erhofft sich neben einer guten Auswahl an Testspielgegnern vor allem auch Marketingchancen.
Der neue HSV-Manager sitzt am Donnerstag in einer Loge im Volksparkstadion und spricht zwei Wochen nach seiner Präsentation erstmals konkret über seine Pläne für die neue Saison. Schon drei Wochen vor der Reise nach Österreich startet der Zweitligist in die Vorbereitung. Und die Äußerungen von Boldt machen deutlich, dass er bis zum Ende der Transferperiode am 31. August noch viel Arbeit vor sich hat. Boldt und Trainer Hecking planen mit einem Kader von 20 Feldspielern und drei Torhütern. Stand jetzt stehen 35 Spieler mit einem Profivertrag im Aufgebot. Und weitere Neuzugänge sollen noch kommen.
Abkehr vom Becker-Kurs
Zum Start der Vorbereitung setzt Boldt im Volkspark alles auf Null. „Jeder Spieler, der beim HSV einen Vertrag hat, ist herzlich willkommen dabei mitzuhelfen, unsere Ziele zu erreichen“, sagt der 37-Jährige und legt die Arme auf den Tisch. Das formulierte Ziel ist die Rückkehr in die Bundesliga. Und dafür ruft Bolt einen neuen Konkurrenzkampf aus. „Jeder muss sich der Aufgabe unterordnen. Jeder muss sich die Frage stellen, ob er den Kampf annimmt oder nicht.“
Boldt und Hecking kehren damit ab von dem Kurs, den der freigestellte Sportchef Ralf Becker eingeleitet hatte. Anstelle des großen Umbruchs will das neue Gespann allen Spielern eine Chance geben. Dazu zählen vor allem auch Kyriakos Papadopoulos und Bobby Wood, die der Club eigentlich gerne verkauft hätte, da sie zusammen fast fünf Millionen Euro des eingeplanten Etats binden. Da aber keine Anfragen vorliegen, plant der HSV mit ihnen den Neustart.
Boldt: "In Wood schlummert etwas"
Mit Wood hatte sich nicht nur Hecking in Mönchengladbach beschäftigt, sondern auch Boldt in Leverkusen. Mit Papadopoulos arbeitete er schon bei Bayer zusammen. „Papadopoulos könnte ein Fixpunkt sein. Wir hoffen, dass er fit bleibt“, sagt der Sportchef über den kniegeschädigten Griechen. Wood, der nach einem erfolglosen Jahr von Hannover 96 zurückkehrt, soll beim HSV zu alter Form finden.
„Bei Bobby sehen wir die sportliche Qualität. Ich erinnere mich, dass er uns zu Leverkusener Zeiten immer vor Probleme gestellt hat“, sagt Boldt. „In ihm schlummert etwas. Aber er muss natürlich auch bereit sein, dafür wieder zu arbeiten.“ Gleiches gelte für Papadopoulos. „Wenn Spieler wie Wood und Papadopoulos sportlich so funktionieren, wie sie es mal geschafft haben – und da versuchen wir sie hinzubringen – dann sind es Verstärkungen.“
Doch wieder Chancen bei Santos?
Anders sieht es im Fall Douglas Santos aus, wenngleich es am Ende zum selben Ergebnis kommen könnte. Der Brasilianer hatte nach dem letzten Spieltag deutlich gemacht, dass er den HSV nach drei Jahren verlassen will. Das Problem: Es gibt keine Angebote. Boldt selbst hatte sich den Brasilianer vor einem Jahr als Sportdirektor von Leverkusen noch als potenziellen Nachfolger von Wendell ausgeguckt. Doch der Linksverteidiger wird auch in der kommenden Saison bei Bayer spielen.
Möglich also, dass Santos ein weiteres Jahr in der Zweiten Liga spielen muss. Boldt hätte in jedem Fall nichts dagegen: „Ich wäre super froh, so einen Spieler im Kader zu haben. Und wir haben ihn im Kader. Und wenn Douglas bleibt, ist es die Aufgabe vom Trainer und mir, ihn wieder für die Aufgabe hier zu begeistern. Ich werde mich mit ihm hinsetzen. Sportlich ist er eine totale Bereicherung und nach allem, was ich gehört habe, auch menschlich.“
Pollersbeck soll Konkurrenzkampf aufnehmen
Santos gehört neben Verteidiger Rick van Drongelen und Torhüter Julian Pollersbeck zu den Spielern, mit denen der HSV den wohl größten Transfererlös erzielen könnte. Doch während van Drongelen bei vielen Clubs Begehrlichkeiten weckt, wird auch Pollersbeck Stand jetzt in Hamburg bleiben – trotz der Verpflichtung von Daniel Heuer Fernandes. „Wir haben jetzt einen Konkurrenzkampf, den müssen beide annehmen“, sagt Boldt, der im neuen Torhüter einen der neuen Führungsspieler sieht. „So wie ich Daniel kennen gelernt habe, kann das auch einen Effekt in der Kabine geben.“
Der 26-Jährige, der aus Darmstadt kam, steht stellvertretend für die Spieler, die Boldt für den HSV sucht. „Wir sollten nicht den Fehler machen und auf Namen achten. Die Fans und Zuschauer identifizieren sich mit Leistungen, nicht mit Namen.“ Nachdem die jüngste Mannschaft der Liga im vergangenen Jahr mit dem Druck am Ende nicht umgehen konnte, will der HSV bei der Auswahl der weiteren Neuzugänge auf andere Kriterien achten. „Es gibt ein klares Profiling, dazu gehört auch der Charakter. Die Identifikation mit dem HSV wird ein wichtiger Faktor sein. Das Potenzial abzurufen, das jeder Spieler im Kader hat, wäre schon mal ein großer Erfolg.“
Viele Profis müssen zur zweiten Mannschaft
Um den großen Kader zu minimieren, werden viele Spieler mit Profiverträgen bei der zweiten Mannschaft trainieren. Einige Lizenzspieler wie Moritz Kwarteng, Christian Stark oder Arianit Ferati spielen in den Planungen der Profis ohnehin keine Rolle. Rückkehrer wie Finn Porath oder Matti Steinmann werden sich vermutlich schnell nach neuen Clubs umschauen. Boldt und Sportdirektor Michael Mutzel müssen bei der Kaderformierung einige Lösungen finden.
Dass der HSV zunächst Spieler verkaufen muss, um neue zu holen, ist keine Vorgabe. „Natürlich ist Geld für uns hilfreich, aber wir können auch ohne Einnahmen weitere Spieler verpflichten“, sagt Boldt und lässt durchblicken, dass er vor allem an Leihspieler denkt. Das Kommen und Gehen, so viel steht fest, hat beim HSV gerade erst begonnen.