Hamburg. Wir haben mit fünf Experten über die Ursachen der Krise und mögliche Auswege gesprochen. In entscheidenden Punkten bestand Einigkeit.
Fünf Stunden lang hat das Hamburger Abendblatt mit fünf HSV-Experten über die Zukunft des Vereins gesprochen: Mit dem Vorstandsvorsitzenden Bernd Hoffmann genauso wie mit Präsident Marcell Jansen, Ex-Vorstandschef Carl-Edgar Jarchow, Ex-Aufsichtsratschef Manfred Ertel und Fußball-Blogger Pit Gottschalk. Die entsprechenden Gespräche sind inzwischen rund 100.000-mal auf abendblatt.de, Facebook oder Youtube angehört beziehungsweise angesehen worden.
Die Bilanz: Überraschenderweise waren sich alle Beteiligen in einigen entscheidenden Punkten mehr oder weniger einig. Hier sind deshalb die fünf Thesen zur Zukunft des HSV.
These eins: Der Verein muss begreifen, dass er nicht mehr der große HSV ist
Das vielleicht größte Problem ist, dass sich der HSV angesichts eines nach wie vor vollen Volksparkstadions und der medialen Aufmerksamkeit immer noch wie ein Spitzenclub (an)fühlt. Damit muss Schluss sein: „Wir müssen in der Realität ankommen und akzeptieren, dass wir aktuell ein Zweitliga-Verein sind“, sagt Jansen. Hoffmann ergänzt: „Wir wollen am Ende der Saison ein normaler Club sein, der nicht über die Einflussnahme von Investoren und die Teilnahme an europäischen Wettbewerben diskutiert.“
Ertel sagt es noch drastischer: „Es muss Schluss sein mit dem Gehabe um den großen HSV.“ Einfach wird das nicht: „Man kann einem Verein wie dem HSV nicht einfach so den Druck nehmen“, sagt Pit Gottschalk.
These zwei: Um aus der Krise zu kommen, braucht der HSV einen erfahrenen Trainer
In diesem Punkt waren sich alle fünf einig, auch wenn Jarchow, Ertel und Gottschalk bei der Aufzeichnung der Gespräche noch nicht wussten, dass Dieter Hecking als Trainer zum HSV kommt. „Uns im Vorstand ist klar geworden, dass ein junger Trainer für die besondere Situation beim HSV nicht die richtige Wahl ist“, sagt Bernd Hoffmann.
These drei: Der HSV braucht mehr sportliche Kompetenz im Aufsichtsrat
Aufsichtsrat Marcell Jansen spricht selbst davon, dass er in dem Gremium gern „zwei, drei Personen mit sportlicher Kompetenz“ hätte. Jarchow warnt davor, die Mitverantwortung des Aufsichtsratsfür die Entwicklung des HSV zu unterschätzen: Die Räte müssten alle Entscheidungen, bei denen es um mehr als 500.000 Euro geht, abnicken.
These vier: Der HSV muss wirtschaftlich in neuen Dimensionen denken
Jarchow musste schon in seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender zwei Insolvenzen abwenden. Davon ist der HSV jetzt glücklicherweise entfernt, große Sprünge sind angesichts der angespannten wirtschaftlichen Lage aber nicht drin. „Wenn es läuft, bekommen wir gute Zweitliga-Spieler mit Ambitionen oderjunge Spieler mit Talent“, sagt Jansen.Und Hoffmann: „Aktuell haben wir nicht einmal die Chance, Gehälter zu stemmen wie Mainz 05 oder der SC Freiburg.“
These fünf: Der HSV braucht Konstanz auf den Führungsebenen
„Es wäre ein Traum, mal drei Jahre in derselben Besetzung arbeiten zu können“, sagt Jansen. Ertel fordert: „Der HSV braucht Kontinuität und Zeit.“ Hoffmann sieht sich in der neuen Konstellation mit Sportvorstand Jonas Boldt und Trainer Dieter Hecking auf einem guten Weg: „Mein Wunsch ist, dass wir so lange wie möglich zusammenarbeiten. Es fühlt sich schon sehr gut an.“
Einig waren sich übrigens auch alle, dass der HSV in der kommenden Saison nicht wieder den Fehler machen dürfe, die Spiele gegen den FC St. Pauli zu vermeintlichen Höhepunkten hochzureden: „Möglicherweise ist es kein Zufall, dass nach dem Sieg gegen den FC St. Pauli, der ja wie ein Erfolg in der Champions League gefeiert wurde, unsere sportliche Krise erst richtig begann“, sagte Hoffmann. „Viele haben offensichtlich gedacht: Mit dem Sieg haben wir das größte Saisonziel jetzt erreicht. Künftig muss allen klar sein: Mit einem Sieg gegen den FC St. Pauli haben wir gar nichts erreicht.“