Hamburg. Nach sieben Monaten und verpasstem Aufstieg muss der Trainer wieder gehen. Sportchef Becker kündigt großen Umbruch an.

Am Ende musste Hannes Wolf noch einmal lächeln. Ob er sich vorstellen könne, irgendwann noch einmal ans Telefon zu gehen, wenn der HSV anruft, wurde der 38-Jährige zum Abschluss einer ungewöhnlichen Pressekonferenz gefragt. „Geile Frage“, antwortete Wolf und wurde dabei fast schon ein bisschen sentimental. „Der HSV ist ein fantastischer Verein. Das ist jetzt scheiße gelaufen. Aber wer weiß, was die Zukunft bringt.“

Sportvorstand Ralf Becker saß zwei Plätze neben ihm auf dem Podium des Presseraums im Volksparkstadion und lächelte ebenfalls ein wenig verlegen. Rund 42 Minuten hatte eine der längsten Pressekonferenzen der HSV-Geschichte gedauert. Fast doppelt so lange wie am 23. Oktober 2018, als Wolf und Becker hier das erste Mal gemeinsam saßen und Wolf an seinem ersten Arbeitstag als HSV-Trainer sagte: „Das Feuer ist zu 100 Prozent da. Mit dem Wissen, dass es nicht einfach wird und der gemeinsame Weg, den wir gehen werden, richtig schwer wird.“

Sechs Monate und 24 Tage später saßen Wolf und Becker am Freitagmittag wieder zusammen auf dem Podium und sprachen über das Ende ihres gemeinsamen Weges beim HSV. In dem Wissen, dass der Weg am Ende zu schwer war, um ihn gemeinsam fortzusetzen. „Wir haben gemeinsam die Rückrunde sowie die gegenwärtige Situation und die Planungen für die kommende Runde analysiert“, sagte Becker gleich zu Beginn der Pressekonferenz. „Wir sind als Verein dabei zu dem Entschluss gekommen, dass wir uns von Hannes Wolf zum Saisonende trennen. Es war der berechtigte Wunsch von Hannes, dies vor dem letzten Spiel zu kommunizieren.“

Wolf verabschiedet sich mit Stil

Mit diesen Worten machte Becker offiziell, was alle Beteiligten schon seit Tagen wussten. Zwei Wochen ist es her, dass Wolf, Becker sowie der neue Sportdirektor Michael Mutzel nach dem 0:3 gegen den FC Ingolstadt zusammensaßen und über die Zukunft sprachen. Ergebnis: Sollte Wolf gegen Paderborn verlieren und der HSV nicht mindestens die Relegation erreichen, ist er seinen Job los.

Das Ende der Geschichte ist bekannt. Der HSV verlor in Paderborn, verpasste die Relegation und Wolf ist seinen Job los. Dass sein Chef den Rauswurf via „Bild“ schon am Mittwoch verkündete, um ihn wenig später mit dem Wort „vielleicht“ zu relativieren, nimmt Wolf Becker nicht übel. Im Gegenteil. Wolf verteidigte sogar die „selbstverschuldete Unruhe“, von der Becker am Freitag sprach. „Es war mir wichtig, dass wir es mit Würde und Anstand zu Ende bringen, denn wir haben immer extrem vertrauensvoll zusammengearbeitet.“

Tatsächlich war es ein würdevoller Auftritt des Noch-Trainers. Keine bösen Worte, keine Schuldzuweisungen, stattdessen viel Selbstkritik und Erklärungen, warum es ihm nicht geglückt ist, der Entwicklung im Laufe der Rückrunde mit nur 16 Punkten aus 16 Spielen entgegenzuwirken. „Unsere sportliche Einschätzung im Winter war falsch“, sagte Wolf. „Es sind zu viele Spieler weggebrochen, auf die wir uns verlassen haben.“

Namentlich nannte er Kapitän Aaron Hunt sowie die Stürmer Pierre-Michel Lasogga und Hee-chan Hwang, die immer wieder mit Verletzungen zu tun hatten. Oder auch Gideon Jung, den Wolf nach der Winterpause als festen Baustein der Führungsachse eingeplant hatte, der aber im Jahr 2019 nie funktionierte. Hinzu kamen taktische Fehler bei Aufstellungen und Einwechslungen, die Wolf aber nicht näher beschreiben wollte.

HSV steht vor schwierigem Umbruch

Am Ende geht der Trainer mit einem Punkteschnitt von nur 1,5 Punkten, aber immerhin mit Stil. Am Sonntag wird er ein letztes Mal an der Seitenlinie als HSV-Coach stehen, danach ist Schluss. Wer sein Nachfolger wird, ist noch völlig offen. Einfacher wird es der Neue aber nicht haben. „Es wird einen großen Umbruch geben, auch geben müssen“, sagte Wolf. „Erneut mit der klaren Vorgabe Aufstieg. Ich halte das für problematisch, weil ich es für sinnvoll erachten würde, sich erst einmal zu stabilisieren. Aber so tickt der HSV.“

Sportvorstand Becker versuchte auch gar nicht erst, die Drucksituation, an der die Mannschaft in dieser Saison gescheitert ist, kleinzureden. „Ich kann mich als Sportvorstand des HSV doch nicht hier hinsetzen und sagen, wir wollen Fünfter werden.“

Dabei ist noch völlig unklar, mit welcher Kaderstärke der HSV in die kommende Saison starten wird. „Wir wissen noch nicht, wie die Mannschaft genau aussehen wird, aber es wird einen großen Umbruch geben“, sagte Becker. Nur so viel: Eine klare Achse von Führungsspielern soll die junge Mannschaft, die der HSV auch in der kommenden Saison haben wird, prägen.

Filip Kostic geht sofort, Lukas Hinterseer kommt bald

Einer dieser Spieler wird Bochums Lukas Hinterseer sein. Der 28-Jährige soll zeitnah einen Dreijahresvertrag beim HSV unterschreiben und Nachfolger von Pierre-Michel Lasogga werden, der nach fünf Jahren im Volkspark am Sonntag sein letztes Spiel für den HSV bestreiten wird. Der bei den Fans beliebte Stürmer wird aber ebenso wenig offiziell verabschiedet wie Fiete Arp und Lewis Holtby, die den Club verlassen. Einen vorzeitigen Abschied verkündete der HSV bereits am Freitag. Wie erwartet wechselt der bislang verliehene Filip Kostic fest zu Eintracht Frankfurt.

Und Wolf? Der wird wohl erst einmal eine Pause machen. „Und tschüs“, sagte er noch kurz, als er das Podium verließ. Es war ein Abgang mit Würde.