Hamburg. Der HSV bleibt zweitklassig. Uli Stein sieht einen Ausweg aus der Dauerkrise. Magath moniert dagegen den internen Umgang mit Kritik.

Vorstandsboss Bernd Hoffmann und Präsident Marcell Jansen sagten unter dem Einfluss ihrer Emotionen lieber nichts in der Öffentlichkeit. Unmittelbar nach dem Schlusspfiff in Paderborn (1:4) verließen die HSV-Bosse fluchtartig die Arena. Reden wollten dafür andere. Die Club-Ikonen Uwe Seeler, Felix Magath und Uli Stein trauern um den verpassten Aufstieg, benennen Fehler, die gemacht wurden, und wagen einen Ausblick in eine bessere Zukunft. Auch Willi Schulz äußert sich.

"Ich habe natürlich bis zuletzt gehofft, aber nach den letzten Spielen war die Hoffnung nicht mehr so groß. Jetzt bin ich natürlich sehr enttäuscht. Weiter Zweite Liga ist für Hamburg nicht schön und für mich natürlich auch nicht", sagte Seeler am Montag. "Ich selbst kann ja leider nicht mehr helfen", fügte der 82 Jahre alte ehemalige HSV-Profi und -Präsident mit Galgenhumor hinzu.

Seeler kritisiert Kaderzusammenstellung

Seeler hat die Kaderzusammenstellung als Grund für den verpassten Aufstieg ausgemacht. "Wir waren weder vorne noch hinten sattelfest", kritisierte er. Die Hauptschuldigen für den sportlichen Absturz nach zuletzt acht Spielen ohne Sieg wollte "Uns Uwe" jedoch nicht namentlich benennen. "Die Verantwortlichen wissen sicher Bescheid, warum es nicht gereicht hat."

Uwe Seeler im Jahr 2010 an der Seite von Felix Magath.
Uwe Seeler im Jahr 2010 an der Seite von Felix Magath. © imago/Sven Simon

Club-Idol Seeler hofft nun, dass Vorstandschef Bernd Hoffmann und Sportvorstand Ralf Becker die richtigen Konsequenzen ziehen, damit es in der kommenden Saison wieder aufwärts geht. "Es gibt einiges zu tun, um die Mannschaft in die Spur zu bekommen. Aber ich fürchte, dass es nächstes Jahr nicht einfacher, sondern schwerer wird, um den Bundesliga-Aufstieg zu schaffen."

Magath "blutet das Herz"

Mit seinem Leid ist Seeler nicht allein. "Was für ein Desaster. Mir blutet das Herz", begann Magath seinen emotionalen Facebook-Beitrag am späten Sonntagabend. "Noch heute Mittag konnte ich mir nicht vorstellen, dass der HSV diese entscheidende Partie am vorletzten Spieltag gegen Paderborn (Aufsteiger aus der 3. Liga!) nicht gewinnt. Jetzt bin ich sprachlos."

Der frühere HSV-Trainer, der als Spieler den Club 1983 mit seinem Tor im Finale gegen Juventus Turin (1:0) zum Europapokalsieg der Landesmeister schoss, sieht die Schuldigen für den Absturz von Rang eins auf Platz vier binnen weniger Wochen auf der Führungsetage. "Vor Wochen wollte niemand beim HSV kritische Töne hören. Es sind beim HSV viele falsche Entscheidungen getroffen worden", schrieb Magath, ohne dabei ins Detail zu gehen. Seine Abschlussfrage: "Wer übernimmt jetzt die Verantwortung?

Stein stützt Sportvorstand Becker

Auch Uli Stein leidet mit den Hamburgern. "In vieler Hinsicht bleibt mir unerklärlich, was mit meinem Ex-Club in der Zweiten Liga passiert ist. Wahrscheinlich hat sich die permanente Drucksituation, in der sich die Mannschaft im Vergleich zur Konkurrenz aus Berlin und Paderborn befand, negativ ausgewirkt", schrieb Stein in seiner "Kicker"-Kolumne. "Nebengeräusche um nicht mehr verlängerte Verträge und einige unglückliche Spiele führten in der Summe schließlich zu dieser Verunsicherung, der selbst hartgesottene Profis nicht mehr Herr wurden."

Uli Stein fordert das Aus von Trainer Hannes Wolf. Damit trifft er die Meinung vieler Fans.
Uli Stein fordert das Aus von Trainer Hannes Wolf. Damit trifft er die Meinung vieler Fans. © imago/Jan Huebner | Jan Huebner

Bei einem erneuten Anlauf müsse der HSV nun "mit viel Feingefühl eine Mannschaft nach Qualität und Perspektive und nicht nach Namen zusammenstellen", forderte Stein. Sportvorstand Ralf Becker, der mit den Altlasten seiner Vorgänger zu kämpfen habe, "traue ich das zu", sagte der frühere Nationalspieler. "Den Beweis, ein erfolgreicher Trainer im Profigeschäft zu sein, hat Hannes Wolf nachhaltig dagegen noch nicht erbracht", schrieb der 64-Jährige. "Diese Position gilt es für mich zu hinterfragen."

Was Stein noch nicht zu wissen scheint: Die Position des Trainers wird auch hinterfragt. Nach Abendblatt-Informationen hat Hannes Wolf über die Saison hinaus keine Zukunft mehr beim HSV.

Stein: HSV nach Abstieg noch schlechter

Trotz seiner Trauer ist der Nichtaufstieg der Hanseaten für Stein mehr als verdient. „Eigentlich hat es der Verein nicht mehr anders verdient, wenn man so oft dem Abstieg von der Schippe springen konnte, ihn nur mit viel Glück vermeiden konnte und immer noch nichts daraus macht“, sagte er noch am Sonntagabend bei „Sky90“.

Stein ergänzte: "Stattdessen hat es der HSV sogar noch schlechter gemacht. Ein Abstieg kann ja heilsam sein, man denkt, irgendwann wachen sie mal auf. Aber sie präsentieren sich noch schlechter als in der Bundesliga.“

Der HSV verliert den Showdown gegen Paderborn

Tränen eines Nicht-Aufsteigers: Fiete Arp und die Mannschaft vor der Gästekurve in Paderborn.
Tränen eines Nicht-Aufsteigers: Fiete Arp und die Mannschaft vor der Gästekurve in Paderborn. © Witters
Durch ein 1:4 haben Aaron Hunt und der HSV die letzte realistische Chance auf den direkten Wiederaufstieg verspielt.
Durch ein 1:4 haben Aaron Hunt und der HSV die letzte realistische Chance auf den direkten Wiederaufstieg verspielt. © Getty Images
Nach dem Spiel zogen die Spieler vor den rund 2000 Fans zu Kreuze.
Nach dem Spiel zogen die Spieler vor den rund 2000 Fans zu Kreuze. © Witters
Für Rick van Drongelen (l.) ein
Für Rick van Drongelen (l.) ein "ganz schwerer" Gang: "Einerseits wollen die Fans, dass wir gar nicht zu ihnen kommen, andererseits wollen sie auch, dass wir Größe zeigen und auch nach Rückschlägen zu ihnen kommen", sagte der Niederländer: "Es tut mir leid für die Fans." © Witters
Leid tat den HSV-Profis vor allem auch Tom Mickel (Nr. 12), der kurzfristig für Stammtorhüter Julian Pollersbeck einspringen musste.
Leid tat den HSV-Profis vor allem auch Tom Mickel (Nr. 12), der kurzfristig für Stammtorhüter Julian Pollersbeck einspringen musste. © Witters
Auch die beiden Trainer Hannes Wolf und Steffen Baumgart (Paderborn) spendeten Michel Trost.
Auch die beiden Trainer Hannes Wolf und Steffen Baumgart (Paderborn) spendeten Michel Trost. © Witters
Wolf nahm auch Youngster Manuel Wintzheimer in den Arm.
Wolf nahm auch Youngster Manuel Wintzheimer in den Arm. © Witters
Hier kauern Wintzheimer und sein Paderborner Gegenspieler Mohamed Dräger auf dem Boden – aus unterschiedlichen Gründen.
Hier kauern Wintzheimer und sein Paderborner Gegenspieler Mohamed Dräger auf dem Boden – aus unterschiedlichen Gründen. © Witters
Und während die HSV-Profis geschlagen von dannen zogen...
Und während die HSV-Profis geschlagen von dannen zogen... © Witters
...bedankten sich die Ostwestfalen für eine
...bedankten sich die Ostwestfalen für eine "geile Saison". © Witters
Auch Hamburgs Sportchef Ralf Becker (r.) war bedient.
Auch Hamburgs Sportchef Ralf Becker (r.) war bedient. © Imago/DeFodi
Er muss nun erneut einen schlagkräftigen Zweitliga-Kader zusammenstellen.
Er muss nun erneut einen schlagkräftigen Zweitliga-Kader zusammenstellen. © Witters
Ob Léo Lacroix und Vasilije Janjicic dazugehören werden, wird sich weisen.
Ob Léo Lacroix und Vasilije Janjicic dazugehören werden, wird sich weisen. © Witters
Können Gefühle unterschiedlicher zum Ausdruck gebracht werden? Während Paderborns Sven Michel den Ball nach dem erfolgreichen Torschuss seines Teamkollegen Sebeastian Vasiliadis (hinten) aus dem Hamburger Netz fischt, ahnt HSV-Torhüter Tom Mickel, was die Stunde geschlagen hat.
Können Gefühle unterschiedlicher zum Ausdruck gebracht werden? Während Paderborns Sven Michel den Ball nach dem erfolgreichen Torschuss seines Teamkollegen Sebeastian Vasiliadis (hinten) aus dem Hamburger Netz fischt, ahnt HSV-Torhüter Tom Mickel, was die Stunde geschlagen hat. © dpa
Das 2:0 fiel 20 Sekunden nach Wiederanpfiff.
Das 2:0 fiel 20 Sekunden nach Wiederanpfiff. © Witters
Auch Backe: Nur 20 Sekunden nach Wiederanpfiff mussten Kapitän Gotoku Sakai & Co. das 0:2 hinnehmen.
Auch Backe: Nur 20 Sekunden nach Wiederanpfiff mussten Kapitän Gotoku Sakai & Co. das 0:2 hinnehmen. © Witters
Augen zu und durch? Pierre-Michel Lasogga im vorgezogenen Aufstiegs-Endspiel des HSV beim SC Paderborn.
Augen zu und durch? Pierre-Michel Lasogga im vorgezogenen Aufstiegs-Endspiel des HSV beim SC Paderborn. © Reuters
Bedröppelte Gesichter in der 25. Minute: Soeben hat Sebastian Vasiliadis Paderborn in Führung gebracht.
Bedröppelte Gesichter in der 25. Minute: Soeben hat Sebastian Vasiliadis Paderborn in Führung gebracht. © Witters
HSV-Torhüter Tom Mickel, der für den erkrankten Julian Pollersbeck zwischen die Pfosten gerückt war, konnte den vorangegangenen Schuss nur abklatschen.
HSV-Torhüter Tom Mickel, der für den erkrankten Julian Pollersbeck zwischen die Pfosten gerückt war, konnte den vorangegangenen Schuss nur abklatschen. © Witters
Vor dem Rückstand hatte eigentlich der HSV die besseren Chance – eine davon durch einen Kopfball von Léo Lacroix.
Vor dem Rückstand hatte eigentlich der HSV die besseren Chance – eine davon durch einen Kopfball von Léo Lacroix. © Witters
Auch kämpferisch schien der HSV auf der Höhe zu sein.
Auch kämpferisch schien der HSV auf der Höhe zu sein. © Witters
Was sich auch in dieser Rudelbildung offenbarte.
Was sich auch in dieser Rudelbildung offenbarte. © Witters
Rick van Drongelen im Zweikampf mit Vasiliadis.
Rick van Drongelen im Zweikampf mit Vasiliadis. © Getty Images
Khaled Narey gegen Jamilu Collins
Khaled Narey gegen Jamilu Collins © Getty Images
Gemeinsam zurück in die Aufstiegsspur: Zum Warmmachen trugen die HSV-Profis in Paderborn besondere Motivations-Shirts.
Gemeinsam zurück in die Aufstiegsspur: Zum Warmmachen trugen die HSV-Profis in Paderborn besondere Motivations-Shirts. © Witters
Auch die rund 2000 mitgereisten Fans waren größtenteils in weiß gekleidet.
Auch die rund 2000 mitgereisten Fans waren größtenteils in weiß gekleidet. © Witters
Vorstandschef Bernd Hoffmann sowieso.
Vorstandschef Bernd Hoffmann sowieso. © Getty Images
HSV-Trainer Hannes Wolf stellte seine Mannschaft auf vier Positionen um.
HSV-Trainer Hannes Wolf stellte seine Mannschaft auf vier Positionen um. © Imago/Nordphoto
Sportchef Ralf Becker sinnierte derweil vor dem Anpfiff auf der Auswechselbank.
Sportchef Ralf Becker sinnierte derweil vor dem Anpfiff auf der Auswechselbank. © Witters
HSV-Clubmanager Bernd Wehmeyer fieberte auf der Tribüne mit.
HSV-Clubmanager Bernd Wehmeyer fieberte auf der Tribüne mit. © Getty Images
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Willi Schulz "sprachlos" über HSV-Absturz

Auch weitere Ex-Profis reagierten schockiert. Willi Schulz, der 233-mal für den HSV auflief, kann sich das Scheitern seines früheren Vereins nicht erklären. "Da ist man eigentlich sprachlos", sagte der 80-Jährige am Montag. Wer am Absturz des Herbstmeisters in der miserablen Rückrunde mit abstiegsverdächtigen 16 Punkten aus 16 Partien die Hauptschuld trage, sei auch für ihn "schwer zu beurteilen. Dafür bin ich zu weit weg von der Mannschaft."

Einen erneuten Umbruch im Team, das seit acht Punktspielen sieglos ist und zuletzt wiederholt in seine Einzelteile zusammenbrach, hält er aber für unvermeidlich, meinte der frühere Abwehrchef. Nur dann könne der HSV in der kommenden Saison von Neuem angreifen. "Wir können nur hoffen, dass wir uns fangen und wieder dahin kommen, wo wir hingehören – in die Bundesliga", betonte Schulz.