Köln/Hamburg. Manuel Wintzheimer ist das Gesicht des HSV-Comebacks von Köln. Das erste Profi-Tor könnte sein Fußballerleben auf den Kopf stellen.

Thomas Wagner sollte es wissen. Wenige Stunden vor Anpfiff des Spitzenspiels beim 1. FC Köln stellte der Moderator der Fernsehsendung "100 Prozent Bundesliga – Fußball bei Nitro" und nach eigenen Angaben "wahnsinnig glühende HSV-Fan" noch einmal die personellen Sorgen der Hamburger heraus.

"Es ist eine Katastrophe, was beim HSV in der Offensive fehlt", urteilte Wagner angesichts der Ausfälle von Pierre-Michel Lasogga, Aaron Hunt, Hee-chan Hwang und Lewis Holtby. Auch Wagners Nitro-Kompagnon Steffen Freund sah die Gäste ohne die vier potenziellen "Unterschiedsspieler" entscheidend geschwächt: "So viele Spieler hat der HSV dann doch nicht im Kader, um das aufzufangen."

"Retter" Wintzheimer straft TV-Experten Lügen

Als Wagner und Freund am späten Abend dann das Spiel für ihren TV-Sender analysierten, war auch das Duo um eine Erkenntnis reicher – es gibt im hohen Norden ja doch noch jemanden, der in Abwesenheit des etatmäßigen Angriffs ins gegnerische Tor treffen kann. Sein Name: Manuel Wintzheimer. Seine Referenz bis zum gestrigen Auftritt: Ein Kurzeinsatz in der zweiten Liga, null Torschüsse.

Die HSV-Profis in der Einzelkritik

Es ist den Experten demnach nicht zu verdenken, dass sie den urplötzlich als "Retter aus der 4. Liga" ("Bild"-Zeitung) gefeierten HSV-Stürmer nicht unbedingt auf der Rechnung hatten. Doch wenige Spielminuten und ein entscheidender von insgesamt nur fünf Ballkontakten können manchmal eben ein Fußballerleben auf den Kopf stellen.

Wintzheimer: "Ein sehr geiles Gefühl"

Rein das Ding: Wintzheimer ließ Kölns Torhüter Horn keine Chance.
Rein das Ding: Wintzheimer ließ Kölns Torhüter Horn keine Chance. © Imago/Revierfoto

So wie Wintzheimers Geistesblitz in der 85. Minute im Kölner Rhein-Energie-Stadion. Vier Minuten nach seiner zweiten Einwechslung als Profi überhaupt (nach 22 Minuten bei der 1:3-Niederlage in Kiel) reagierte der 20-Jährige im Gewühl am schnellsten und jagte den Abpraller von Kölns Lasse Sobiech mit seinem bevorzugten linken Fuß kompromisslos an FC-Torhüter Timo Horn vorbei ins Netz.

Alle auf
Alle auf "Wintzi": Nach seinem Joker-Tor war Manuel Wintzheimer Mittelpunkt des Hamburger Jubelknäuels. © Imago/Horstmüller

"Es ging so schnell, da habe ich nichts gedacht", sagte der von sich selbst überwältigte Torschütze, als er seinen großen Moment noch einmal nachempfand: "Der Ball liegt vor meinen Füßen, das Tor ist nicht weit weg – draufhalten. Und dann war ich froh, dass der Ball im Tor war. Das war ein sehr geiles Gefühl. Die pure Freude, dass ich der Mannschaft damit helfen konnte. Das hat Spaß gemacht.“

Fiete Arp freut sich mit seinem Konkurrenten

Lewis Holtby bejubelte Wintzheimer auf bayrisch.
Lewis Holtby bejubelte Wintzheimer auf bayrisch. © Screenshot: Instagram lewis.holtby.8

Den Spaß teilten auch Wintzheimers Kollegen. "Bravo Winzie, erstes Tor für den HSV", schrieb Rick van Drongelen bei Instagram, wo auch Holtby einen Fotogruß an die Hauptfigur ("The Main man") und das Team loswurde. "Geil buam", schrieb der Gelb gesperrte Ersatzkapitän an die Adresse des Unterfranken.

Fiete Arp freute sich vor dem Fernseher mit Wintzheimer und seinen Kollegen.
Fiete Arp freute sich vor dem Fernseher mit Wintzheimer und seinen Kollegen. © Screenshot: Instagram f.arp10

Ohne Worte, dafür mit einem Screenshot des jubelnden Wintzheimers und einem blauen Herzchen reagierte Fiete Arp auf den Treffer seines eigentlichen Konkurrenten. Vor dem Spiel hatte Wintzheimer Arp immerhin den Kaderplatz weggeschnappt. "Das ist eine Entscheidung, die ich hinnehmen muss", hatte Arp über seine Nicht-Berücksichtigung gesagt.

Wintzheimer-Treffer sogar gut für Arp?

"Wenn Wintzi sich im Training anbietet, dann nimmt der Trainer den Wintzi mit. Dann sehe ich eben am Fernseher, wie wir den Tabellenführer schlagen", hatte Arp vor dem Spiel angekündigt, der mit dieser Prognose letztlich nicht ganz recht behalten sollte. Dass sich der Fokus nun eher auf Wintzheimer verschieben könnte, dürfte Arp vermutlich sogar in die Karten spielen.

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Schließlich lief Wintzheimer im Schatten des als Toptalent kategorisierten 19-Jährigen bislang eher unter dem Radar. Sollte Wintzheimer seine Treffsicherheit in der zweiten Bundesliga bestätigen, könnten sich die Vorzeichen in der öffentlichen Wahrnehmung der beiden Talente schnell umkehren – und sich der Bald-Bayer Arp möglicherweise mit etwas weniger Druck weiterentwickeln.

Wegbegleiter lobt "Teamgeist und Auftreten"

Ganz aus dem Nichts aufgetaucht ist Wintzheimer allerdings auch wiederum nicht. Erstmals ins größere Rampenlicht rückte der gebürtige Arnsteiner im vergangenen September, als der DFB den mit 1,80 Meter nicht unbedingt großen Stürmer im Jahrgang U19 hinter den Erstliga-Talenten Kai Havertz (Bayer Leverkusen) und Arne Maier (Hertha BSC) mit der Fritz-Walter-Medaille in Bronze dekorierte.

2018 erhielt Manuel Wintzheimer (l.) in Heidelberg die Fritz-Walter-Medaille in Bronze.
2018 erhielt Manuel Wintzheimer (l.) in Heidelberg die Fritz-Walter-Medaille in Bronze. © Imago/Hartenfelser

"Manuel hatte schon damals außerordentliche Qualitäten, großen sportlichen Ehrgeiz und zeichnete sich auch abseits des Platzes durch seinen Teamgeist und sein Auftreten aus", sagte seinerzeit Mirsad Spahija, der als Vorstandsmitglied bei Wintzheimers Jugendverein Schweinfurt 05 den Werdegang des Angreifers noch immer im Blick behält.

Erster Profi-Treffer "immer etwas Besonderes"

Die DFB-Auszeichnung war vor allem die Würdigung von 42 Treffern in 55 Spielen für die A-Jugend sowie vier Toren in fünf Einsätzen für die Regionalligamannschaft des FC Bayern München. Dazu kamen fünf Treffer in acht Länderspielen mit der deutschen U19. Seit seinem Debüt für die U20 wartet Wintzheimer nach sieben Spielen allerdings noch auf sein erstes Erfolgserlebnis.

Das holte er sich dafür am Montagabend gleich auf der ganz großen Bühne – mit seinem wichtigen Ausgleichstreffer vor 50.000 Zuschauern. "Der erste Treffer bei den Profis ist immer etwas Besonderes", sagte der Torschütze, der zuvor lediglich für die U21 des HSV in der Regionalliga Nord jubeln durfte (16 Spiele/fünf Tore).

Wolf und Becker loben Wintzheimer

Guter Zuhörer: Wolf gab Wintzheimer vor der Einwechslung gegen Köln noch letzte Tipps auf den Weg.
Guter Zuhörer: Wolf gab Wintzheimer vor der Einwechslung gegen Köln noch letzte Tipps auf den Weg. © Imago/Horstmüller

"Es war eine schwierige Phase für Manuel", sagte Hannes Wolf nach dem 1:1 in Köln. "Fußball ist manchmal schwer, wenn man wenig spielt oder verletzt ist. Er hat in den letzten Wochen sehr gut trainiert und heute das Tor geschossen", so der HSV-Trainer, der sich deshalb umso mehr für den jungen Debütanten freute.

Auch Ralf Becker war mit seinen Gedanken sofort bei dem Jungspund. "So etwas brauchten wir heute", sagte der HSV-Sportchef. "Wir brauchen die Jungs hinten dran. Manu hat lange auf seine Chance gewartet. So ist Fußball. Er kommt rein, macht das Tor, super. Er hat sich das absolut verdient."

Wintzheimer denkt auch an Lasogga

Die Kader-Berufung gegen Köln war Wintzheimers erste seit dem Spiel in Heidenheim (2:2) im Februar. Nun will der Stürmer selbst dafür sorgen, dass er auch bei Lasoggas Rückkehr eine Option bleibt. Dennoch dachte Wintzheimer auch im Moment seines bislang größten Erfolges an den Toptorjäger und stellte damit seine Teamfähigkeit unter Beweis. "Schade, dass Pierre nicht spielen konnte. Er fehlt uns auf jeden Fall", sagte Wintzheimer.

Wolfs jüngste Kritik am eigenen Nachwuchs hat der ehemalige Bayern-Spieler jedenfalls verinnerlicht. "Als junger Spieler muss man immer Gas geben. Immer dranbleiben. Im Training Vollgas geben. Immer über 100 Prozent geben", sagte Wintzheimer nach dem Remis von Köln, durch das sich Wintzheimer auch selbst die Chance auf Erstligaspiele mit dem HSV (Vertrag bis 2022) bewahrte. Dann dürfte es auch nicht Wintzheimers letzter Auftritt im Nitro-Format "100 Prozent Bundesliga" gewesen sein.