Hamburg. Horst Schnoor begründete mit der 1960er-Meistermannschaft den Ruhm des HSV – ein Gespräch zum 85. Geburtstag.
Horst Schnoor redet nicht lange drum herum. „Wir waren entsetzt vom Spiel gegen Magdeburg.“ Wir, das sind seine Kumpel aus der Meistermannschaft von 1960, mit denen er sich regelmäßig zu den Heimspielen des HSV auf der Osttribüne trifft. „Hätten wir die beiden vergangenen Heimspiele gewonnen, lägen wir neun Punkte vorm Tabellendritten und könnten fast für die Bundesliga planen.“ Und selbst wenn es klappen würde: „Mit dieser Truppe ginge es in der kommenden Saison postwendend wieder nach unten. Aber das wissen Ralf Becker und Hannes Wolf sicher.“
Natürlich hofft Schnoor, der am heutigen Donnerstag seinen 85. Geburtstag im engsten Familienkreis feiert, weiter auf einen positiven Ausgang der Saison. Aber er fordert, dass dafür auch von der Einstellung her mehr kommen müsse. Und: „Ein erfahrener Spieler wie Aaron Hunt, der die Jüngeren führt und auch einmal den tödlichen Pass spielen kann, fehlt an allen Ecken und Enden.“
Immer noch voller Energie
Wer den früheren Ausnahme-Torwart im Norderstedter Steakrestaurant so temperamentvoll über seinen HSV reden hört, merkt sofort, dass er noch immer voller Energie steckt. Von seiner Herzoperation im September im Albertinen-Krankenhaus (neue Herzklappe und Bypässe inklusive) hat sich Schnoor bestens erholt. „Ich habe den Doc gefragt, ob es sich noch lohnt, dass ich mir eine Langspielplatte kaufe. Da hat er geantwortet, dass ich noch auf der Tribüne sitze, wenn der HSV wieder in der Champions League spielt ...“ Den Kontakt zum dortigen Kardiologen Karsten Sydow hatte Uwe Seeler arrangiert. „So ist das eben bei uns. Wenn einer ein Problem hat, helfen wir uns untereinander.“
Sechs Akteure der legendären Meistermannschaft des HSV von 1960 leben noch: neben Schnoor und Seeler auch Jochen Meinke, Klaus Neisner, Erwin Piechowiak sowie „Charly“ Dörfel. Längst sind aus den einstigen Mitspielern enge Freunde geworden.
Brief von Helmut Schmidt
1952 bestritt der „fliegende Hamburger“, wie ihn einst der „Kicker“ titulierte, sein erstes Oberligaspiel für den HSV. 15 Jahre blieb er fortan die Nummer eins im Tor, davon 13 Jahre ohne Verletzung – eine Serie, die wohl nie wieder erreicht wird. Schnoors größter Schatz sind 15 Alben aus dieser Zeit mit allen Erinnerungen: neben Zeitungsartikeln und Fotos auch ein Brief von Helmut Schmidt, als er einmal im Krankenhaus lag.
625-mal sei er für den HSV aufgelaufen, so lautet seine Statistik – davon sind 293 Oberliga- und 106 Bundesligaspiele. Sogar zwei Tore gelangen ihm in dieser langen Zeit. „Ach, das waren zwei Elfmeter in Daddeldu-Spielen. Wir führten hoch, da haben die Jungs gesagt: Jetzt kannst du auch mal schießen.“ Obwohl, Fußball spielen konnte Schnoor durchaus. Und wenn er das moderne Torwartspiel von heute beobachtet, kribbelt es: „Darauf hätte ich richtig Lust.“
Elegantes Torwartspiel
Elegant sah sein Torwartspiel aus – und athletisch. Er könne von einem Pfosten zum anderen fliegen, meinten damals Beobachter voller Hochachtung. Zu seinen persönlichen Highlights gehörten neben der Meisterschaft 1960 und dem Gewinn des DFB-Pokals 1963 auch die Spiele gegen den FC Barcelona um Europapokal der Landesmeister (heutige Champions League) gegen den FC Barcelona und im Europacup der Pokalsieger.
Sein Können blieb den Katalanen nicht verborgen. „Sie unterbreiteten mir ein Angebot. Es ging um 100.000 D-Mark.“ Für Schnoor kam ein Wechsel jedoch nicht infrage: „Ich war viel zu sehr verbunden mit der Truppe, wir waren eine tolle Truppe.“ Auch bis in den Kader der deutschen Nationalmannschaft schaffte er es unter Sepp Herberger. Doch diese Geschichte hatte leider kein Happy End. Weil sich Schnoor nicht wertgeschätzt fühlte (so nannte ihn der Bundestrainer konsequent Hans), erklärte er schließlich seinen Rücktritt.
Mit sich und seinem Leben zufrieden
Nach dem offiziellen Karriereende 1969 (nach 1967 folgte ein „Ehrenvertrag“) ging für den gelernten Kraftfahrzeugkaufmann die Arbeit erst richtig los. Er übernahm im Herold-Center in Norderstedt eine Reinigung. „Auch Ernst Happel gehörte zu meinen Kunden.“ Das Geschäft ist längst verkauft. Mit seiner Frau Gerda, mit der Schnoor seit 60 Jahren verheiratet ist, hat er sich gerade „verkleinert“: Das Haus in Norderstedt ist verkauft, die neue Wohnung („mit Service“) bezogen.
Schnoor ist mit sich und seinem Leben zufrieden: „Uns geht’s in jeder Beziehung gut. Manchmal denkt man: 20 Jahre könnte es gerne noch so weitergehen. Dass irgendwann Schluss ist, weiß jeder. Aber daran verschwende ich keine Gedanken.“