HSV-Anleihe ausverkauft. Becker übt Kritik an der Einstellung. Auch Holtby zweifelt am Charakter. Wie geht es jetzt weiter?
Die HSV-News am Dienstag, den 9. April 2019:
- HSV-Anleihe ausgebucht
- HSV verkündet Kinsombi-Transfer
- Becker übt deutliche Kritik an den Spielern
- Wolf will Spieler provozieren
- Erdmann provoziert HSV-Fans mit pikantem Jubel
- Holtby und Siegtorschütze zweifeln an HSV-Charakter
- Wo blieb die von Wolf geforderte Mentalität?
- Oenning gelingt späte Revanche
- Pokalspiel gegen Leipzig angesetzt
HSV-Anleihe ausverkauft
Immerhin die neue HSV-Anleihe hat vorzeitig das Klassenziel erreicht. Das gesamte Emissionsvolumen in Höhe von 17,5 Millionen Euro wurde gezeichnet und zugeteilt, teilte der HSV am Dienstagabend mit. Die Nachfrage nach Schmuckurkunden und globalverbrieften Depotanleihen sei zuletzt so groß gewesen, dass der HSV mehrere Kaufanträge zurückweisen musste.
Eigentlich sollte die Zeichnungsfrist erst am 19. April enden. Die Anleihe läuft über sieben Jahre und wird mit sechs Prozent verzinst. Die Einnahmen braucht der HSV vornehmlich, um die alte Jubiläumsanleihe von 2012 abzulösen.
Kinsombi kostet den HSV drei Millionen
Wie sorgt man für positive Schlagzeilen am Tag nach einer desaströsen Heimniederlage? Diese Frage dürfte am Montag auf der Geschäftsstelle des HSV gefallen sein. Und es wurde sogar eine Antwort gefunden: Die Hamburger haben am Nachmittag den sich anbahnenden Transfer von Kiels David Kinsombi (23) offiziell verkündet. Der defensive Mittelfeldspieler erhält einen ab dem Sommer gültigen Vierjahresvertrag bis 2023, der für beide Ligen gilt.
Für den Kapitän der Störche wird eine Ablöse von rund drei Millionen Euro fällig. Außerdem hat sich Holstein Kiel eine Beteiligung an einem späteren Weiterverkauf gesichert. „Wir sind extrem froh, dass wir einen Topspieler der Zweiten Liga verpflichten konnten. Trotz seines jungen Alters gehört David in Kiel zu den absoluten Leistungsträgern“, sagte HSV-Sportvorstand Rald Becker. „Wir arbeiten seit einem halben Jahr an diesem Transfer.“
Was Kinsombi über seinen Wechsel sagt
Kinsombi soll beim HSV Leihspieler Orel Mangala ersetzen, der nach der Saison zurück nach Stuttgart muss. Momentan befindet sich der künftige Hamburger noch in der Reha nach einem im Januar erlittenen Schienbeinbruch. Ob Kinsombi, der bei der 1:3-Pleite des HSV im Dezember in Kiel zwei Tore erzielte, in dieser Spielzeit noch einmal zum Einsatz kommt, ist noch unklar.
„Es war für mich an der Zeit, den nächsten Schritt zu gehen“, sagt Kinsombi. Der HSV ist ein großer Club mit einer beeindruckenden Fanbase. Ich hatte viele gute Gespräche mit den Verantwortlichen und bin vom Konzept und dem Weg, den der Club gehen will, voll überzeugt.“
Zuvor hatten die Hanseaten bereits Bochums Jan Gyamerah sowie Jeremy Dudziak vom FC St. Pauli jeweils ablösefrei verpflichtet.
Kiel freut sich über Kinsombi-Ablöse
Holstein Kiel macht keinen Hehl darauf, Kinsombi aus wirtschaftlichen Gründen an den Nordrivalen abzugeben. „Dass er uns nun verlässt, ist sportlich gesehen ganz sicher ein Einschnitt. Und dennoch haben wir neben sportlichen Aspekten auch die wirtschaftliche Dimension im Auge zu behalten", gab Kiels Geschäftsführer Fabian Wohlgemuth zu. "So gesehen konnten wir eine ausgewogene Lösung finden." Für die Schleswig-Holsteiner stellen die rund drei Millionen Euro für den Kinsombi-Wechsel eine Rekordeinnahme dar.
Becker kritisiert Einstellung der HSV-Profis
Ralf Becker redete gar nicht erst lange um den heißen Brei, als er am Montag zu den Medienvertretern sprach. „Wir hatten gehofft, dass wir ein anderes Gesicht zeigen“, sagte der Sportvorstand des HSV über die folgenschwere 1:2-Heimpleite am Vortag gegen Magdeburg. Die Chance, den Vorsprung auf Verfolger Union Berlin auf sechs Punkte auszubauen, ließen die Hanseaten zum wiederholten Male sträflich ungenutzt. „Immer wenn wir die Möglichkeit haben uns abzusetzen, bringen wir keine gute Leistung und holen die Punkte nicht“, klagte Becker.
So war es in Regensburg (1:2), als auch in den zurückliegenden Ligaspielen gegen Darmstadt (2:3), in Bochum (0:0) und nun gegen Aufsteiger Magdeburg. Für die Einstellung seiner Mannschaft hatte Becker folgerichtig deutliche Kritik parat. „Wir hatten nicht das Gefühl, eine Mannschaft auf dem Platz zu haben, die das Spiel gewinnen wollte“, sagte der Manager. Welche Einsatzbereitschaft für einen Erfolg in der Zweiten Liga erforderlich ist, lebten dagegen die Gäste vor. „Magdeburg präsentierte sich selbstbewusster, mit mehr Engagement – das darf uns nicht passieren.“
Auch Kapitän Lewis Holtby gab zu: "Der Gegner wollte unbedingt, das hat man gespürt." Bleibt die Frage, warum der HSV nicht wollte? "Wir müssen den Arsch hochkriegen und arbeiten", fordert der in Köln gesperrte Mittelfeldspieler.
Holtbys Chef Becker gab außerdem zu, dass die Rückrunde, in der der HSV auf Platz zehn geführt wird, bisher eine Enttäuschung darstellt. „Es waren zuletzt zu viele Rückschläge“, monierte der Sportchef, der beim Training am Montag vorbeischaute und das Gespräch mit Trainer Wolf suchte. „Heute sind wir total am Boden und müssen auch zu Recht Kritik einstecken. Aber jetzt gilt es, uns wieder besser zu präsentieren.“ Die nächste Chance dafür hat der HSV in sechs Tagen beim schweren Auswärtsspiel bei Tabellenführer Köln (Montag, 20.30 Uhr).
Wie geht es weiter? Wolf will Profis provozieren
„In der Rückrunde sind wir nicht gut genug", weiß Hannes Wolf, der die mangelhafte Punkteausbeute auch mit dem Fehlen von Kapitän Aaron Hunt begründet. Ohne den Spielmacher hat der HSV kaum Ideen, um die meistens defensiv ausgerichteten Gegner zu bespielen. Doch auch in Köln wird der momentan wegen einer Muskelverletzung pausierende Routinier fehlen – genauso wie Flügelflitzer Hee-chan Hwang.
Wie kann der HSV also wieder seine Souveränität und Leichtigkeit der Vorrunde erlangen? „Wir müssen unsere Spieler in Topform bekommen und versuchen, ihnen taktisch zu helfen", gibt HSV-Coach Wolf die Richtung vor. Dabei will er zu einer ungewöhnlichen Maßnahme greifen. Der Fußballlehrer will seine Spieler auch mal provozieren, um neue Reize zu setzen. „Eine Grundruhe ist wichtig, aber natürlich gehört im richtigen Moment auch mal eine gewisse Schärfe, eine Provokation dazu.“
Ob dieser psychologische Trick alleine reichen wird, um die Mannschaft an ihre Leistungsgrenze zu bringen? Wolf versucht, sich die Ausgangslage nicht schlechter machen zu lassen, als sie ist. Schließlich habe der HSV den Aufstieg weiterhin in der eigenen Hand. "Es ist aber auch eindeutig, dass wir uns steigern müssen“, weiß der Trainer. "Ich bin der Letzte, der hier den Optimismus verliert."
Magdeburger provoziert HSV-Fans mit pikantem Jubel
Dennis Erdmann ist kein Kind von Traurigkeit. Schon während des 2:1-Coups des 1. FC Magdeburg im Volkspark bekam HSV-Torjäger Pierre-Michel Lasogga eine Kostprobe von der beinharten Spielweise des Innenverteidigers. Beide Profis rieben sich aneinander auf. Um seinen Auftrag, Lasogga vom Strafraum fernzuhalten, zu erfüllen, agierte Erdmann immer wieder am Rande der Legalität.
Offenbar war der 28 Jahre alte Verteidiger mit dem tätowierten Kussmund am Hals nach den vielen harten Duellen mit Lasogga noch nicht ausgelastet. Denn unmittelbar nach dem Abpfiff provozierte er die HSV-Fans mit einer pikanten Jubelgeste. Erst geriet er kurzzeitig mit Lewis Holtby aneinander, dann stürmte Erdmann in Richtung der 7000 mitgereisten Magdeburger Fans, die ausgelassen, aber friedlich feierten.
Erdmann trat die Eckfahne vor dem Gästeblock um und riss mit etwas Mühe die Fahne mit dem HSV-Logo von der Stange. Begleitet unter lauten Pfiffen der zu diesem Zeitpunkt nur noch wenigen anwesenden Hamburger Zuschauern riss Erdmann die Fahne kaputt und posierte demonstrativ mit einem martialischen Gesichtsausdruck vor den eigene Fans.
Erdmann-Jubel erinnert an Pliquett
Seine Aktion erinnerte an den früheren Torhüter des FC St. Pauli, Benedikt Pliquett, der die HSV-Eckfahne nach dem 1:0-Derbysieg des Kiezclubs im Jahr 2011 mit einem Kung-Fu-Tritt niederstreckte. Ein Vorfall, für den sich HSV-Ersatzkeeper Tom Mickel beim HSV-Erfolg im Millerntorstadion (4:0) acht Jahre später revanchierte.
Siegtorschütze zweifelt an HSV-Teamspirit
„Ein kleiner Traum ist wahr geworden", sagte Magdeburgs Siegtorschütze Philip Türpitz, der den HSV mit seinem Treffer in der vierten Minute der Nachspielzeit ins Tal der Tränen schoss. Sichtlich überrascht von dem nicht eingeplanten Triumph im Volkspark wählte der Offensivspieler eine kurze und knackige Erklärung, warum die Gäste als Sieger vom Platz gingen. „Wir waren eine Mannschaft!“, sagte Türpitz trocken.
Es sind Worte, die aufhorchen lassen. Fehlt es den Hamburgern etwa an Teamspirit? Zeigt die Mannschaft in Spielen gegen vermeintliche Underdogs zu wenig Charakter? Nachdem zuletzt zwei Heimspiele trotz Führung noch verloren wurden, fehlt es den HSV-Verantwortlichen momentan an Argumenten, um diese – zugegeben gewagte – These zu entkräften. „Es ist unglaublich ärgerlich, dass sich die Geschichte von Darmstadt wiederholt hat. Das ärgert uns alle massiv", sagte Trainer Wolf.
Holtby bemängelt fehlende Einstellung
Auch Lewis Holtby, der sich als einziger HSV-Spieler stellte, ließ durchblicken, dass momentan die nötige Einstellung fehlt. "Jeder muss sich in dieser Woche hinterfragen – jeder Einzelne: Investiere ich alles? Bin ich nur auf Höhe im Pokal oder auch, wenn Magdeburg hierherkommt?", sagte der Kapitän, der bei der nächsten Hürde in Köln Gelb-gesperrt fehlen wird.
Auffällig ist, dass der HSV es in der Rückserie nach Höhepunkten nicht schafft, im darauffolgenden Spiel an seine Leistungsgrenze zu gehen. Nach dem Derbysieg beim FC St. Pauli folgte die unnötige 2:3-Heimpleite gegen Darmstadt sowie das torlose Remis in Bochum. Auf den Halbfinaleinzug im DFB-Pokal in Paderborn (2:0) setzte es nun die bittere 1:2-Niederlage gegen Magdeburg.
Holtbys Erklärung: "Gerade nach Erfolgserlebnissen müssen wir weiter die Konzentration hochhalten und Konstanz zeigen. Und nicht sagen: Wir kommen am Montagabend ins eigene Stadion und hauen einfach mal Magdeburg weg. Da gehören viel Konzentration und Arbeit dazu – und viel Mut.“ Drei im Fußball unverzichtbar Attribute, die der HSV am Montagabend schmerzlich vermissen ließ. Dabei hatte Trainer Hannes Wolf im Vorfeld Mentalität seiner Spieler gefordert.
Wo blieb die von Wolf geforderte Mentalität?
Hannes Wolf hatte im Vorfeld Mentalität, Zweikampfstärke und Härte gefordert. Doch seine Spieler setzten diese Vorgaben nur unzureichend um. Die Folge: Der HSV ließ sich von Magdeburg den Schneid abkaufen. Die Gäste aus Sachsen-Anhalt überzeugten mit einer höheren Laufbereitschaft (119,5 Kilometer zu 111,3). Den abstiegsbedrohten Magdeburgern gelang sogar das Kunststück trotz deutlich spürbarer Härte weniger Fouls (13) zu begehen als das Heimteam (14).
Für den Auftritt gepaart mit einer fragwürdigen Einstellung seiner Mannschaft gab es daher viel Kritik von Wolf, der nach dem Spiel in der Kabine laut geworden war. „Wir wussten genau, was uns erwartet. Ich habe die Mannschaft nicht destruktiv oder passiv auf den Platz geschickt", sagte er am Montag.
HSV wird Elfmeter verwehrt
Die Gründe für die seit Monaten dürftigen Auftritte der Hamburger und den vorläufigen Tiefpunkt beim 1:2-Debakel gegen Magdeburg sind vielfältig (lesen Sie auch: Hat Wolf sich verzockt?). Neben taktischer, spielerischer und individueller Defizite der Profis, ist aber auch Schiedsrichter Bastian Dankert nicht von Kritik freizusprechen. Zu Beginn der zweiten Halbzeit, als der HSV noch 1:0 führte, verweigerte der Unparteiische dem Wolf-Team einen Elfmeter, nachdem Magdeburgs Müller ein Bates-Kopfball an den ausgestreckten Arm sprang.
"Das ist bitter, das ist Pech. Aber trotzdem führen wir weiterhin 1:0 und müssen wesentlich besser die Situationen nach vorne lösen", sagte Lewis Holtby. "Die Szene war schon extrem", klagte Hannes Wolf. „Es muss natürlich Rot und Elfmeter geben. Man muss aber trotzdem hinten stabil bleiben und darf nicht in einen Konter laufen.“ Hamburg profitierte allerdings auch davon, dass der vermeintliche Führungstreffer der Gäste durch Lohkemper (22.) fälschlicherweise wegen Abseits aberkannt wurde. "Dann gleicht sich das ein bisschen aus", sagte Wolf nüchtern.
Oenning gelingt späte Revanche
Michael Oenning versuchte gar nicht erst, sich gegen die körpereigenen Emotionen zu wehren. Mit dem Schlusspfiff hatte Magdeburgs Coach Tränen in den Augen. Ob er bei den zahlreichen Glückwünschen auch so etwas wie Genugtuung verspürte, ist dagegen nicht bekannt. Acht Jahre nach seiner glücklosen Zeit beim HSV gelang dem Fußballlehrer nun die späte Revanche im Volkspark.
„Wir haben unglaublich viel Leidenschaft in das Spiel gelegt“, sagte ein vor Stolz strotzender Oenning. "Es war eine unglaublich gute erste Halbzeit. Zur Pause haben wir dann gesagt, dass wir hier nichts zu verlieren haben und einfach weiter mutig nach vorne spielen müssen." Sein Plan sollte aufgehen. Magdeburg (13 Abschlüsse) schoss fast doppelt so oft aufs Tor wie der HSV (7), der es in den letzten 30 Minuten gar nicht mehr versuchte.
Pokalspiel auf Dienstag angesetzt
Der HSV macht den Anfang im Halbfinale des DFB-Pokals. Wie die zeitgenaue Ansetzung des DFB ergab, empfangen die Hamburger den Bundesligisten RB Leipzig am Dienstag, den 23. April (20.45 Uhr im Liveticker bei abendblatt.de). Die Partie wird im frei empfangbaren Fernsehen in der ARD sowie beim Pay-TV-Sender Sky übertragen. Einen Tag darauf empfängt Werder Bremen Branchenprimus Bayern München – ebenfalls um 20.45 Uhr (ARD/Sky).
Kaum Vorfälle durch Problemfans
Mit 600 sogenannten Problemfans reiste der Magdeburger Anhang an. Die im Vorfeld befürchteten gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen beiden rivalisierenden Fanlagern blieben glücklicherweise weitgehend aus. Einen großen Anteil daran hat vor allem die Hamburger Polizei, die beide Gruppierungen voneinander trennte und die Begegnung als Risikospiel eingestuft hatte. 1500 Beamte, darunter 241 auswärtige, waren im Einsatz.
Ein Nachspiel hatte die Partie für eine Gruppe Magdeburger Fans im Stadionblock 12A, die um kurz nach 22 Uhr Ordner tätlich angegriffen hatte. Gegen die Tatverdächtigen wurden Hausverbote ausgesprochen. Gegen zwei weitere Personen, die im Gästeblock und in der Stadionstraße Pyrotechnik gezündet hatten, wurde ein Strafverfahren wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz eingeleitet.