Marienfeld. Im DFB-Pokal geht es für den HSV um mehr als den Einzug ins Halbfinale. Auch Erinnerungen an Schiedsrichter Hoyzer werden wach.
Es war eine Atmosphäre, die ruhiger und idyllischer kaum hätte sein können. Das April-Gezwitscher der Vögel und das Plätschern der Lutter bestimmten die Geräuschkulisse in der Grünanlage des Hotels Klosterpforte, als die Mannschaft des HSV am Montagvormittag um 11.15 Uhr den Trainingsplatz betrat, um sich auf das Viertelfinale im DFB-Pokal beim SC Paderborn am Dienstagabend (18.30 Uhr/Sky und Abendblatt-Liveticker) vorzubereiten. Ohne Trainer Hannes Wolf, der wegen eines Magen-Darm-Infekts im Bett geblieben war, ließen es die Profis locker angehen und genossen das Frühlingswetter und die Ruhe von Marienfeld, ehe die Glocken der alten Abteikirche nach nur 35 Minuten das Ende der entspannten Einheit einläuteten.
Mit Entspannung, Poesie und Beschaulichkeit ist es von heute an aber vorbei. Das Pokalspiel in Paderborn läutet eine Phase von 48 Tagen bis zum letzten Saisonspiel ein, in denen es um weit mehr geht als nur den Einzug in ein Halbfinale oder den Wiederaufstieg in die Bundesliga. Es geht um die wirtschaftliche Zukunft des HSV. Und die Begegnung in der ausverkauften Benteler Arena (15.000) ist der Beginn dieser richtungweisenden Wochen. Allein der Einzug in das Halbfinale würde dem HSV Einnahmen von 2,7 Millionen Euro bescheren. Eine Summe, mit der Sportvorstand Ralf Becker seinen Wunschspieler David Kinsombi von Holstein Kiel oder Philipp Klement vom heutigen Gegner aus Paderborn finanzieren könnte.
„Mentale Stärke ist wichtiger Faktor“
Zudem dürfte der Club auf ein weiteres Heimspiel gegen einen attraktiven Gegner wie Werder Bremen, Schalke 04 oder den FC Bayern München hoffen, das dann live im TV übertragen würde. Für den finanziell angeschlagenen HSV wäre das ein echter Segen. „Es läuft auf das Ende zu. Da ist mentale Stärke ein wichtiger Faktor“, sagte Sportchef Becker vor der Partie in Paderborn. Mentale Stärke wird der HSV brauchen, will er heute bei den formstarken Ostwestfalen bestehen. Das Team von Trainer Steffen Baumgart hat in der Rückrunde die meisten Punkte (19) der Liga geholt und dabei die meisten Tore (25) erzielt. Erst am Wochenende begeisterte Paderborn mit einem 3:1 bei Aufstiegskandidat Union Berlin, während der HSV beim 0:0 in Bochum zum wiederholten Mal in diesem Jahr spielerisch enttäuschte. Ausgerechnet in der Saisonphase, in der es mehr denn je um die Zukunft des Clubs geht, kämpfen die Hamburger gegen den sportlichen Abwärtstrend.
Dabei könnte von einem erfolgreichen Pokalauftritt des HSV in Paderborn eine echte Signalwirkung ausgehen, die auch auf die entscheidenden finanziell-strategischen Verhandlungen der kommenden Wochen Auswirkungen haben dürfte. Bis Ende Mai will der HSV zum einen geklärt haben, ob Investor Klaus-Michael Kühne sich erneut das Namensrecht am Volksparkstadion für die Zahlung einer Millionensumme sichert. Zudem hätte der HSV mit einem Pokalhalbfinale und dem Wiederaufstieg auch bei Hauptsponsor Emirates deutlich bessere Karten auf eine Verlängerung des im Sommer auslaufenden Vertrags. Clubmanager Bernd Wehmeyer, der die Kontakte nach Dubai hält, ist optimistisch, dass sich der HSV mit Emirates einigt. Sportlicher Erfolg würde die Wahrscheinlichkeit in jedem Fall stark erhöhen, dass es nach 13 gemeinsamen Jahren eine weitere Zukunft gibt.
Vor 15 Jahren verpfiff Hoyzer den HSV
Vor dem Spiel in Paderborn dreht sich aber nicht alles um die Zukunft, sondern vieles auch um die Vergangenheit des HSV, wenn über Geld gesprochen wird. Fast genau 15 Jahre ist es nun her, dass das Pokalspiel in Paderborn eines der dunkelsten Kapitel im deutschen Fußball auslöste. Das Erstrunden-Aus des damaligen Bundesligisten HSV beim damaligen Drittligisten Paderborn am 21. August 2004 war der Tag, als Robert Hoyzer die Hamburger verpfiff. Mit diversen falschen Entscheidungen hatte der Schiedsrichter dafür gesorgt, dass der HSV trotz einer 2:0-Führung 2:4 verlor. Dafür kassierte er von der kroatischen Wettmafia um Ante Sapina 67.000 Euro und einen Fernseher. Wenige Monate später flog der Skandal auf. Hoyzer erhielt eine Haftstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten.
15 Jahre später haben viele Protagonisten von damals mit den Ereignissen noch immer nicht abgeschlossen. „Eine solche Enttäuschung geht nie wieder aus dem Kopf“, sagte etwa Klaus Toppmöller, der zwei Monate nach dem Pokal-Aus als HSV-Trainer entlassen wurde. Nur Hoyzer, der heute für ein Internetportal arbeitet und noch immer Schadenersatz an den DFB abstottert, will sich nicht mehr äußern.
Zumindest finanziell hatte das Ausscheiden für den HSV keine bleibenden Schäden hinterlassen. Der Club um den damaligen Vorstandschef Bernd Hoffmann wurde mit 500.000 Euro und einem Länderspiel in Hamburg entschädigt. Die bleibenden finanziellen Schäden entstanden beim HSV erst später.
Hoffmann, heute wieder Vorstandschef im Volkspark, würde sich daher über einen Sieg im Pokal in Paderborn besonders freuen, um die wirtschaftliche Schieflage weiter zu verbessern. Dann würde sich auch die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass aus 48 entscheidenden Tagen möglicherweise 54 werden. Eine Woche nach dem letzten Saisonspiel gegen den MSV Duisburg am 19. Mai – so viel steht jetzt schon fest – findet im Berliner Olympiastadion das Pokalfinale statt. Der Sieger bekommt 4,5 Millionen Euro.