Hamburg. Der einzige Schwulen- und Lesbenfanclub im Volkspark erfährt immer mehr Zuwachs. Doch noch immer gibt es auch Probleme.
Jens Kuzel hat einen Traum. Der HSV-Fan sitzt im Restaurant „Die Raute“ im Volksparkstadion am Fenster und blickt hinaus auf die Nordtribüne. Irgendwann, sagt Kuzel, will er hier in einer Menge aus Regenbogenfarben stehen. Eine Choreographie auf der Tribüne der härtesten HSV-Fans, vereint mit den Flaggen der Homosexuellen. Kuzel guckt seinen Mann Dennis an, der neben ihm sitzt, und grinst verträumt. Er ist der Gründer der Volksparkjunxx, dem einzigen HSV-Fanclub für Lesben und Schwule. Und sein Mann Dennis ist eins von mittlerweile 15 Mitgliedern. „Es wäre das Größte, bei einem möglichen Aufstieg im ersten Heimspiel der kommenden Saison die Flaggen zu zeigen.“
Der Traum von Jens Kuzel, der noch vor Jahren undenkbar gewesen wäre, ist heute gar nicht mehr so unrealistisch. Homosexualität ist in der Mitte der HSV-Fanszene angekommen. Auch dank Kuzel, der seit 2011 versucht, die Botschaften seines Fanclubs auf die Nordtribüne zu transportieren. „Wenn es um den HSV geht, sprechen wir eine Sprache“, sagt der 43-Jährige. An diesem Wochenende sind die Volksparkjunxx Gastgeber des Treffens der Queer Football Fanclubs (QFF), dem zur WM 2006 gegründeten Netzwerk europäischer schwul-lesbischer Fußball-Fanclubs.
Homophobe Schimpfwörter
30 Fans aus halb Europa folgten der Einladung. So etwa die Vertreter von Bradford City aus England, der Green Hot Spots von Werder Bremen, Queerpass St. Pauli, den Rainbow Borussen aus Dortmund oder den Rainbowbulls aus Leipzig. Diese Gruppe geriet im Oktober vergangenen Jahres in die Schlagzeilen, als sie in der Leipziger Arena im Spiel gegen Schalke 04 von Gästefans mit homophoben Sprüchen wie „Schwuchteln, haut ab“ oder „schwule Sau“ beleidigt wurden. Am Freitagabend nahm ein Vertreter der Rainbowbulls im Fanhaus des HSV an der Stresemannstraße an einer Diskussionsrunde zum Thema Homophobie im Fußball teil.
„Es ist immer wieder erschreckend, wie häufig homophobe Schimpfwörter in der männlich dominierten Fußballfankultur benutzt werden, um Schwäche auszudrücken“, sagt Ole Schmieder. Der 42-Jährige arbeitet für das Fanprojekt des HSV im Fanhaus und setzt sich seit Jahren für den Kampf gegen Themen wie Rassismus, Sexismus oder Homophobie im Fußball ein. Schmieder erinnert sich, wie der HSV vor mehr als zehn Jahren der erste Bundesligist war, der das Banner des Vereins „Fußballfans gegen Homophobie“ im Volksparkstadion zeigte. Doch noch heute beobachtet er fehlende Akzeptanz und Offenheit gegenüber Homosexuellen in der Fanszene. Immer mal wieder klebt Schmieder im HSV-Fanhaus den Slogan „Fußballfans gegen Homophobie“ an. Meist dauert es nicht lange, ehe die Aufkleber bekratzt oder überklebt werden.
Mit einer Barkassenfahrt ging es los
Jens Kuzel hat im Volksparkstadion bislang kaum Probleme mit Schwulenfeindlichkeit erlebt. Seit 1992 ist er HSV-Fan, 2002 öffnete er sich und seine Sexualität. Einmal stellte er einen Anhänger im Stadion zur Rede, der die Spieler permanent mit homophoben Begriffen beschimpfte. „Als ich ihn fragte, ob er auch andere Wörter kenne, fragte er mich, ob ich etwa schwul sei? Ich sagte nur ‚Ja, tut das etwas zur Sache?‘ Wenig später kam er mit einem Bier zurück und hat sich entschuldigt.“ Sein Mann Dennis kennt diese Alltagshomophobie. „Viele Leute, die sich homophob ausdrücken, haben eigentlich gar kein Problem mit Homosexualität“, sagt er.
Dennis und Jens Kuzel sind seit dem 5. Mai 2015 verheiratet. Mit Fußball hatte Dennis nichts am Hut, bevor er Jens kennenlernte. „Mein Vater ist großer HSV-Fan, so hatte Jens gleich gute Karten bei uns zu Hause“, sagt er. Heute verpasst auch er kaum ein Heimspiel im Volkspark. Umso glücklicher macht es sie, dass sie nun Gastgeber des europaweiten Fanclubtreffens sind. Am Freitag ging es mit einer Barkassenfahrt los. Am Sonnabend finden im Volksparkstadion Workshops statt. Sportstaatsrat Christoph Holstein spricht das Grußwort.
Der HSV zeigt Haltung
„Der HSV hat uns Tür und Tor geöffnet und uns alles ermöglicht“, sagt Jens Kuzel. Auf seinem grauen Kapuzenpullover steht die Aufschrift „Love Hamburg. Hate Racism.“ Es ist eine der politischen Botschaften, die der Club in den vergangenen Jahren vermehrt in die Fanszene übermittelt. „Wir bekommen mit, dass der HSV und seine Fans politischer werden. Das freut uns“, sagt Kuzel.
Nicht zuletzt die Abstimmung auf der Mitgliederversammlung, sich in der Satzung des Vereins klar gegen Rassismus, Sexismus und Diskriminierung jeglicher Art auszusprechen, war für die Vertreter des politisch aktiven HSV-Fanzusammenschlusses „Netzwerk Erinnerungsarbeit“ ein wichtiges Signal. „Es ist eine sehr erfreuliche Entwicklung, dass der HSV bereit ist, Haltung zu zeigen“, sagt auch Ole Schmieder. Beim Thema Homophobie gebe es aber nach wie vor viel zu tun. „Dass sich kein aktiver Fußballprofi outet, zeigt, wie schwer das Thema in der Fußballkultur noch ist.“
Für Jens und Dennis Kuzel ist dieses Wochenende ein wichtiger Schritt. „Hamburg ist weltoffen. Für uns ist das der ideale Ort“, sagen sie. Ihr Weg ist noch nicht beendet. Und ihr Traum lebt.