Hamburg . Im Millerntorstadion treffen sich Fanprojekte von 57 Fußballvereinen. Auch Vertreter der Hamburger Proficlubs sind dabei.

Die Verantwortlichen der Stadtrivalen begegneten sich freundschaftlich. St. Paulis Präsident Oke Göttlich und HSV-Vorstand Frank Wettstein saßen gemeinsam in der ersten Reihe, als im Millerntorstadion die 26. Jahrestagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte (BAG) eröffnet wurde. Noch bis Donnerstag treffen sich Vertreter der Fanprojekte von 57 deutschen Fußballvereinen auf St. Pauli, um über aktuelle Fanthemen und Entwicklungen in der Szene zu diskutieren. „Wenn ein HSV-Vorstand am Millerntor in Grußwort sprechen darf, zeigt das die Bedeutung der Veranstaltung“, sagte Wettstein zur Begrüßung der Tagung.

Gerade einmal zehn Tage ist es her, dass am selben Ort das Stadtderby zwischen dem FC St. Pauli und dem HSV ausgetragen wurde, das mit seinen Vorfällen insbesondere während des Spiels auf den Rängen für neue Debatten gesorgt hatte. Der FC St. Pauli sprach hinterher sogar von einer „Zäsur“. Die Aufarbeitung der Vorfälle wird den Verein noch eine Zeit lang beschäftigen. „Wir haben sicherlich im Derby die eine oder andere Situation erlebt, in der wir uns hinterfragen wollen und werden, sagte Göttlich. Es gelte in der Diskussion zu ermitteln, „wie wir hier Fankultur, Jugendkultur, Subkultur weiterhin leben und in der Co-Existenz mit unseren Leitlinien vereinbaren können.“

Fanprojekte arbeiten unabhängig von ihren Vereinen

Dabei spiele der Fanladen, das Fanprojekt des FC St. Pauli, eine wichtige Rolle. „Wir brauchen die sozialpädagogische Unterstützung. Alleine mit Repressionen und harter Hand wird man kein Ergebnis erzielen. Man wird am Ende nur eine Eskalation herbeiführen“, meint Göttlich und bezeichnete in diesem Zusammenhang die Arbeit der Fanprojekte als „sensationell“. „Man muss sehr sorgfältig zuhören und sehr sorgfältig Thema für Thema abarbeiten, um auch Themen wie im Derby, das sage ich sehr deutlich, so nicht wieder sehen zu müssen.“

Die Fanprojekte arbeiten unabhängig von ihren Vereinen. Finanziert werden sie durch öffentliche Gelder der Stadt und der Deutschen Fußball Liga (DFL) sowie des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Sie verfolgen einen sozialpädagogischen und präventiven Ansatz. Die zunehmende Gewaltbereitschaft innerhalb der Fanszenen beobachten einige Mitarbeiter der Fanprojekte mit wachsender Sorge. Auch beim HSV. „Es gibt leider eine Entwicklung dahingehend, dass sich Ultragruppen meistens nicht mehr begegnen können, ohne dass es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommt. Das ist etwas, was wir beobachten“, sagt Ole Schmieder vom HSV-Fanprojekt. „Es gibt in Hamburg die Besonderheit mit zwei großen Fußballfanszenen, und auch da gibt es unter der Woche viel zu viel unnötige Gewalt. Das scheint uns eine Entwicklung zu sein, die ritualisiert ist. Für ganz viele ist es schwierig geworden, aneinander vorbeizugehen.“ Schmieders Lösungsansatz, mit dem die Fanprojekte arbeiten: „Mit unserer schärfsten Waffe: dem Wort.“

Pyro-Debatte wieder in den Mittelpunkt gerückt

Das gelte auch für die Pyro-Debatte, die vor und vor allem nach dem Stadtderby wieder in den Mittelpunkt gerückt ist. Der HSV hatte vor einigen Wochen einen Vorstoß gewagt und das Abbrennen von Pyrotechnik im Stadion als Teil der Fankultur akzeptiert. Im Dialog mit den Fans soll das Thema weiter diskutiert werden. „Wir begrüßen es, dass der Nachbar sich nach vorne wagt und einen Vorstoß geht. Das ist der einzige Weg“, sagt Justus Peltzer vom Fanladen St. Pauli. Beim Derby hatten nicht nur Ultras des HSV, sondern auch des FC St. Pauli im eigenen Stadion Unmengen an Pyrotechnik gezündet und Leuchtraketen auf das Spielfeld und die Ränge gefeuert. „Es geht hier um eine jugendliche Subkultur. Die zeichnet sich auch dadurch aus, dass versucht wird, Grenzen zu verschieben“, sagt Peltzer, der das Pyrothema gemeinsam mit den Fans und Verantwortlichen des Vereins diskutiert. „Im Moment ist das Thema vollkommen festgefahren.“

Eine Problematik, die den FC St. Pauli und den HSV eint. Umso wichtiger ist für beide Clubs die Arbeit der Fanprojekte. „Gerade wenn wir auf die Geschehnisse in jüngster Zeit in dieser Stadt zurückblicken, ist es wichtig, dass wir zur Konfliktbewältigung, aber auch zur Prävention solche Einrichtungen haben, die einen guten Zugang zu den Fans haben“, sagte Wettstein. „Wir reden hier überwiegend über Jugendliche und junge Erwachsene. Und da waren wir wahrscheinlich nicht immer alle frei von Sünde.“