Hamburg. Der HSV muss erstmals in der Voith-Arena antreten. Der Trainer des kommenden Gegners hat 18 Hamburger Trainer überlebt.

Frank Schmidt macht direkt zu Anfang des Gesprächs klar, dass er ein Mann ist, der gerne über das Hier und Jetzt redet. „Ich lebe nicht in der Vergangenheit oder in der Zukunft, sondern in der Gegenwart“, sagt der Trainer vom 1. FC Heidenheim dem Abendblatt. „Und in der Gegenwart freue ich mich wahnsinnig auf das Spiel gegen den HSV.“

An diesem Sonnabend (13 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) muss der HSV also erstmals in seiner Geschichte in der Voith-Arena auf der schwäbischen Ostalb antreten. In Heidenheim an der Brenz. Tiefste baden-württembergische Provinz. 50.000 Einwohner. Und einer dieser Einwohner (und laut Wikipedia sogar einer der berühmtesten Söhne und Töchter der Stadt): Schmidt, Frank. Der Mann der Gegenwart, mit dem man doch so gerne über die Zukunft und vor allem über die Vergangenheit reden wollen würde.

Es gibt mehr als 235.000 Schmidts, unzählige Franks und nach Angaben des Telefonbuchs sogar 1011 Frank Schmidts in Deutschland. Hört man sich aber im schönen Mittelwürttemberg um, dann gibt es nur einen Frank Schmidt: in Heidenheim geboren. Vier Jahre lang in Heidenheim gespielt. Und seit zwölf Jahren Trainer beim vor zwölf Jahren nigelnagelneu gegründeten 1. FC Heidenheim. Es ist eine dieser Geschichten, die eigentlich zu schön ist, um wahr zu sein. „Irgendwie hat es in Heidenheim immer sehr gut gepasst“, sagt Schmidt, der ursprünglich auch nur zwei Wochen aushelfen wollte.

Angebot eines Freundes

Sommer 2007. Beim HSV hat sechs Monate zuvor Huub Stevens das Ruder von Thomas Doll übernommen und die Mannschaft über den UI-Cup nach Europa geführt. Und in Heidenheim wird ein Interimsnachfolger des entlassenen Dieter Märkle in der Oberliga gesucht. Für zwei Wochen. Nur zwei Wochen! Ganz bestimmt nicht mehr!

Schmidt hat kurz zuvor seine Spielerkarriere beendet und will nun das Angebot eines Freundes, in dessen Versicherungsagentur einzusteigen, annehmen. Aber zwei Wochen, nur zwei Wochen, kann dieser Freund natürlich auch noch warten. Dann allerdings gewinnen Schmidt und Heidenheim das eine Spiel 9:1 und die andere Partie 2:1. Gegen Normannia Gmünd. Und aus den zwei Wochen werden zwölf Jahre.

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    Er wolle Heidenheims Volker Finke werden, hat Schmidt nach den zwei Spielen gesagt. Natürlich im Spaß. Heute sagt er ganz im Ernst: „Natürlich treibt es mich schon an, dass ich gerne Finkes Rekord einstellen würde. Das wäre etwas Einmaliges.“ Schmidts Vertrag läuft bis 2023 – und genau dann wäre Finkes Trainerrekord für die Ewigkeit eingestellt. „Ich kann mir kaum vorstellen, dass es das in Zukunft noch häufiger geben wird“, sagt Schmidt.

    HSV würde er sich zutrauen

    Seit er Finke erstmals als Ziel ausgegeben hat, im Herbst 2007, hatte der HSV 18 Trainer. Der HSV verpflichtete Martin Jol 2008 als neuen Trainer, Schmidt und Heidenheim stiegen in die Regionalliga auf. 2009 kam Bruno Labbadia, Heidenheim und Schmidt stiegen in die Dritte Liga auf. Als der HSV im Halbfinale der Europa League ausschied, machte Schmidt seinen Trainerschein. Beim HSV folgten Armin Veh, Michael Oenning, Thorsten Fink, Bert van Marwijk, Mirko Slomka und der knapp verhinderte Abstieg in die Zweite Liga, in Heidenheim folgte der umjubelte Aufstieg in die Zweite Liga 2014.

    Den HSV, diesen Trainerkillerclub, würde er sich trotzdem zutrauen, sagte Schmidt einmal dem „Spiegel“. Und hält auch einen Markus Gisdol, einen Bernd Hollerbach, einen Christian Titz und einen Hannes Wolf später an seiner Meinung fest. „Der HSV ist ein besonderer Club. Und natürlich würde ich mir auch Vereine wie den HSV zutrauen.“

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      Beim Thema HSV spricht Schmidt, der Mann der Gegenwart, gerne über die Vergangenheit. „Der HSV war ein Teil meiner Kindheit“, sagt der Nostalgiker. „Stein im Tor, Kaltz mit seinen Bananenflanken, Magath natürlich. Mit all denen bin ich aufgewachsen. Sogar Kaiser Franz hat ja in Hamburg gespielt.“

      Kein Scouting des HSV-Trainings

      Nun sind es eben David Bates, Josha Vagnoman und Gideon Jung, die am Sonnabend in Heidenheim auflaufen. Und natürlich Torjäger Pierre-Michel Lasogga, der mit seinen drei Last-Minute-Toren im Hinspiel Heidenheim fast im Alleingang abgeschossen hat. „Die Mannschaft besteht nicht nur aus Lasogga“, warnt HSV-Sympathisant Schmidt. „Rechts und links hat die Mannschaft Geschwindigkeit mit Jatta und Narey, im Zentrum haben sie spielstarke Profis wie Holtby und Özcan.“

      Auf ein Scouting des HSV-Trainings, wie es viele Gegner machen, verzichtete Schmidt aber. „So etwas machen wir nicht. Dafür haben wir gar nicht die Manpower“, sagt er. Umgekehrt hat Schmidt sehr wohl einen auffälligen Trainingsgast bei sich entdeckt: „Bei uns war einer beim Training. In Heidenheim fällt es eben auf, wenn da einer ist, der sein Handy zückt und filmt. Keine Ahnung, ob das einer aus Hamburg war oder nicht. Ist mir auch egal. Wir konzentrieren uns auf uns.“

      Seit dem 2:3 in Hamburg nur einmal verloren

      Und das machen Schmidt und die Heidenheimer durchaus erfolgreich. Im Dezember, Januar und Februar sind die Schwaben unbesiegt, seit dem 2:3 gegen den HSV im September hat Heidenheim nur noch ein einziges Mal verloren. HSV-Trainer Hannes Wolf sagte in dieser Woche sogar, dass Heidenheim derzeit die schwerste Aufgabe in der Zweiten Liga sei. „Das muss er ja sagen“, relativiert Schmidt. „Ich weiß, dass wir gerade einen guten Lauf haben. Wir haben eine herausragende Mentalität, die gilt es erst einmal zu schlagen. Wir haben schon die Berechtigung, in der Zweiten Liga mitzuspielen.“

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        Darf man denn bei Punktgleichheit mit dem Dritten Union Berlin von mehr träumen? „Träumen darf jeder“, sagt Schmidt, um direkt sämtliche Träumer auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen: „Die Zielsetzung Bundesliga kann es in Heidenheim nicht geben.“ Im Sommer hätte der Club Spieler mit der Erfahrung von 504 Zweitligaspielen abgegeben und Spieler mit der Erfahrung von drei Zweitligaspielen geholt. „Die Zweite Liga ist für uns jedes Jahr aufs Neue eine große Herausforderung.“

        Und außerdem: Das alles sei doch Zukunftsmusik. Wahrscheinlich legt Schmidt am anderen Ende des Telefons gerade den Kopf zur Seite, wie er es so häufig macht. Er denke nur an den HSV, das Stadion sei längst ausverkauft. „Das Spiel ist ein absolutes Highlight für uns alle“, sagt Schmidt, der keinesfalls vor- hat, in Ehrfurcht zu erstarren. „Ich sage es mal so: Wir wollen es dem HSV so schwer wie möglich machen.“