Hamburg. Neujahrsempfang: Erster “Präsidenten-Gipfel“ mit Ralph Hartmann, Marcell Jansen und Jürgen Hunke.
Jürgen Hunke war der Erste der HSV-Präsidentenkandidaten am Morgen im Foyer des Hotel Atlantic. „Ich komme direkt aus Koh Samui in Thailand. Ich bin um 8.10 Uhr gelandet, schnell nach Hause, habe geduscht, und dann ging es zum Abendblatt-Empfang“, sagte Hunke. Kurz danach kam Ralph Hartmann, der keinen vergleichbar spektakulären Weg wie Hunke zurückgelegt hat, aber immerhin eine Punktlandung aus Föhr anbieten konnte. Dritter im Bunde war kurz darauf Marcell Jansen, der ebenfalls in den vergangenen Tagen reif für die Insel war: auf Mallorca. Zurück in Hamburg folgte der erste Präsidentengipfel vor der HSV-Mitgliederversammlung (19.1.).
Hamburger Abendblatt: Herr Jansen, Herr Hartmann, Herr Hunke, können Sie in einem Satz erklären, warum die HSV-Mitglieder Sie am 19. Januar zum neuen HSV-Präsidenten wählen sollen?
Marcell Jansen: Für mich ist unter anderem entscheidend, dass der kommende HSV-Präsident Sportkompetenz mitbringen muss. Nur durch den sportlichen Erfolg können die finanziellen Probleme der HSV AG gelöst werden.
Ralph Hartmann: Durch meine Vergangenheit als HSV-Schatzmeister traue ich mir schon zu, dass ich die wirtschaftlichen Probleme sehr gut überblicken und einen Beitrag zur Lösung leisten kann.
Jürgen Hunke: Mir geht es ausschließlich um die Finanzen und um die Sicherheit des Vereins. Meine größte Sorge heißt Insolvenz. Es geht um die Existenz des Vereins.
Ist das Schwarzmalerei von Herrn Hunke?
Jansen: Es geht vor allem um die Frage, wie man die Existenz des Vereins gewährleisten will. Da sind Inhalte gefragt. Und ich bin sehr froh, dass wir im e. V. auch jetzt schon eine sehr fähige Geschäftsführung haben, dass Michael Papenfuß mit seinem Team genau diese Themen im e. V. überblicken und bearbeiten kann. Bei der Fußball AG sind von sechs Aufsichtsräten zudem fünf mit einer wirtschaftlichen Kompetenz ausgestattet, die allesamt auch eine hohe Affinität zum e. V. haben. Insgesamt: Das Verhältnis von Sport- zu Finanz- und Wirtschaftskompetenz passt nicht. Die Gesellschafter, mit denen ich im Kontakt bin, sehen das übrigens ähnlich. Auch Herr Kühne.
Hartmann: Die Karte Insolvenz wird doch jedes Jahr von einer anderen Partei aufs Neue ausgespielt. Fakt ist, dass die HSV AG seit acht Jahren rote Zahlen schreibt. Fakt ist auch, dass enorme Verbindlichkeiten und Herausforderungen auf uns zukommen. Und diese wirtschaftlichen Themen müssen gelöst werden. Nicht mehr und nicht weniger.
Ist es überhaupt eine e. V.-Wahl oder nicht in Wahrheit eher eine AG-Wahl?
Hartmann: Es geht um den Präsidenten des Vereins. Dieser ist aber laut Satzung geborenes Mitglied des AG-Aufsichtsrats. Und als AG-Aufsichtsrat hat der künftige Präsident für die Balance zwischen Verein und AG zu sorgen.
Jansen: Es ist eine Wahl für den HSV. Ein Präsident muss natürlich die Herausforderungen im e. V. bewältigen wie Infrastruktur, Unternehmenskooperationen und Mittelbeschaffung sowie die Weiterentwicklung der Administration. Aber auch die Funktion in der AG mit den sportlichen Herausforderungen muss abgedeckt sein.
Hunke: Die AG ist für das Sportliche im Fußball zuständig. Darum geht es mir aber überhaupt nicht, sondern um den HSV e. V. Deswegen bin ich auch ein Außenseiter in dieser Runde. Der Verein muss sich als größter Gesellschafter um sein Eigentum, also um seine Anteile an der AG, kümmern. Wenn der Insolvenzverwalter nach den Beiträgen der Mitglieder greift, steht die finanzielle Zukunft des e. V. auf dem Spiel. Und das darf nicht sein. Mir geht es also darum, den Verein abzusichern. Ich will nicht bei der AG mitreden.
Müssten Sie aber als geborenes Mitglied des AG-Aufsichtsrats …
Hunke: Müssen muss ich gar nichts. Ich gebe hier schon mal offen und ehrlich zu: Ich würde auf keinen Fall Aufsichtsratsvorsitzender werden wollen. Am liebsten würde ich gar nicht in den Aufsichtsrat, denn ich will nicht in die persönliche Haftung kommen.
Jansen: Meiner Meinung nach muss der Vereinspräsident schon ein gewichtiges Wort im AG-Aufsichtsrat mitsprechen. Ob er auch wirklich Vorsitzender werden muss, das weiß ich nicht. Max-Arnold Köttgen macht bislang einen sehr guten Job als Aufsichtsratsvorsitzender.
Hunke: Da muss ich widersprechen. Der Aufsichtsrat muss in erster Linie die Einnahmen und Ausgaben der AG kontrollieren. Als Vereinspräsident habe ich damit aber meiner Meinung nach nichts zu tun.
Hartmann: Der Verein ist wichtig, aber die Kontrollfunktion im Aufsichtsrat auch. Wenn man mich fragen würde, dann würde ich auch beim Vorsitz nicht nein sagen. Auf keinen Fall würde ich aber darauf bestehen.
Hunke: Ich kann euch nur mal empfehlen, über die Haftungsfragen im Aufsichtsrat mal mit einem Anwalt zu sprechen. Die Kraft und die Abwicklung, die eine Insolvenz mit sich bringt, die kann man sich gar nicht vorstellen. Verein und AG, wo es hoch bezahlte Angestellte gibt, können gar nicht die gleichen Interessen haben.
Jansen: Wir bewerben uns ja um das höchste Ehrenamt im Verein. Und wahrscheinlich können wir uns an dieser Stelle darauf einigen, dass wir alle drei nur die besten Absichten für den e. V. haben. Die Herzkammer des Vereins sind unsere mehr als 80.000 Mitglieder. Und Ich habe das Gefühl, dass sich unsere leidensfähigen Fans nach Identität und Gehör sehnen. Und deshalb finde ich es elementar wichtig, dass der zukünftige Vereinspräsident eine wichtige Rolle im AG-Aufsichtsrat übernimmt.
Wie soll Ihrer Meinung nach die Zusammenarbeit mit dem Vorstandsvorsitzenden Bernd Hoffmann funktionieren?
Hartmann: Mir geht es nullkommanull um Personen. Was das Finanzielle betrifft, so finde ich es wichtig zu betonen, dass in der AG vor allem Frank Wettstein als Finanzvorstand für die Zahlen zuständig ist. Das wurde zuletzt gerne mal vergessen. Und natürlich müsste man sich als HSV-Präsident im ersten Schritt mal länger mit Herrn Wettstein und mit Bernd Hoffmann zusammensetzen. Es geht ja schließlich um die Lizenzierung für die Erste und für die Zweite Bundesliga sowie um weitere Themen, die auf den HSV zukommen.
Jansen: Meines Wissens nach, sind diese Fragen bereits bestens vorbereitet und werden bearbeitet.
Hunke: Ich hoffe, dass Sie wissen und dieses ist mir mitgeteilt worden, dass in der Bundesliga ca. 30 Millionen und in der Zweiten Liga circa 50 Millionen Euro fehlen könnten?
Wussten wir nicht. Sie?
Hartmann: Diese Zahlen sind mir auch nicht bekannt. Fakt ist aber, dass die bestehende Lücke in der Zweiten Liga größer sein wird als in der Bundesliga.
Herr Hunke, wie stehen Sie heute zu Bernd Hoffmann?
Hunke: Ich bin Profi. Und wenn Sie mir eben zugehört haben, haben Sie gemerkt, dass es mir nur um den Verein und um die Sache geht. Bernd Hoffmann wurde demokratisch gewählt, auch wenn es aus meiner Sicht falsch war. Aber Sie müssen nicht versuchen, uns auseinander zu dividieren, und ich gebe Ihnen gerne ein Beispiel. Stellen Sie sich vor, ich bin nachts in Schleswig-Holstein auf einsamer Strecke unterwegs und bleibe mit dem Auto im Schlamm stecken, komme alleine nicht mehr raus. Wenn dann Bernd Hoffmann vorbeikäme, würde ich ihn bitten, mir zu helfen. Der braucht doch Kompetenz, das kann er aber gar nicht alles alleine, das weiß er auch.
Jansen: Ich verstehe sowieso die ständigen Diskussionen um einzelne Personen nicht. Das ist eine Krankheit, die aufhören muss. Die Wunden der Vergangenheit lassen sich nur mit einer vernünftigen inhaltlichen Arbeit, mit Lösungen heilen, nicht mit Worst-Case-Szenarien. Das funktioniert nur dann, wenn man die richtigen Schritte einleitet. Dazu hat Bernd Hoffmann einen guten Teil dazu beigetragen.
Hunke: Negativ ....
Jansen: Ich sehe es so, dass der aktuelle Vorstand gemeinsam mit dem Aufsichtsrat aus den beschränkten Möglichkeiten für den Moment an vielen Stellen das Maximum herausgeholt hat.
Hartmann: Für mich geht es generell nicht um eine Person. Der Aufsichtsrat hat die Aufgabe, den Vorstand zu beraten, zu unterstützen und zu kontrollieren. Als Präsident würde ich das auch tun. Wenn Herr Hoffmann einen ordentlichen Job macht, ist die Welt in Ordnung. Wenn nicht, werden wir Gespräche führen, ganz einfach.
Sie gelten als ein Mann der Mitte ...
Hartmann: ... der ich ganz sicher nicht bin. Das klingt doch noch nicht mal gut. (lacht). Ich bin durchaus mit einer konstruktiv-positiven Streitkultur ausgestattet. Ich bin auch kein Visionär, sondern einer, der klar analysiert und bewertet, danach Entscheidungen trifft und diese dann sauber und konsequent umsetzt.
Jansen: Früher saßen beim HSV viele Leute in Gremien und haben am Ende keine einheitliche Entscheidung getroffen, um den HSV so auszurichten, dass er eine gewisse Stabilität hat. Da überwog aber nur wirtschaftliches Know-how. Jetzt sehen wir, wo der HSV heute steht.
Finanziell in der Enge. Ein großes Thema sind deswegen mögliche weitere Anteilsverkäufe. Welche Position nehmen Sie ein?
Hartmann: Im Zuge der Ausgliederung hat sich die Mitgliedschaft für eine Grenze von 24,9 Prozent ausgesprochen, dem fühle ich mich verpflichtet.
Jansen: Dass ein Verein in seiner schwierigen Lage nicht auch noch Anteile abgeben sollte, ist doch klar. Das Überleben des Vereins steht natürlich über allem, aber das wäre die allerallerletzte Option. Aber vorher sollten Strategien entwickelt werden, und das passiert aktuell ja auch schon.
Hunke: Ich war ja damals schon gegen einen Anteilsverkauf.
Jansen: Was mich dabei aber massiv stört, dass eine so wichtige Entscheidung von so wenigen Mitgliedern getroffen wird. Wir brauchen eine starke Mitgliederversammlung, die sich ganz klar für einen Präsidenten ausspricht, damit wir mit einer Stimme sprechen.
Hartmann: Die Beteiligung ist seit Jahren ein Thema. Seit der Ausgliederung hat das leider stark nachgelassen. Man sollte sich Gedanken machen, wie man die Veranstaltung aufwertet, um sie wieder attraktiver zu gestalten.
Sind Sie für eine Fernwahl?
Jansen: Ich bin komplett dagegen. Bei so wichtigen Entscheidungen finde ich es wichtig, dass sich die Mitglieder vor Ort versammeln.
Hunke: Die Fernwahl würde der Demokratie nicht helfen.
Hartmann: Man muss die Mitgliederversammlung attraktiver machen – und bei der physischen Wahl bleiben.
Herr Jansen, bleiben Sie im Aufsichtsrat, wenn Sie nicht gewählt werden?
Hartmann: Dich wollen wir nicht verlieren, das ist Fakt.
Jansen: Ich würde auch nicht rausgehen.
Schnelle Frage zum Abschluss: Wen würden Sie im zweiten Wahlgang wählen, sollten Sie im ersten Durchgang ausscheiden?
Hartmann: Ich würde mich enthalten.
Hunke: Ich würde den Kollegen Hartmann wählen.
Jansen: Da sind wir mal einer Meinung. (lacht) Ich würde auch Ralph wählen.