Hamburg. Mit Rückkehrer Gideon Jung startet der HSV in die Vorbereitung. Sportchef Becker ist vom Kader überzeugt, warnt aber vor Zufriedenheit.

Für Ralf Becker begann am Freitag der erste Arbeitstag 2019. Der Sportvorstand des HSV hatte nach seinem Urlaub einige Mails und Nachrichten abzuarbeiten, die sich über den Jahreswechsel angehäuft hatten. Das Jahr 2019, so viel steht fest, könnte für Becker und den HSV ein historisches werden. „Wir können hier etwas Tolles erreichen“, sagte Becker zwischen dem E-Mail-Beantworten im Gespräch mit dem Abendblatt. Für die angepeilte Mission Wiederaufstieg starten die Hamburger an diesem Sonnabend um 11 Uhr im Volkspark in die Vorbereitung auf die zweite Saisonhälfte.

Dass diese Mission keine Selbstverständlichkeit wird, hatte der HSV am letzten Spieltag vor der Winterpause noch einmal deutlich zu spüren bekommen. Mit 1:3 verloren die Hamburger kurz vor Weihnachten bei Holstein Kiel. Trotz des verpatzten Jahresabschlusses verbrachte der HSV die Feiertage als Tabellenführer – einen Punkt vor dem 1. FC Köln, drei Zähler vor St. Pauli. Was Becker zu einem positiven Fazit der ersten Saisonhälfte bewog. „Die Tabellenführung ist eine positive Momentaufnahme. Wir sind mit der Ist-Situation prinzipiell zufrieden“, sagt Becker angesichts der Ausbeute von 37 Punkten.

Doch verfrühte Zufriedenheit ist der größte Feind des Erfolgs, das weiß auch der Sportchef. Und mahnt seine Mannschaft sogleich vor den anstehenden Aufgaben. „Das Spiel gegen Kiel war für uns ein Zeichen, das Warnung genug sein sollte. Die ersten Gegentore hatten mit Konzentration und Mentalität zu tun. So geht es nicht“, sagt Becker, der sich die Bilder des Kiel-Spiels noch einmal auf Video angeschaut hatte. Mit der abermaligen Erkenntnis: „Wir müssen knallhart arbeiten, um unsere Ziele zu erreichen.“

Wird Gideon Jung prompt Abwehrchef?

Und damit fängt der HSV an diesem Sonnabend an. Sechs Tage wird im Volkspark trainiert, ehe es am kommenden Sonnabend in das einwöchige Trainingslager in den südspanischen „La Manga Club“ geht. 26 Tage hat das Team um Trainer Hannes Wolf Zeit, sich auf das erste Spiel gegen den SV Sandhausen um Neuzugang Dennis Diekmeier vorzubereiten. Die Hamburger starten dagegen ohne einen Neuen in die Trainingsphase. Mit Aaron Opoku und Patric Pfeiffer (beide 19) verstärken lediglich zwei Talente aus der U 21 die Profis während der Vorbereitung.

Und bei dieser Kadergröße wird es auch über das Ende der Transferperiode hinaus bleiben. „Ich sehe uns für die Rückrunde gut aufgestellt“, sagt Becker. Auf einen Neuen, der eigentlich ein Alter ist, kann sich Trainer Wolf dann aber doch freuen: Gideon Jung. Der 24-Jährige, der sich vor der Saison einen Knorpelschaden im Knie zuzog, wird wieder vollständig in den Trainingsbetrieb einsteigen, nachdem er vor Weihnachten noch reduziert gearbeitet hatte.

Der Defensivspieler könnte auf Anhieb wieder die Rolle des Abwehrchefs übernehmen – oder auch als Sechser vor der Viererkette agieren, um Orel Mangala somit die Möglichkeit zu eröffnen, auf seiner Lieblingsposition im offensiven Mittelfeld zu spielen. „Gideon kann uns sowohl in der Innenverteidigung als auch im defensiven Mittelfeld richtig helfen“, sagt Becker: „Mit seiner Rückkehr wird unsere Qualität noch einmal erhöht. Wir haben somit auf allen Positionen einen Konkurrenzkampf.“

Lasogga soll für mehr HSV-Tore sorgen

Jung wird der HSV-Defensive weitere Stabilität verleihen. Dabei war die Abwehr in der Hinrunde bis auf die Schwäche bei Standards (sieben Gegentore) nicht das Problem. Das zeigt schon das Torverhältnis. Nach Union Berlin (15 Gegentore) hat der HSV (19) die beste Defensive der Liga. Neun Mal spielte er zu null. Das ist der Bestwert. In der Wertung der erzielten Tore liegt der HSV (25) dagegen nur auf Rang neun – torgleich mit Erzgebirge Aue.

Mit seiner geringen Torausbeute hat der HSV bislang maximal gut gepunktet. Zum Vergleich: Kölns Toptorjäger Simon Terodde erzielte alleine 22 der 47 Kölner Tore. Unter den besten zehn Torschützen der Liga findet sich kein Hamburger. Pierre-Michel Lasogga ist mit sieben Treffern bester HSV-Schütze und gleichzeitig Hoffnungsträger für die Rückrunde. Während der Südkoreaner Hee-chan Hwang wegen der Asien-Meisterschaft die Vorbereitung verpasst, ist Lasogga nach seiner Wadenverletzung vollständig genesen.

Wie wichtig der 27-Jährige für die Offensive ist, zeigt die Statistik. Die HSV-Angreifer geben die meisten Schüsse der Liga ab (130), doch nur jeder zwölfte Versuch geht rein. Bei Köln ist es jeder Dritter.

Ähnlich die Dribbling-Quote: Vier Spieler rangieren in den Top 15 mit den meisten Eins-gegen-Eins-Duellen: Douglas Santos (41), Mangala (45), Khaled Narey (58) und Hwang (67), der ligaweit die meisten Dribblings bestreitet, aber nur die Hälfte davon gewinnt. Dazu kommt: Die Mittelfeldspieler des HSV bereiten die wenigsten Tore vor (8). Auch die Zahl von 19 erspielten Großchancen ist unterdurchschnittlich.

Becker sieht Offensivprobleme gelassen

Sportchef Becker sieht darin kein grundlegendes Problem. „Das hat natürlich auch mit der Ausgangssituation zu tun. Für jeden Gegner ist es das Größte, gegen uns zu spielen. Die Mannschaften stehen oft tief. Die Anforderungen, Torchancen zu erarbeiten, ist für uns größer“, sagt Becker, um zu revidieren: „Das muss aber auch unser Anspruch sein. Wir hätten es uns sicherlich manchmal einfacher machen können.“

In der Rückrunde soll vor allem die Verwertung der Großchancen besser werden. Die Qualität sei dafür vorhanden. „Wir haben das Selbstbewusstsein zu sagen, dass wir entscheiden, was am Ende passiert.“ Was Becker meint, ist klar: die Rückkehr in die Bundesliga.