Hamburg. Meffert sorgte im Hinspiel für das erste Zweitligagegentor der Club-Historie. Bekannt wurde er aber durch einen anderen Moment.


Jonas Meffert ist gerade mit seiner Freundin in der Kieler Innenstadt beim Weihnachtseinkauf unterwegs, als ihn das Abendblatt am Dienstagmittag auf dem Handy erreicht. „Aus Hamburg?“, fragt Meffert. Er ahnt schnell, worum es geht. Nicht um das erste Zweitligagegentor in der HSV-Historie, das der Mittelfeldmann von Holstein Kiel am 3. August beim 3:0-Sieg in Hamburg erzielte. Auch nicht um das Rückspiel am Sonntag (13.30 Uhr) in Kiel. Es geht um den berühmten Moment, der nicht nur in der Clubgeschichte des HSV einen besonderen Platz innehat, sondern auch in der des Karlsruher SC. Und in der Geschichte des Jonas Meffert. Der 1. Juli 2015, Wildparkstadion, Relegationsrückspiel, KSC gegen den HSV, die 90. Minute.

Eigentlich hat Meffert diesen Moment schon verdrängt, doch die Erinnerung schickt ihn direkt auf eine Zeitreise dreieinhalb Jahre zurück. „Ich sehe die Szene noch genau vor mir“, sagt Meffert am Telefon, während seine Freundin den Einkauf fortsetzt. Rückblick: Der KSC führt kurz vor Schluss mit 1:0, am Spielfeldrand wird schon der Sekt bereitgestellt, die frisch bedruckten Aufstiegsshirts zurechtgelegt.

Der HSV steht mit mehr als eineinhalb Beinen in der Zweiten Liga und braucht noch einen Treffer, als Slobodan Rajkovic 22 Meter vor dem Tor an den Ball kommt. „Rajkovic schießt, und ich versuche mich in den Schuss zu werfen und die Hände wegzudrehen“, erzählt Meffert, als wäre die Szene erst gestern passiert. Aus kurzer Distanz schießt Rajkovic an Mefferts Arm. „Der Ball flog danach direkt zu Dimitrij Nazarov, der freie Fahrt auf das HSV-Tor gehabt hätte. Das wäre vielleicht die Entscheidung gewesen.“

Doch Schiedsrichter Manuel Gräfe entschied auf das folgenschwere Handspiel. Freistoß für den HSV. „Ich habe Gräfe ziemlich deutlich gesagt, dass er sich die Entscheidung doch besser noch einmal überlegen sollte. Hat er aber nicht“, sagt Meffert. „Ich habe dann nur gedacht, dass wir durch den Freistoß viel Zeit gewinnen.“ Es kam anders. Marcelo Díaz nahm Rafael van der Vaart den Ball weg („Tomorrow, my friend“) und schlenzte den Freistoß aus 18 Metern in den Winkel. Der HSV rettete sich in die Verlängerung. Meffert: „Ich war mir trotzdem sicher, dass wir das Spiel noch gewinnen können. Leider kam es anders.“ Der HSV siegte durch das Tor von Nicolai Müller.

„Der Freistoß hat mich noch lange beschäftigt“

Meffert spielt heute nicht mehr für den KSC, sondern die KSV, die Kieler Sportvereinigung Holstein von 1900. Der HSV ist drei Jahre später in der Zweiten Liga angekommen. Und am Sonntag hat Meffert erneut die Chance, sich für 2015 zu revanchieren. „Der Freistoß hat mich noch lange beschäftigt. Es tat mir total leid für die Mannschaft. Ich habe mich irgendwie schuldig gefühlt, auch wenn die Entscheidung falsch war“, sagt Meffert über die berühmte Szene. Der KSC spielt statt in der Bundesliga heute in Liga drei.

Die erste Revanche glückte Meffert bereits vor fünf Monaten. Im Hinspiel in Hamburg erzielte er für Holstein nur fünf Tage nach seinem Wechsel vom SC Freiburg nach Kiel im ausverkauften Volksparkstadion das 1:0. Am Ende gewannen die Störche mit 3:0 und machten den HSV-Fehlstart perfekt. Mefferts Tor wurde später sogar für das Tor des Monats August nominiert. „Es war ein schönes Tor und dann auch noch gegen den HSV. Das tat doppelt gut.“

Die Hamburger haben sich von ihrem Fehlstart längst erholt und führen nach elf ungeschlagenen Spielen in Folge die Tabelle an. „Der HSV hat eine hohe Qualität und ist gut drauf. Aber jede Serie reißt irgendwann. Vielleicht ja schon am Sonntag“, sagt Meffert. Auch der Vorjahresdritte Kiel spielt eine starke Saison, liegt als Fünfter nur vier Punkte hinter Platz drei. Eine erneute Relegation ist möglich. Das hatte Kiel vor der Saison kaum einer zugetraut.

Meffert ging nach HSV-Sieg in die Kneipe

Im Mai verlor Holstein in den Bundesliga-Play-offs gegen den VfL Wolfsburg. Trainer Markus Anfang ging anschließend nach Köln und nahm die Topspieler Dominick Drexler und Rafael Czichos mit, Torjäger Marvin Ducksch wechselte nach Düsseldorf, Sportchef Ralf Becker zum HSV. „Ich habe großen Respekt vor der Mannschaft, wie sie die Relegation weggesteckt hat“, sagt Meffert. „Ich weiß aus Erfahrung, wie schwer es ist, sich für die neue Saison zu motivieren. Die Vereine verlieren wichtige Spieler, fast alle haben große Probleme. Fürth, Karlsruhe, Braunschweig, es gibt viele Beispiele.“

Auch Meffert brauchte lange, um sich von der Relegation gegen den HSV zu erholen. Gleichzeitig zieht er Kraft aus den Erinnerungen. „Ich habe auf meinem Handy noch Fotos von damals, wie wir weinend auf dem Boden liegen und ich meinen Kumpel Philipp Max im Arm halte. Ich schaue mir die Bilder immer mal wieder an, um mich zu motivieren.“

Trotz der Enttäuschung denkt Meffert gerne an die Stunden danach zurück. „Wir sind mit der gesamten Mannschaft noch in eine Bar gegangen und haben den Frust heruntergespült. Es war einerseits ein komisches Gefühl, weil wir gerne gefeiert hätten. Aber es tat auch gut, dass wir alle zusammen unterwegs waren.“

Schiedsrichter Manuel Gräfe hat Meffert seitdem nicht wieder getroffen. Böse ist er ihm nicht mehr. Die positiven Erinnerungen überwiegen. „Mir hat die Relegation richtig Spaß gemacht. Ich hätte nichts dagegen, wenn wir in dieser Saison wieder Dritter werden“, sagt Meffert zum Abschluss, ehe er seiner Freundin mit den Geschenken für Heiligabend hilft. Zuvor will er sich am Sonntag selbst beschenken. Mit einem erneuten Tor gegen den HSV.