Hamburg. Der HSV ist die beste Auswärtsmannschaft der Zweitliga-Geschichte und bestätigt einen allgemeinen Trend im Fußball.
Am Dienstag probte Hannes Wolf den Ernstfall. Weil Kapitän Aaron Hunt wie schon am Montag wegen muskulärer Probleme fehlte, beorderte der HSV-Coach Sturmtalent Fiete Arp das gesamte Trainingsspiel in die A-Elf. Angreifer Hee-chan Hwang wirbelte eine Position dahinter als hängende Spitze. Drei Tage vor dem Auswärtsspiel beim MSV Duisburg (Freitag, 18.30 Uhr/Sky) scheint sich Wolf bereits festgelegt zu haben, wie er einen möglichen Ausfall seines formstarken Spielführers personell auffangen würde.
Ob mit oder ohne Hunt, der HSV will seine famose Auswärtsbilanz aufbessern. 19 von 21 möglichen Punkten holten die Hamburger bislang in der Fremde. Noch nie war ein Zweitligist auswärts erfolgreicher zu diesem Zeitpunkt der Saison. Mit Duisburg treffen die Hanseaten nun ausgerechnet auf eine der schwächsten Heimmannschaften in der Geschichte der Zweiten Liga. Der Aufsteiger der Vorsaison verlor zu Hause sechs seiner sieben Duelle und ging nur einmal als Sieger vom Platz – vor fünf Wochen beim 2:0-Erfolg gegen Paderborn. Damit bestätigen Duisburg mit seiner Heimschwäche und der HSV mit seiner Auswärtsstärke den allgemeinen Trend im Fußball.
Denn in den vergangenen Jahren ist der vermeintliche Heimvorteil zunehmend geringer geworden. Gewannen die Zweitligisten in der Saison 2004/2005 noch mehr als jedes zweite Spiel (51,3 Prozent) vor heimischer Kulisse, waren es in der vergangenen Spielzeit nur noch 41,5 Prozent. An den ersten 16 Spieltagen in diesem Jahr entschieden die Heimteams nur rund jedes dritte Spiel (36,1 Prozent) für sich – ein historischer Tiefstwert. Folgerichtig nimmt die Siegquote bei Auswärtsspielen zu. Aktuell liegt sie bei 30,6 Prozent, woran der HSV einen maßgeblichen Anteil hat. Geht diese Tendenz so weiter, ist der Heimvorteil bald nur noch ein Mythos.
Die Gründe für den Wandel im Fußball
Die Erklärungen hierfür sind vielfältig. Zum einen sind die Mannschaften inzwischen fitter sowie taktisch besser geschult und treten deshalb weitaus kompakter auf als noch vor einigen Jahrzehnten. In der Folge ergeben sich weniger Räume für das ballführende Team, weshalb sich nahezu alle Zweit- und auch Erstligisten schwertun, kreative Offensivlösungen zu finden. Vor allem die Heimelf steht wegen der schnell unruhig werdenden Zuschauer unter größeren Druck, das Spiel zu gestalten. Die Auswärtsmannschaft kann dagegen reagieren statt agieren und aus einer leicht abwartenden Grundordnung schnell umschalten.
Ein Phänomen, das zu der Duisburger Erfolglosigkeit vor eigenem Publikum und den positiven Resultaten des HSV in der Fremde geführt hat. Und es spricht wenig dagegen, dass sich daran beim direkten Aufeinandertreffen am Freitag etwas ändert – auch wenn sich Ivo Grlic, Sportchef des MSV, im Vorfeld der Partie auf Anfrage kämpferisch gibt. „Unsere Fans fiebern dem Spiel ganz besonders entgegen. Wenn wir wie beim 2:1 in Köln über die komplette Spielzeit hellwach sind, werden wir auch gegen den HSV punkten können.“
Bei allem Optimismus weiß auch Grlic, dass Leistungsträger wie Cauly Oliveira Souza und Moritz Stoppelkampf, die Duisburg im vergangenen Jahr auf Rang sieben führten, sich schon länger im Formtief befinden oder verletzt sind.
Duisburg mit Schwachstelle hinten links
Gegen den HSV fällt nun auch noch Kapitän Kevin Wolze Gelb-gesperrt aus. Als erster Vertreter für den Linksverteidiger wurde im Sommer Young-jae Seo von der U 21 des HSV verpflichtet. Doch der 23 Jahre alte Koreaner spielt auch unter Neu-Trainer Torsten Lieberknecht keine Rolle.
Somit dürfte Wolze durch den 35 Jahre alten Enis Hajri, dem es an Tempo fehlt, ersetzt werden. Auf seiner Außenbahn wird der Deutsch-Tunesier auf Khaled Narey, den zweitschnellsten Hamburger nach Bakery Jatta, treffen. Ein ungleiches Duell – das exemplarisch für die Paarung beider Mannschaften steht.