Ingolstadt/Hamburg. Trainer Wolf erkennt nach dem 2:1 in Ingolstadt “ein paar Themen, an denen wir arbeiten müssen“. Kapitän Hunt reagiert trotzig.
Für 1400 Kinder gab es am Sonntagmittag keine Frage, wer die beste Mannschaft der Zweiten Liga ist. Natürlich nur der HSV. Die kleinen Fans nutzten die Gelegenheit, bei der „XXL Autogrammstunde“ am 1. Advent im Volksparkstadion sich so viele Unterschriften wie möglich zu ergattern und ihren Lieblingen die verschiedensten Fragen zu stellen. Die meisten Kids wollten vor allem eines wissen: Steigt ihr wieder auf?
Nach dem 2:1 (1:0)-Sieg am Tag zuvor beim FC Ingolstadt ist die Wahrscheinlichkeit, dass der HSV am Ende der Saison den Wiederaufstieg schafft, in jedem Fall weiter gestiegen. Die Hamburger haben ihre Tabellenführung zum dritten Mal in Folge verteidigt. Die Fragen, die sich viele Beobachter am Sonnabend im Gegensatz zu den Kindern am Sonntag stellten, waren aber andere: Warum macht es der HSV am Ende eigentlich immer so spannend? Warum zieht sich die Mannschaft nach einer Führung immer wieder zurück? Wie reif ist das Team wirklich?
Schweres Spiel über weite Strecken kontrolliert
Der umkämpfte Sieg in Ingolstadt bot am Ende zwei Möglichkeiten, ihn zu bewerten. Zum einen hatte der HSV ein erwartet schweres Spiel beim Tabellenletzten über weite Strecken kontrolliert und durch die Tore von Aaron Hunt (28.) und Hee-chan Hwang (51.) letztlich verdient gewonnen. Zum anderen aber hatte der HSV abermals ein Spiel gegen ein limitiertes Team trotz einer nominellen Überlegenheit nur knapp gewonnen und bis zum Ende unnötigerweise gezittert.
Es war in dieser Saison bereits der sechste Sieg mit nur einem Tor Unterschied. Ein Zeichen von Qualität? Oder müsste der HSV mit dem neben dem 1. FC Köln teuersten Kader der Liga nicht die Qualität haben, Spiele auch mal klar zu gewinnen, wie es Köln zuletzt gleich dreimal in Folge tat?
Trainer Hannes Wolf wollte sich in seiner persönlichen Bewertung nach dem Spiel nicht klar für eine Richtung entscheiden, tendierte aber dazu, den Finger in die Wunde zu legen. Zwar lobte er sein Team einerseits dafür, der Stolpergefahr beim Schlusslicht von Beginn an reif und konzentriert ausgewichen zu sein. Andererseits hätte der HSV am Ende wie schon vor einer Woche gegen Union Berlin beinahe noch den späten Ausgleich kassiert. „Wir sind sehr froh über den Sieg, haben aber ein paar Themen, an denen wir arbeiten müssen“, sagte Wolf.
Einerseits, andererseits: bezeichnende Worte
Damit meinte der weiterhin ungeschlagene HSV-Cheftrainer vor allem das Verteidigen von langen Bällen und Standardsituationen. Der Anschlusstreffer durch Ingolstadts Fatih Kaya, den Interimstrainer Roberto Pätzold aus der Regionalligamannschaft befördert hatte, fiel nach einem weiten Freistoß. Schon beim 2:2 gegen Union hatte der HSV in letzter Minute einen langen Ball schlecht verteidigt. „Da müssen wir uns einerseits verbessern. Andererseits haben wir aus dem Spiel heraus nur eine Torchance zugelassen“, sagte Wolf.
Einerseits, andererseits. Zwei Wörter, die den HSV im bisherigen Verlauf der Zweitligasaison treffend beschreiben. Einerseits bleiben die Hamburger auswärts ungeschlagen und haben die zweitbeste Defensive der Liga. Andererseits liegt das Team in der Wertung der erzielten Tore nur auf Rang neun. „Wir würden schon gerne auch mal höher gewinnen. Solange wir gewinnen, ist es aber relativ egal wie hoch“, sagte Kapitän Hunt, der den HSV mit seinem Freistoßtor in Führung gebracht hatte.
Fragt man den Routinier, ist seine Mannschaft schon ein Spitzenteam. „Wir entscheiden jedes Wochenende, was passiert“, antwortete Hunt auf die Frage, ob der HSV im Kampf um den Aufstieg in dieser Liga nur an sich selbst scheitern könne. „Wir sind dominant, haben Selbstvertrauen. Es liegt an uns.“
Gesamtleistungsbereitschaft ist sehr hoch
Trainer Wolf wollte diese Worte nicht wählen, wenngleich er seinem Team eine hohe Reife attestierte. „Die Gesamtleistungsbereitschaft der Mannschaft ist sehr hoch. Sie hat eine coole Mentalität“, sagte Wolf, ehe er im selben Atemzug wieder vor Überheblichkeit warnte. „Man sieht, wie wir jede Woche am Limit arbeiten müssen, um Spiele zu gewinnen. Wir tun gut daran, die Liga zu respektieren und trotzdem auch Selbstvertrauen zu haben.“
Und dieses Selbstvertrauen ist bei den Spielern ebenso zu spüren wie der Sinn für die Realität. „Die Gegner haben jetzt Respekt vor uns“, sagte Abwehrchef Rick van Drongelen angesichts von neun Spielen in Folge ohne Niederlage. Einerseits. Und andererseits: „Wir müssen das jede Woche bestätigen. Wir haben noch gar nichts erreicht.“
In der Spitze hat der HSV in jedem Fall ein Problem weniger. Stürmer Hwang beendete nach acht Spielen seine Torflaute. „Ich habe den Druck gespürt. Umso glücklicher bin ich“, sagte der Südkoreaner, der am Freitag nun auch sein erstes Heimtor erzielen will. Damit der HSV Spitzenreiter bleibt. Einerseits. Und sich andererseits bald auch als Spitzenteam bezeichnen kann.