Hamburg. Unter Heribert Bruchhagen wurde das Geschäft mit dem digitalen Fußball stiefmütterlich behandelt. Dies will der HSV nun ändern.
Die Zukunft ist vorhersehbar. Zumindest in der digitalen Welt. In der kommenden Woche wird der HSV wieder einen sehr erfolgreichen Tweet veröffentlichen. Dann will der Club mitteilen, wann und wo er sein erstes eSports-Turnier in Hamburg austrägt. Im Dezember wird das der Fall sein. Der HSV veranstaltet ein Event, bei dem potenzielle Neuzugänge für das erste Bundesligateam gescoutet werden. Dass der Club im Januar an der neuen eSports-Meisterschaft der Deutschen Fußball Liga teilnehmen wird, hatte er vor zwei Wochen via Twitter verkündet. Es war einer der meistgeteilten HSV-Tweets.
„eSports hat sich zu einem Riesenthema entwickelt. Auch in der Fußballbranche werden alle hellhörig“, sagt Florian Riepe. Der 49-Jährige ist seit zweieinhalb Jahren Direktor Marketing beim HSV. Seitdem bemüht er sich um einen Einstieg seines Clubs in eSports. Nun ist es so weit. „Der HSV hat sich entschlossen, sich mit dem Thema intensiv und professionell auseinanderzusetzen, weil es um eine Zielgruppe geht, die wir mit anderen Angeboten nur noch schwer erreichen“, so Riepe.
HSV will bestimmte Zielgruppe zurückgewinnen
Bereits im Oktober hatte der HSV e.V. eine neue eSports-Abteilung gegründet. Weil der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) wenige Wochen später aber entschied, den organisierten Videospiel-Wettkampf nicht als Sportart anzuerkennen, spricht man beim HSV e. V. nun von einem Projekt. Und mit diesem Projekt will nun auch die HSV Fußball AG einen ganz neuen Markt erobern. Konkret geht es um das Zielgruppen-Alter zehn bis 30. „Durch die sportliche Situation der vergangenen Jahre ist uns nahezu eine ganze Generation weggebrochen“, sagt Riepe. Über eSports will der HSV diese Zielgruppe wieder stärker an sich binden.
Unterstützung erfährt der Club bei seinem digitalen Vorstoß von seinem Marketingpartner Lagardère. „Die junge Generation hat ein verändertes Medienkonsumverhalten, ist gleichzeitig aber auch schwer zugänglich. Viele von ihnen konsumieren Medien ausschließlich digital. Darin steckt eine große Chance“, sagt Robert Müller von Vultejus, Geschäftsführer der Sportmarketingagentur. „Die traditionellen Vereine sollten sich dem Thema nicht verschließen.“ In Deutschland gelten der VfL Wolfsburg und Schalke 04 als Vorreiter. Nun zieht auch der HSV nach.
HSV erhofft sich neue Vereinsmitglieder
Unter dem alten Vorstand um Heribert Bruchhagen fand das Thema wenig Zuspruch. Man fürchtete, in den sportlichen Krisenjahren öffentlich ein falsches Signal zu senden. Mit dem Abstieg und dem neuen Clubchef Bernd Hoffmann veränderte sich die Haltung. „Wir haben eben keinen Cristiano Ronaldo oder Marco Reus. Daher mussten wir uns überlegen, wie wir unsere junge Zielgruppe erreichen“, sagt Riepe.
Über eSports erhofft sich der HSV zudem neue Vereinsmitglieder als auch neue Sponsoren und perspektivisch möglicherweise sogar Investoren zu finden. Ein Blick nach Asien macht klar, wohin sich die Branche entwickeln wird. Dort werden die besten eSportler wie Stars gefeiert. 380 Millionen Menschen gelten weltweit als eSports-Fans. Ein gigantischer Markt, an dem der HSV nun partizipieren will.
Zocken mit Blick auf den Volksparkrasen
Der Schritt ist für den Club zunächst eine Testphase. Mit Roberto Cepeda (31) kümmert sich beim HSV ein Mitarbeiter nur noch um eSports. Begleitet wird das Projekt von Marleen Groß (27). Die Leiterin Marketing Operations hat das HSV-Konzept entwickelt. „Wir sehen eSports als eine Erweiterung zu unserem Kerngeschäft Fußball. Als Chance, um mit unseren jungen Fans in Kontakt zu treten, die wir teilweise nicht mehr oder nur sehr schwer erreichen“, sagt Groß. „Wir laden den HSV als Marke jünger auf.“
Schon jetzt können Fans beim HSV eSports-Geburtstage buchen – zocken mit Blick in das Stadion. Schon bald könnten im Volkspark die ersten Heimspiele stattfinden. Das Interesse steigt. „Wir haben den Vorteil, als Marke HSV eine große Fanbase mitzubringen“, sagt Riepe. „Die Frage wird sein, wie viele Fans wir im Umfeld des Clubs für dieses Thema begeistern können.“
HSV sieht eSport nicht als Cashcow
Aus finanzieller Sicht ist der Einstieg in den eSports für den HSV zunächst weder auf der Ausgaben- noch Einnahmenseite ein großer Faktor. Mindestens einen Profi will der Club zunächst in sein neues Team holen. Hauptberufliche Fifa-Spieler verdienen derzeit im Schnitt so viel wie ein geregelter Arbeitnehmer mit einem Bürojob. „Das Thema eSports wird für uns zunächst keine Cashcow. Es geht um eine Marketingplattform. Um die Kunden der Zukunft, die wir hoffentlich dann hier im Stadion begrüßen dürfen“, sagt Riepe. Für den Club ist es ein Projekt. Der HSV und eSports – so viel ist vorhersehbar – werden in Zukunft fest verankert sein.