Hamburg. Der Absteiger legt die Bilanz der Saison 2017/18 vor: Das Minus beträgt 5,8 Millionen Euro. Doch das dicke Ende kommt noch.

Draußen war es ziemlich ungemütlich, als am Dienstagmittag um 12.30 Uhr HSV-Finanzvorstand Frank Wettstein ins warme Stadioninnere bat. Der Anlass allerdings: ebenfalls ungemütlich. Der Jahresabschluss und der Lagebericht für das Geschäftsjahr 2017/18. Viele Zahlen, viele Millionensummen und vor allem: viele Fehlbeträge, Verluste und Verbindlichkeiten. „Wir haben unser Ziel, ein ausgeglichenes Ergebnis für die Saison 2017/18 zu erwirtschaften, nicht erreicht“, ließ sich Wettstein später über ein offizielles Club-Kom­mu­ni­qué zitieren.

Im VIP-Bereich des Volksparkstadions stand Vorstand Wettstein, dunkelblauer Anzug, weißes Hemd, mit einer Fernbedienung in der Hand, und erörterte die aktuellen Bilanzzahlen vor einer größeren Gruppe von Journalisten. Die vorab abgesprochenen Bedingungen: kein Mitschnitt, keine Zitate aus der Frage-und-Antwort-Runde und keine Handyfotos der Charts, die Wettstein nach und nach an die Wand warf.

Der HSV-Herr der Zahlen kam dann auch schnell auf den Punkt. So hätten die Hamburger ihren Gesamtumsatz auf 133,6 Millionen Euro gesteigert. Das war die gute Nachricht. Dabei aber einen Jahresfehlbetrag von 5,8 Millionen Euro erwirtschaftet. Das war die erwartete, gleichzeitig aber auch die schlechte Nachricht.

„Hierfür sind im Wesentlichen drei Effekte verantwortlich“, schrieb Wettstein später in der Pressemitteilung. „Zum einen ließen sich die umfangreichen personellen Freistellungen in dieser Höhe nicht einplanen, zum zweiten waren bedingt durch die umfangreichen Kaderabgänge im Sommer außerplanmäßige Abschreibungen (gemeint sind Walace, André Hahn und Alen Halilovic, die Red.) vonnöten. Als dritter Punkt hat dann der Verzicht auf die weitere Aktivierung von latenten Steuern das Ergebnis belastet.“

So weit, so schlecht. Tatsächlich dürfte der HSV durch den achten Jahresfehlbetrag in Folge einen einsamen Bundesligaminusrekord aufgestellt haben. Der letzte Vorstandsvorsitzende, der sich über einen positiven Jahresabschluss freuen durfte, war übrigens Bernd Hoffmann. Allerdings nicht der Hoffmann anno 2018, sondern der Hoffmann 2010.

Rekordminus von 20 Millionen Euro droht

Einen größeren Grund zur Sorge scheint Wettstein allerdings nicht ausgemacht zu haben: „Wir können alle eingegangenen Verpflichtungen jederzeit und fristgerecht erfüllen.“ Bleibt nur die Frage: Wie lange noch? Denn das dicke Ende soll noch kommen. Nach Abendblatt-Informationen steuert der HSV im laufenden Geschäftsjahr auf ein Rekordminus von mehr als 20 Millionen Euro hin. Dies wollte Wettstein gestern allerdings so nicht bestätigen. Er sagte jedoch: „In diesem Jahr in der Zweiten Bundesliga werden wir voraussichtlich wieder einen Jahresfehlbetrag erwirtschaften, dies ist leider unvermeidlich.“

Bei der Suche nach Gründen für das Dauerminus landet man einerseits beim Transfersommer 2017, der geprägt war von Investor Klaus-Michael Kühne und Spielerberater Volker Struth (Abendblatt berichtete). Andererseits ist da noch das Kleingedruckte, das im Rahmen der Gewinn-und-Verlust-Rechnung zu finden ist. So lag der Personalaufwand 17/18 auf einem Rekordhoch von 74,8 Millionen Euro. Hauptgrund hierfür sollen die zahlreichen Freistellungen gewesen sein, die das Jahresergebnis mit 5,4 Millionen Euro belasteten. Schon im vergangenen Jahr musste der HSV Abfindungen in Höhe von rund 2,7 Millionen Euro berücksichtigen. Zudem lagen die Ausgaben für den Profikader 2017/18 um 1,7 Millionen Euro höher als im Vorjahr.

Erstaunlich ist allerdings, dass der HSV trotz gesteigerter Medienerlöse (insbesondere durch TV-Rechte) von 32,4 Millionen auf 40,1 Millionen Euro und gesteigerter Transfererlöse kein besseres Gesamtergebnis erwirtschaften konnte. Der Verkauf von U-21-Nationalspieler Luca Waldschmidt beispielsweise, der im Sommer für fünf Millionen Euro vom HSV nach Freiburg wechselte, wurde dabei sogar noch im Jahresbericht 2017/18 berücksichtigt.

Kühne lässt Ablöse-Ansprüche prüfen

Doch wie sagt man in der Hansestadt so schön: In Hamburg lässt es sich auch mit nur einer Handbreit Wasser unterm Kiel noch sehr gut leben. Und so ist man beim HSV durchaus stolz darauf, dass man die Verbindlichkeiten von 105,5 Millionen Euro auf „nur noch“ 85,5 Millionen Euro senken konnte. „Wir haben einerseits das Eigenkapital erneut stärken können und andererseits die Verschuldung planmäßig abgebaut“, wird Wettstein zitiert.

Die Finanzschulden in Höhe von 62,1 Millionen Euro (Vorjahr: 81,1 Millionen Euro) umfassen vor allem das Schuldscheindarlehen (noch 36 Millionen Euro), die Fananleihe (17,5 Millionen Euro) und ein Darlehen von Investor Kühne (fünf Millionen Euro). Zudem prüft Kühne nach Abendblatt-Informationen aktuell auch noch, wie viele Millionen ihm darüber hinaus bei zukünftigen Transfers von Spielern zustehen, die er mitfinanziert hat.

Die größte Herausforderung des HSV in den kommenden Monaten ist aber weniger die Rückzahlung einiger Kühne-Millionen als viel mehr die Jubiläumsanleihe. Die 17,5 Millionen Euro sind bereits im kommenden September fällig – und einen konkreten Plan für die Rückzahlung gibt es bis heute nicht.

Europapokalteilnahme hätte Minus vergrößert

„Die Rückzahlung der Fananleihe ist eine Voraussetzung für die Erteilung der Lizenz durch die Deutsche Fußball Liga (DFL), die wir bereits im Lizenzierungsverfahren nachzuweisen haben“, räumt Wettstein ein. „Wir arbeiten daran und sind zuversichtlich, dass dies auch für beide Lizenzen gelingt.“ Zur Erinnerung: Der HSV muss bis Ende März Lizenzen für beide Ligen beantragen und dabei auch den Plan für die Finanzierung der Rückzahlung benennen.

Da dieser Plan noch immer nicht steht, wollte Wettstein diesmal auch keine genaue Prognose für die Bilanz 2018/19 abgeben. „Allein die Einbußen auf der Umsatzseite liegen bei rund 40 Millionen Euro gegenüber der abgelaufenen Saison“, sagt der 45 Jahre alte Rheinländer.

Die gute Nachricht ganz zum Schluss: Es hätte ja auch viel schlimmer kommen können. So heißt es im Prognosebericht des vergangenen Jahres: „Sollte der HSV entgegen der Annahme einen internationalen Clubwettbewerb erreichen, wird sich der Jahresfehlbetrag deutlich erhöhen, da hieraus Effekte aus Sondersachverhalten (Besserungsabrede) resultieren.“ In diesem Sinne: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt.