Hamburg. Nicht zum ersten Mal werden die Finanzgeschäfte des Clubs in der Beiersdorfer-Zeit durch die Enthüllungsplattform thematisiert.
Am Mittwoch waren sich Finanz- und Fußballwelt in Hamburg wieder einmal ganz nah. Bei der fünften Konferenz „Fußball & Ökonomie“ hatte das Hamburgische WeltWirtschafts Institut (HWWI) in den Ballsaal ans Millerntor geladen. Fußballfunktionäre wie HSV-Sportvorstand Ralf Becker, die Geschäftsführer Andreas Rettig (St. Pauli) und Jörg Schmadtke (Wolfsburg) oder auch Bremens Aufsichtsratschef Marco Bode waren der Einladung genauso gefolgt wie Finanzexperte Jörn Quitzau (Berenberg Bank).
Am Vormittag ging es um die Ökonomie von Auf- und Abstieg, am Nachmittag um die Grundlagen einer professionellen Personalauswahl. Und in den Kaffeepausen zwischendrin: immer wieder um das Hauptthema der Fußball-Finanzwelt. Football Leaks.
Rolle der Banken – HSV im Zentrum
Es dauerte gerade einmal zwei weitere Tage, ehe das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ über die neuesten Geschichten der Enthüllungsplattform berichtete. Die Überschrift diesmal: „Die neue Rolle der Banken“. Und wie in der jüngeren Vergangenheit schon öfters war erneut der HSV im Zentrum der aktuellen Football-Leaks-Geschichten. So wird dieses Mal von Darlehen berichtet, die der Club 2015 und 2016 vom Internationalen Bankhaus Bodensee (IBB) aus Friedrichshafen erhielt (auch das Abendblatt berichtete). Die IBB sei im Fußball zur Stelle, wenn Vereine dringend Liquidität benötigten. Oder wie es „Der Spiegel“ genau formulierte: „Besonders eng sind die Bande der IBB zu Clubs wie dem Hamburger SV, die notorisch über ihre Verhältnisse leben.“
HSV und IBB: keine anrüchige Verbindung
Nun ist die Geschäftsverbindung zwischen HSV und IBB weder neu noch anrüchig. Selbst „Spiegel“-Autor Michael Wulzinger sagt auf Abendblatt-Nachfrage: „Es ist nicht verwerflich, dass sich der HSV bei einer Bank wie der IBB oder Investoren wie XXIII Capital Geld leiht. Aber es ist bezeichnend.“ Auch internationale Top-Clubs wie der FC Porto, Benfica Lissabon, Olympiakos Piräus oder auch Atlético Madrid arbeiten mit der kleinen Privatbank aus Friedrichshafen zusammen. Diese würde „das Grundprinzip von Fußballclubs wie keine andere Bank verstehen“, wie ein HSV-Verantwortlicher dem Abendblatt im Hintergrundgespräch beteuert. Und doch gelte das Geldhaus in der Szene als letzte Anlaufstelle für Clubs, die mit findigen Hütchentricks ihre angeschlagene Liquidität sichern würden.
Sechs Prozent Zinsen
Der HSV brauchte beispielsweise im Lizenzierungsverfahren für die Saison 2015/16 dringend Cash und erhielt von der IBB eine Finanzspritze von fünf Millionen Euro, die allerdings mit sechs Prozent verzinst werden musste. Nach Abendblatt-Informationen musste der Club auch im jüngsten Lizenzierungsverfahren auf die Privatbank vom Bodensee zurückgreifen.
Doch wer sich in den vergangenen Monaten durch die schier unendliche Football-Leaks-Welt durchgearbeitet hat, dem wird vor allem eines aufgefallen sein: Besonders oft wurden die Geschäftspraktiken des HSV in der Zeit nach der Ausgliederung 2014 beleuchtet.
100 Millionen Euro für Transfers
Es war die Zeit des Investierens, des Geldausgebens, des Prassens. Oder auch: die Zeit von Dietmar Beiersdorfer. Zweieinhalb Jahre führte Beiersdorfer den HSV als Vorstandsvorsitzender – und gab in dieser Zeit mit freundlicher Unterstützung von Investor Klaus-Michael Kühne knapp 100 Millionen Euro für Transfers aus.
Wie maßlos der HSV in dieser Zeit wirtschaftete, wird auch bei anderen Football-Leaks-Geschichten deutlich. Ein Beispiel: Lewis Holtby soll nach seiner Verpflichtung 2014 ein Grundgehalt von 291.666,67 Euro verdient haben. Pro Monat. Also ein Jahresgehalt von 3,5 Millionen Euro. Darüber hinaus erhielt der damalige Spitzenverdiener 15.000 Euro für jeden Punkt, sofern er von Anfang an spielt. Es gab einen Scorerbonus für Tore und Torvorlagen, die ihm ab 15 Punkten noch einmal zusätzlich 100.000 Euro einbrachten. In der Saison 2015/16 müsste Holtby laut Football Leaks also insgesamt 4,115 Millionen Euro verdient haben.
HSV unter der Lupe
Doch das war nur der Anfang. Die Enthüllungsplattform gab auch interne Einblicke über eine mögliche Aufstiegsprämie für den geschassten Ex-Sportchef Jens Todt, über ein sogenanntes „Kostensenkungsprogramm 2016“ und über horrende Beraterzahlungen beim Transfer von Milan Badelj. Kaum ein Club in Deutschland wurde so intensiv unter die Lupe von Football Leaks genommen wie der HSV.
Wer allerdings auf einen Aufschrei der Anständigen hoffte, der wartete vergebens. Besonders deutlich wurde dies im Fall von Thomas von Heesen. Denn auch nachdem „Der Spiegel“ über seine Moderatorenrolle bei einem angedachten, aber nicht umgesetzten Deal zwischen Beiersdorfer und der dubiosen Marketingfirma Doyen Sports Investments, berichtete, ließ man sich beim HSV nicht davon abhalten, den 99-fachen HSV-Torschützen im vergangenen Frühjahr erneut als Berater zu verpflichten. An der grundsätzlichen Haltung änderte sich nicht mal etwas, als das Abendblatt in einer großen Grundsatzgeschichte die Geschäftspraktiken von Heesens mithilfe unzähliger Schriftstücke und Verträge aufdeckte.
Beiersdorfer verweist an Wettstein
Als das Abendblatt nun Beiersdorfer um eine Stellungnahme zum „Spiegel“-Bericht bat, verwies dieser auf seinen ehemaligen Vorstandskollegen Frank Wettstein. Der sagte aber nichts. Und Beiersdorfer, der die Football-Leaks-Enthüllungen nach eigenen Angaben nur überflog? Feierte am Freitag seinen 55. Geburtstag. „Herzlichen Glückwunsch, Didi“, twitterte der HSV.