Hamburg. Brasilien-Experte Calmund schwärmt über den Linksverteidiger des HSV, hat aber auch eine klare Botschaft an den Club.

Douglas Santos ist ein sehr gläubiger Mensch. „Danke an Gott“, schrieb der HSV-Profi einen Tag nach dem 1:0-Heimsieg gegen Köln – seinem besten Saisonspiel. Das Foto zeigt Santos bei einem seiner dynamischen Tempoläufe, mit denen er die Abwehr der Rheinländer immer wieder vor arge Probleme stellte. Am Ende zählten die Statistiker sechs Torschussvorlagen – so viele wie bei keinem anderen Zweitligaprofi am vergangenen Spieltag. Dreimal schoss der 24-Jährige selbst aufs Tor. Wie beim durch Pierre-Michel Lasogga erzielten Siegtreffer, den Santos mit einem formidablen Solo vorbereitete. „Das Tor war eine echte Willensleistung“, sagte der Olympiasieger von Rio 2016. Das Duell gegen Kölns Nationalspieler Jonas Hector, den vermeintlich besten Linksverteidiger der Liga, entschied Santos klar für sich.

„Douglas hat bestätigt, dass er bei einigen Bundesligisten oder internationalen Topclubs eine gute Rolle spielen könnte“, sagt Reiner Calmund dem Abendblatt. Der ehemalige Manager von Bayer Leverkusen lockte zu seiner Zeit beim Werksclub unter anderem die Brasilianer Paulo Sérgio, Emerson, Zé Roberto, Lúcio und Juan, die später allesamt zu Topstars wurden, nach Deutschland. Dem HSV rät der ausgewiesene Experte für Spieler vom Zuckerhut, bei einem scheinbar lukrativen Angebot eines Spitzenteams hart zu bleiben. „Mit seiner Qualität ist Douglas für die sportlichen Ziele des HSV lebensnotwendig.“

Mitspieler loben Santos

Auch Santos’ Mitspieler gerieten nach dem Spiel ins Schwärmen. Das größte Lob erhielt er von Torhüter Julian Pollersbeck: „Wahnsinn! Er kann in meinen Augen auch Champions League spielen. Das ist ein Unterschiedsspieler, der auch mal einen ausspielt.“

Santos’ Dribblings sind in der Zweiten Liga nur schwer zu verteidigen. Mit 44 Torschussvorlagen stellt er den Bestwert in der Liga – und das als Linksverteidiger. Unter Neu-Trainer Hannes Wolf agieren die Außenverteidiger zen­traler als zuvor. Eine taktische Änderung, die Santos entgegenkommt, denn so ist er noch stärker in den Spielaufbau und die Angriffszüge mit eingebunden. „Douglas hat als Linksverteidiger auch Achterqualitäten“, sagt Wolf über Santos’ Potenzial als zentraler Mittelfeldspieler.

Santos in seiner eigenen Liga

Drei Vorlagen sammelte Santos in der laufenden Saison, in der zweiten Pokalrunde traf er zudem zum 3:0-Endstand bei Wehen Wiesbaden. Von allen Abwehrspielern der Zweiten Liga ist nur Greuther Fürths Maximilian Wittek, der vier Tore vorbereitete, ähnlich effektiv. Mit der Dynamik des Brasilianers kann aber auch Wittek nicht mithalten. Nach dem ersten Saisondrittel scheint es, als würde Santos in seiner eigenen Liga spielen. „Ich muss jetzt aufpassen und darf ihn nach zwei Wochen nicht zu sehr loben. Aber er ist ein fantastischer Spieler“, sagt Wolf. Dass der neue Cheftrainer des HSV die Möglichkeit hat, die Spielweise des offensivstarken Linksverteidigers wertzuschätzen, danach sah es im Sommer lange Zeit nicht aus.

Douglas Santos hält sich in Hamburg am liebsten am Wasser auf – wie hier an der Elbe.
Douglas Santos hält sich in Hamburg am liebsten am Wasser auf – wie hier an der Elbe. © Witters

Um auf den Radar der brasilianischen Nationalmannschaft zurückzukehren, wollte Santos in einer der europäischen Topligen spielen. Nach dem Abstieg mit dem HSV wurde er von einer Reihe von Beratern bei einer Reihe von Clubs angeboten – in der Bundesliga unter anderem bei Schalke, Leverkusen und Wolfsburg. Doch keiner der Vereine wollte die Ablöseforderung der Hanseaten von rund 25 Millionen Euro erfüllen. Der HSV rief eine solche Rekordsumme auch deswegen auf, weil ein Teil des Betrags Investor Klaus-Michael Kühne, der den Transfer von Atlético Mineiro nach Hamburg für 7,5 Millionen Euro vor zwei Jahren per Darlehen finanziert hatte, zugestanden hätte.

Konstant hohes Niveau

Die konkreteste Offerte für Santos hinterlegte Zenit St. Petersburg. Der russische Europa-League-Teilnehmer war Ende August bereit, zehn Millionen Euro zu zahlen. Zu wenig für HSV-Sportvorstand Ralf Becker, der kurz darauf ein Machtwort sprach und sämtlichen Abschiedsgedanken einen Riegel vorschob. Und so musste Santos trotz seines Transferwunschs mit den Hamburgern in die Zweite Liga gehen. Ein mutiger Plan des HSV, denn branchenüblich sind wechselwillige Spieler selten zu Topleistungen zu motivieren. Doch Santos tickt anders.

Er akzeptierte das Transferveto seines Clubs und liefert seitdem Leistungen auf konstant hohem Niveau ab. In der Zweiten Liga, in der schon Horst Hrubesch (hält den Rekord mit 42 Toren in einer Saison für Essen), Rudi Völler (37 Tore für 1860 München) oder Lukas Podolski spielten, gehört Santos schon jetzt zu den wohl besten Spielern der Geschichte. „Er ist ein Spieler mit außergewöhnlichen Fähigkeiten. Von der Qualität her setzt er sich schon manchmal ein Stück weit ab“, sagt Sportchef Becker. „Ich bin total froh, dass er hier ist. Er ist ein ganz wichtiger Mann für uns.“

Aufstieg ist ein Muss

Die Frage ist nur, wie lange Santos trotz eines Vertrages bis 2021 noch wichtig für den HSV sein wird. Beide Parteien sind sich zunächst einmal einig, dass ein Transfer im Winter nicht infrage kommt. Nach einem ersten Austausch vor wenigen Tagen, den Kontrakt zu verlängern, wurden weitere Gespräche auf den Sommer vertagt. Santos’ Management kündigte gegenüber dem Abendblatt bereits an, einen Wechsel nach Saisonende erneut zu forcieren. Becker weiß, dass dann wieder viel Arbeit auf ihn zukommen wird. Eine Prognose, ob Santos auch über die Saison hinaus beim HSV spielen wird, will der Sportchef deshalb nicht abgeben.

Nur im Falle eines Aufstiegs wäre der Brasilianer von einem Verbleib in Hamburg zu überzeugen. Ein Ziel, für das Santos, wenn er seine starke Verfassung bestätigt, selbst sorgen kann. Womöglich auch mit etwas Hilfe von oben.