Gegen Heidenheim sehen HSV-Fans erstmals ein Zweitligaspiel zur Mittagszeit im Volkspark. Ein Schnell-Ratgeber.
Ging es Ihnen auch so? So richtig nach Zweite Liga fühlten sich die Spieltage des HSV noch gar nicht an. Zur Premiere gegen Holstein Kiel kamen an einem Freitagabend 57.000 Fans in den Volkspark, die Partie gegen Arminia Bielefeld machten immerhin 46.934 Zuschauer an einem Montagabend zu einem stimmungsvollen Flutlichtspiel.
Aber jetzt. Sonnabend, 13 Uhr, erster Mittagskick gegen den 1. FC Heidenheim. Der Ernstfall. Böse formuliert das Vorspiel vor den Auftritten der Großen in der Bundesliga. Anhänger des FC St. Pauli werden nur müde lächeln, sie mussten sich – bis auf wenige Ausnahmen – an die frühe Anstoßzeit längst gewöhnen. Aber wenn sich seit Jahrzehnten der Anpfiff um 15.30 Uhr tief eingebrannt hat, muss die Wochenendplanung neu definiert werden, nach dem Motto: Eine neue Liga ist wie ein neues Leben. Um fatalen Folgen vorzubeugen, folgt hier ein Schnell-Ratgeber für Zweitliga-Einsteiger.
Eine vorausschauende Organisation beginnt bereits am Freitagabend. Besonders Fußballanhänger, die dazu neigen, das Ende der Arbeitswoche ordentlich zu begießen, sollten bei der Wahl und Menge ihrer Getränke bedenken, dass a) sie ihren Rausch angesichts der vormittäglichen Anreise am nächsten Tag nicht ausschlafen können, b) von den sie begleitenden Freunden womöglich erwartet wird, dass sie bereits vor dem Anpfiff mit frisch Gezapftem konfrontiert werden, und c) sie womöglich von ihrem Partner aufgefordert werden, die fälligen Einkäufe für das Wochenende nach dem Spiel zu tätigen, was wahrscheinlich den Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis erfordert.
In jedem Fall empfiehlt sich bereits vor dem Stadionbesuch eine Nahrungsaufnahme, da von Bemühungen seitens des HSV, einen Mittagstisch für Stadionbesucher einzurichten, nichts bekannt ist. Dabei ist aber auf die richtige Dosis zu achten, sonst drohen ein schläfriges Sättigungsgefühl, schlappe Anfeuerung und in der Folge Schlafwagenfußball.
Positiver Nebeneffekt der veränderten Anstoßzeit: Während Gartenbesitzer ihren häufig von der Nacht noch feuchten Rasen am Vormittag mähen mussten, so öffnet sich seit dieser Saison ein optimales Zeitfenster ab 15.30 Uhr. Somit umgehen sie zugleich den Anfängerfehler, sich noch die Bundesliga-Spiele anzuschauen. Abgesehen davon, dass es sowieso keinen Ausweichclub gibt, dem man seine Sympathien schenken könnte, droht sich hier doch massiv das Gefühl einzustellen, zuvor B-Ware live geliefert bekommen zu haben, die man sich aus zuvor genannten Gründen nicht schöntrinken konnte.
Gerade Familienväter stehen jedoch vor der größten Herausforderung: von Kindern und Ehefrauen eingeforderte Ausflüge Zweitliga-kompatibel zu gestalten. Hier böte sich theoretisch die Option, den Anhang während der Spielzeit zum Beispiel in einem unweit gelegenen schwedischen Möbelhaus zu parken, um danach ohne Umwege die Weiterfahrt antreten zu können. Dies dürfte jedoch zu hohen Nebenkosten führen. Sinnvoller wäre es deshalb, die gesamte Familie behutsam an das Thema Livefußball heranzuführen („Es sind doch nur 90 Minuten“) oder mit dem Sohn zumindest für günstige Mehrheitsverhältnisse zu sorgen.
Zur Wahrheit gehört aber unterm Strich: So oder so bleibt es ein schwieriges Unterfangen, den richtigen Zweitliga-Rhythmus zu finden. Traditionsbewussten TV-Zuschauern bleibt als letzter Ausweg dieser Notfallplan: Sie programmieren ihren Decoder auf 13 Uhr, vermeiden in den folgenden zwei Stunden den Besuch jeglicher Elektronikmärkte, schalten das Radio aus, schließen die Fenster, um jubelnde (oder fluchende) Nachbarn nicht hören zu müssen – und starten pünktlich um 15.30 Uhr die Videokonserve.
Auch wenn dies strikte Disziplin erfordert, so beugen sie gesundheitlichen Problemen bei der Umstellung von der Bundesliga- auf die Zweitligazeit vor, vor denen bereits erste Forscher warnen. Und man muss nicht, wenn alles glatt läuft, in ein paar Monaten sein Leben wieder neu konfigurieren.