Hamburg/Erndtebrück. Gelingt am Sonnabend die Sensation? Fast unmöglich, sagen sie bei dem Oberligisten. Historisch wird das Spiel in jedem Fall.
HSV? Am Anfang war Dirk Beitzel nicht ganz klar, wie er dieses Los einzuordnen hatte. Reinhard Grindel, der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), hatte bei der Auslosung der ersten Runde von einem „attraktiven Gegner“ für den TuS Erndtebrück gesprochen. Aber dieser Gegner war eben auch: ein Absteiger.
Inzwischen weiß Beitzel: Grindel hatte recht. „Das Los ist mit das Beste, das wir hätten bekommen können“, sagt der Leiter der Fußballabteilung des Turn- und Sportvereins 1895. Vielleicht hätte Köln noch mehr Strahlkraft gehabt, dem FC fühlen sich viele Menschen im Kreis Siegen-Wittgenstein traditionell verbunden. Aber mehr als das volle Kontingent von 4600 Gästekarten hätten auch die Kölner für das Spiel am Sonnabend (18.30 Uhr/Sky) nicht verkaufen können.
„Was der HSV an Fans mobil macht, ist schon sensationell“, sagt Beitzel. Da braucht wahrlich kein Neid aufzukommen auf den benachbarten TSV Steinbach Haiger, der den FC Augsburg zugelost bekam. Einen Bundesligaclub zwar, der aber nur 500 Anhänger mitbringt. „Von daher ist unser Los ein Traum.“
Doppelt so viele Zuschauer wie Einwohner
Erndtebrück kann sich auf die größte Kulisse der Vereinsgeschichte freuen. 18.500 Zuschauer passen ins 30 Kilometer entfernte Siegener Leimbachstadion. Dorthin musste der Club ausweichen, weil der Kunstrasen im heimischen Pulverwaldstadion nicht dem Pokalstandard genügt. Außerdem hätten dort höchstens 3000 Zuschauer Platz gefunden und nicht die 15.000, auf die der Club jetzt hofft.
Das wären ziemlich genau doppelt so viele Menschen, wie Erndtebrück Einwohner hat. Und noch einmal eine Steigerung im Vergleich zum Vorjahr. Damals sahen 13.106 Zuschauer das Erstrundenspiel gegen Eintracht Frankfurt. Erndtebrück, damals noch Regionalligist, lieferte einen beherzten Kampf, verlor aber 0:3. Frankfurt sollte später den Pokal gewinnen.
Der TuS hingegen ist inzwischen abgestiegen in die fünftklassige Oberliga und die Mannschaft eine völlig andere als jene, die noch im April im Halbfinale des Westfalenpokals sensationell beim Drittligisten Sportfreunde Lotte gewann. Nach dem Abstieg, sagt Beitzel, bewege man sich wieder in einer ganz anderen Welt. In der Regionalliga hatten die Gegner so klangvolle Namen wie Alemannia Aachen, Rot-Weiß Oberhausen und Rot-Weiss Essen. Oder Mäzene wie Franz-Josef Wernze, der Viktoria Köln mit aller Macht in den Profußball führen will. „Da können wir als Dorfclub finanziell nicht mithalten.“
Einnahme ist schon verplant
Beitzel selbst arbeitet seit bald 30 Jahren als Produktionsleiter beim wichtigsten Geldgeber des Clubs: dem Erndtebrücker Eisenwerk, einem Weltmarktführer in der Herstellung von Stahlgroßrohren. Die Spieler sind nur Teilzeitfußballer, die meisten studieren, auch ein Polizist ist dabei. Eine Sensation gegen den HSV? „So gut wie unmöglich“, sagt Beitzel.
Er hat den HSV am Mittwoch beim Testspiel gegen die Bayern (1:4) im Fernsehen gesehen. „Da ist richtig Qualität in der Mannschaft.“ Die eigene Generalprobe ging gründlich daneben: 2:3 zum Ligastart gegen Nachbar und Mitabsteiger Sportfreunde Siegen, noch dazu im Leimbachstadion, wo der TuS das Unmögliche schaffen will. Aus dem Landespokal ist man auch schon ausgeschieden: Beim Klassenkonkurrenten ASC 09 Dortmund gab es eine 1:4-Niederlage.
Da kann es gegen den HSV nur eine Taktik geben: hinten mauern und auf Konter lauern. „Vielleicht geht ja doch was“, sagt Beitzel. Wenn nicht, bleibt ein Riesenerlebnis in Erinnerung. Und eine satte Einnahme in der Kasse. Das Geld ist schon verplant: Es soll für einen neuen Kunstrasen zurückgelegt werden.