Hamburg. Fünf Jahre lang wurde Manuel Wintzheimer bei Bayern München ausgebildet. Heute trifft er auf seinen Ex-Club.

    Wer sich auf ein Gespräch mit Manuel Wintzheimer vorbereiten will, der wird zunächst einmal überrascht. Eine Wikipedia-Seite des HSV-Neuzugangs? Gibt es nicht. Einen eigenen Instagram-Account? Gibt es. Allerdings mit null Beiträgen und gerade einmal 73 Abonnenten. Twitter? Fehlanzeige. Und selbst der auf verschiedenen Fußballportalen angegebene Geburtsort Arnstein sorgt für Verwirrung. Es gibt fünf Arnsteins, alleine drei in Bayern. „Arnstein bei Würzburg“, stellt Wintzheimer nach dem „Hallo“ bei der Begrüßung klar. „In Unterfranken.“

    Manuel Wintzheimer sitzt in einem Nebenraum der Gästekabine im Volkspark. Seitenscheitel, Kinnbart, Kapuzenpullover. Neben ihm steht ein Kicker, aber gekickt hat der Stürmer an diesem Tag schon genug. Das Training ist vor gut einer Stunde beendet worden. Doch bevor der 19-Jährige seinen freien Nachmittag genießen kann, ist noch einmal seine Meinung gefragt. Das Thema: Die Bayern – was sonst?

    Ein besonderes Spiel

    „Bayern München ist für mich immer noch einer der Top-drei-Clubs der Welt“, sagt Wintzheimer. Fünf Jahre lang wurde der Unterfranke im Bayern-Nachwuchs ausgebildet, ehe er im Sommer aus dem Süden in den hohen Norden wechselte – und an diesem Mittwoch (18 Uhr/live bei Sport1) erstmals überhaupt nicht für, sondern gegen seine Bayern spielt. Im Volkspark.

    „Natürlich ist das Bayern-Spiel etwas Besonderes für mich“, sagt Wintzheimer. Auf dem Papier ist es an diesem Mittwochabend zwar „nur“ ein Testspiel, aber für Wintzheimer ist es mehr. „Ich bin in einer echten Bayernfamilie aufgewachsen. Mein Papa war Bayern-Fan, mein Opa war Bayern-Fan, und ich war natürlich auch Bayern-Fan. Ich habe früher sogar in Bayern-Bettwäsche geschlafen“, sagt der Youngster, der 2013 mit 14 Jahren aus dem beschaulichen Fürth zum großen FCB wechselte. „Es war schnell klar, dass ich das Angebot nicht ablehnen werde.“

    Titz: Er hat einen guten Abschluss

    13 Internatsplätze hatten die Bayern seinerzeit. „Es war schon sehr außergewöhnlich, einen dieser Plätze im Internat der Bayern zu bekommen“, sagt Wintzheimer. Er bekam einen. Lars Lukas Mai, den der HSV im Sommer auch gerne nach Hamburg geholt hätte, bekam einen anderen. Und während Wintzheimer nach fünf Jahren im Internat nun seinen ersten Profivertrag beim HSV unterzeichnete („Man muss als junger Spieler genau abwägen, wo man gute Chancen hat zu spielen“), entschied sich Kumpel Mai dafür, es bei den Profis der Bayern zu versuchen.

    HSV-Trainer Christian Titz jedenfalls ist mehr als froh, dass zumindest Wintzheimer sich für den Schritt weg von den Bayern entschieden hat. „Der Manuel haut sich im Training richtig rein. Er hat ein gutes Anlaufverhalten, und er hat auch einen richtig guten Abschluss“, lobt Titz, der Wintzheimer bereits am Sonntag in Sandhausen mit einem Kurzeinsatz belohnen wollte. Weil aber Neuzugang Orel Mangala signalisierte, dass er kaputt sei, musste Titz mit Christoph Moritz einen Sechser statt eines Stürmers bringen. „Aber gegen die Bayern wird Manuel auf jeden Fall spielen“, legt sich der Coach fest.

    Rendezvous mit der Vergangenheit

    Damit steht dem Rendezvous mit der Vergangenheit an diesem Abend nichts mehr im Wege. Besonders auf Stürmerkollege Robert Lewandowski freut sich Wintzheimer. „Robert ist einer der besten drei Stürmer der Welt“, sagt der Neu-Hamburger. „Ich habe versucht, ihn immer zu beobachten, wie er den Ball annimmt, ihn mitnimmt, seinen Abschluss. Da kann man sich als junger Nachwuchsstürmer schon jede Menge von abgucken. Der Schritt von der Jugend zu den Profis ist schon ein sehr großer Schritt.“

    Allzu viele Bayern, die diesen großen Schritt im eigenen Club bewältigt haben, fallen Wintzheimer auf Anhieb nicht ein. David Alaba natürlich. Aber das ist auch schon fast wieder zehn Jahre her. „In den vergangenen Jahren gab es nicht mehr so viele Jungprofis aus dem Bayern-Internat, die durch die Decke gegangen sind“, sagt Wintzheimer.

    70 Millionen Euro für „FC Bayern Campus“

    Made in München, ein Qualitätssiegel aus den Alaba-Müller-Lahm-Zeiten, hat seinen Zauber in den vergangenen Jahren eingebüßt. Auch deswegen haben die Bayern reagiert und für 70 Millionen Euro den „FC Bayern Campus“ neben der Allianz Arena errichtet. Statt 13 haben dort seit August 2017 35 Talente Platz. Auch Wintzheimer hat noch ein Jahr in dem opulenten Neubau gewohnt, ehe es im Sommer mit Sack und Pack nach Hamburg-Lokstedt ging. „Ich wollte einfach etwas Neues probieren.“

    Eine erste Belohnung für seinen Eifer erhält Wintzheimer am 9. September, wenn ihm die bronzene Fritz-Walter-Medaille als drittbestes Fußballtalent seines Jahrgangs überreicht wird. „Das ist schon eine große Auszeichnung“, sagt Wintzheimer, dem spontan der Bronzemedaillengewinner von 2014 einfällt: Joshua Kimmich.

    Natürlich sei der ebenfalls ausgezeichnete Nationalspieler ein Vorbild für ihn, sagt Wintzheimer: 28.156 Follower bei Twitter, 536.572 Freunde bei Facebook und sogar ein ausführlicher Wikipedia-Eintrag. Aber vor allem: ein verdammt guter Fußballer. Doch Insta­gram-Facebook-Twitter hin, Wikipedia her: Gewinnen will Wintzheimer an diesem Mittwoch schon. Speziell gegen Kimmich. Und ganz allgemein gegen die Bayern. Gegen seine Bayern.