Hamburg. Das Toptalent verlängert seinen HSV-Vertrag bis 2020 ohne Ausstiegsklausel und verzichtet auf Bayern-Millionen.
Das Training am Freitagvormittag war schon eine gute Viertelstunde vorbei und alle Fußballer längst in der Kabine, als sich ein HSV-Profi immer noch geduldig Meter für Meter durch die Fans nach vorne arbeitete. Minutenlang nahm sich Fiete Arp, die Stutzen heruntergekrempelt, die verschwitzten Haare im Gesicht, für jeden Anhänger Zeit, ließ unzählige Handyfotos von sich machen und musste vor allem immer wieder unterschreiben. Hier ein Autogramm auf ein T-Shirt, dort eine Signatur auf eine Mütze und zwischendurch immer wieder die Frage, ob er denn nicht auch einen neuen HSV-Vertrag unterschreiben könnte.
Die noch vor Kurzem nicht für möglich gehaltene Antwort ließ tatsächlich nicht lange auf sich warten: „Fiete verlängert“, twitterte die Medienabteilung des HSV eine halbe Stunde später und bestätigte damit die Gerüchte, die sich schon am Vortag herumgesprochen hatten: Bereits am Donnerstagnachmittag hatten sich der HSV und Arp auf eine Vertragsverlängerung um ein Jahr bis 2020 geeinigt. Eine Nachricht, die vor allem deshalb in die Kategorie „Sensation“ einzuordnen war, weil sich der umworbene Jungprofi damit vorerst gegen einen ihm seit Monaten vorliegenden Vierjahresvertrag beim Branchenführer FC Bayern entschieden hatte, der Arp dem Vernehmen nach 20 Millionen Euro garantiert hätte.
Unmoralisches Angebot
„Ich sach mal, mit dem Abstieg diesen Club zu verlassen, war für mich nie eine Option“, sagte Arp am Freitag im besten „Uns Uwe“-Duktus, wobei der 18 Jahre alte Jungprofi dabei nur die Hälfte verriet. Denn der seit Wochen diskutierte Wechsel zum FC Bayern war durchaus eine Option, die aufgrund des unmoralischen Angebots auch sehr verständlich schien. Allerdings: Zur ganzen Wahrheit gehört eben auch, dass Arp den Bayern zwar vor Monaten mündlich zugesagt hatte, aber nur unter der Voraussetzung, zunächst weiterhin beim HSV spielen zu dürfen. „Für mich war früh klar, dass dieser Weg hier beim HSV für mich noch nicht beendet ist“, sagte der Abiturient, der sich nach vielen Gesprächen nun gegen das Bayern-Angebot entschied. „Gerade in so einer harten Zeit kann und will man sich nicht vom HSV trennen, sondern dem Club das zurückgeben, was er verdient hat.“
Arprakadabra. Damit hatte Neu-Sportchef Ralf Becker eine Nachricht aus dem Hut gezaubert, mit der noch vor Tagen kaum jemand gerechnet hatte. „Natürlich ist Fiete Fußballprofi und verdient auch beim HSV gutes Geld. Aber sein Bekenntnis für seinen Club und seine Stadt ist im Profifußball tatsächlich sehr außergewöhnlich“, sagte Becker im Gespräch mit dem Abendblatt. „Am Ende ist das ein ganz großes Zeichen für uns alle, dass so eine Identifikationsfigur wie Fiete trotz der Möglichkeiten, die sich ihm jetzt geboten haben, bei uns bleibt.“
Gehalt von unter einer halben Million Euro
Was Becker nicht sagte: Nach Abendblatt-Informationen haben Arp und dessen Berater Jürgen Milewski sogar darauf verzichtet, sich eine Ausstiegsklausel für den kommenden Sommer garantieren zu lassen. Mehr noch: In der kommenden Saison gehört Arp trotz der überraschenden Verlängerung mit einem Jahresgehalt von unter einer halben Million Euro noch immer zu den Geringverdienern beim HSV, ehe sein Gehalt erst in der Saison 2019/2020 die Millionengrenze überschreitet. Mindestens genauso wichtig wie das Gehalt ist für Becker aber die Gewissheit, dass er in diesem Sommer die Planungen für die Offensive damit als erledigt beenden kann. Und Trainer Christian Titz darf sich freuen, neben dem erfahrenen Pierre-Michel Lasogga (26), mit Neuzugang Manuel Wintzheimer (19) und eben Arp (18) die wahrscheinlich talentiertesten U-20-Stürmer Deutschlands im Kader zu haben.
Titz selbst gilt als entscheidendes Puzzleteil in der arpschen Entscheidung, beim HSV zu bleiben. „Wir haben ein sehr vertrautes Verhältnis. Er hat zwei Jahre unter mir in der U17 gespielt und war mein Kapitän“, sagte der Trainer vor Wochen, als ein Verbleib Arps noch als äußerst unwahrscheinlich galt. Wer Arps ungewöhnliche Entscheidung verstehen will, der muss ein knappes Jahr zurückschauen. Damals, noch vor seinem ersten Bundesligaspiel, gab der Stürmer dem Abendblatt sein erstes Interview überhaupt. Und auf die Frage, ob er ein Vorbild habe, antwortete Arp ohne zu zögern: „Harry Kane. Der hat alle Jugendteams in seinem Club durchlaufen, ist in seinem Verein Profi und sogar Torschützenkönig geworden.“ Arp, der selbst auf der Playstation immer Harry Kane und die Tottenham Hotspur aussucht, geriet regelrecht ins Schwärmen: „Innerhalb von drei Jahren hat Kane jeden Schritt gemacht, von dem man als junger Spieler träumt.“
Arp lehnte eine Tottenham-Anfrage ab
Diese Schritte will nun auch Arp gehen. Und dabei darf man es durchaus als Ironie des Schicksals bezeichnen, dass der im vergangenen Jahr zum besten U-17-Fußballer ausgezeichnete Torjäger vor den Bayern im Winter ausgerechnet eine Anfrage von Kanes Hotspurs ablehnte. Tottenham, Bayern München und der Rest der Fußballwelt dürfen sich gerne in der Zukunft wieder melden, die Gegenwart gehört dem HSV. „Es verbindet von Jahr zu Jahr mehr, durch das, was man erlebt“, sagte Arp am Freitag. „Wir haben jetzt mit dem Abstieg eine ganz schlechte Erfahrung gemacht, das war auch für die Fans die Hölle. Das lässt sich nur irgendwie mit dem Gewissen vereinbaren, wenn man versucht, es wieder gutzumachen, und zum Erfolg beiträgt.“
Ein erster Schritt ist getan.