Glücksburg. Spontane Abreise aus Glücksburg sorgt für Ärger. Der HSV bleibt auf Kosten sitzen – und denkt über Umgang mit enttäuschten Fans nach.

Es hätte ein guter Tag werden können für Ralf Becker. Der neue Sportvorstand des HSV konnte am Montag bestätigen, dass ein wichtiger Transfer kurz vor der Finalisierung steht. Der Brasilianer Walace, den der Club unbedingt verkaufen will, wird zu Hannover 96 wechseln. Das große Missverständnis ist damit beendet. Und der HSV, der im Januar 2017 noch knapp zehn Millionen Euro für den Olympiasieger zahlte, macht zwar mal wieder ein Verlustgeschäft, bekommt von Hannover aber immerhin noch eine Art Schmerzensgeld von sechs Millionen Euro. Eine große Baustelle ist für Becker damit geschlossen.

Und doch wirkte der Manager sichtlich geknickt, als er am Montagmittag im Strandhotel Glücksburg mit den Medien sprach. Becker musste erklären, warum sich der HSV dazu entschieden hatte, das sechstägige Trainingslager nach nicht einmal 24 Stunden wieder abzubrechen und sich im wahrsten Sinne des Wortes vom Acker zu machen. Es ging um den Rasen. Genauer gesagt um die schlechte Qualität des Rasens auf den zwei Sportplätzen der Marineschule Mürwik, auf dem der HSV den ersten Schliff für die kommende Zweitligasaison legen wollte.

„Der Trainingsplatz konnte leider trotz vorangegangener Bearbeitung in keinen angemessenen Zustand gebracht werden“, sagte Becker und erklärte: „Er birgt stellenweise ein nicht unerhebliches Verletzungsrisiko, das wir so nicht eingehen können, denn die Gesundheit unserer Spieler steht über allem.“ Gleichzeitig verbreitete der HSV Bilder von einigen Stellen des Platzes, auf denen der Rasen tatsächlich wie ein löchriger, holpriger Acker wirkte. „Wir brauchen für unsere Vorbereitung optimale Rasenbedingungen“, sagte Trainer Christian Titz und bat um Verständnis.

Co-Organisator widerspricht Titz

Zur tatsächlichen Qualität des Rasens gab es jedoch noch eine andere Meinung. Jürgen Muhl vom Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag, der das Trainingslager gemeinsam mit einer Hamburger Agentur organisiert hatte, war über die spontane Abreise des HSV „sehr enttäuscht“, wie er dem Abendblatt sagte. Muhl, der seit Jahren mit dem HSV zusammenarbeitet, schrieb auf shz.de von einem „Alleingang“ von Trainer Titz und von einem „ordentlichen Zustand“ des Platzes.

Doch selbst die Spieler des HSV sahen das offenbar anders. Bereits am Sonntagabend waren drei Spieler aus dem vorläufigen Mannschaftsrat nach der Ankunft zur Kasernenanlage gefahren, um den Rasen zu begutachten. Die Profis waren skeptisch, wollten die Entscheidung aber auf den nächsten Morgen vertagen. Nach der ersten Krafteinheit am Montag war dann klar: Der HSV bricht das Lager ab. Bereits am Abend trainierte die Mannschaft wieder im Volkspark. Dort wird Trainer Titz auch in den kommenden Tagen mit seinem Team arbeiten.

HSV hatte Sorge wegen des Wetters

Zurück bleibt neben 35 leeren Zimmern im Strandhotel Glücksburg vor allem die Frage, warum der HSV erst am Montag reagierte. Dass der Platz in einem mäßigen Zustand war, wussten die Verantwortlichen bereits seit zwei Wochen. Deswegen schickte der HSV in der vergangenen Woche seine beiden Greenkeeper nach Glücksburg. Gemeinsam mit dem Platzwart der Kaserne sowie dem Rasenmeister des Golfclubs Glücksburg versuchten sie den Platz in einen optimalen Zustand zu bringen. Der Rasen sei ausreichend hergerichtet, sagten die Organisatoren.

Doch der HSV und insbesondere Trainer Titz hatten eine andere Sicht der Dinge. Vor allem die Wetterprognose machte den Hamburgern Sorgen. In den kommenden Tagen müsste der Platz bei steigenden Temperaturen häufig bewässert werden. Schon nach der ersten Bewässerung soll es zu sumpfigen Stellen gekommen sein. Bereits am Sonntag prüfte der HSV Alternativen, etwa den Platz von Regionalligist Weiche Flensburg. Doch ein Umzug sei nicht möglich gewesen, ließen die Hamburger wissen.

HSV will Fehlplanung aufarbeiten

Nun stellt sich die Frage nach der Verantwortlichkeit. Offiziell ist die organisierende Agentur für die Bedingungen zuständig. Mit der Platzpflege hatte diese aber nichts zu tun. Der HSV bleibt auf den Kosten von rund 50.000 Euro sitzen, die er durch die Einnahmen von zwei Testspielen aber decken kann. „Die Abläufe, die zu diesem Umstand geführt haben, müssen wir aufarbeiten“, kündigte Becker an.

Schon vor einem Jahr hatte der HSV ein Trainingslager kurzfristig wegen schlechter Rasenqualität abgesagt. Damals hatte die Ärzte-WM den Platz im österreichischen Bad Leogang ramponiert. Der HSV zog kurzfristig nach Längenfeld und entschuldigte sich bei den Fans, indem er zweimal einen Shuttleservice in das Ötztal anbot. Wie der Verein nun mit den Fans umgeht, die auf ihren Stornierungskosten sitzen bleiben oder in der Woche nichts vom HSV sehen werden, wollen sich die Verantwortlichen überlegen.

Das HSV-Testspiel am Freitag in Büdelsdorf (18.30 Uhr) findet in jedem Fall statt. Organisator: Jürgen Muhl. PS: Der Rasen im Eiderstadion soll sich in einem guten Zustand befinden.

Der HSV-Sommerfahrplan 2018

21. und 22. Juni

Laktat- und Leistungstests.

23. Juni

Erstes öffentliches Training am Volksparkstadion.

24. bis 25. Juni

Trainingslager im Strandhotel Glücksburg (eigentlich bis 29. Juni, am 25. Juni aber abgebrochen).

29. Juni

Testspiel beim Landesligisten Büdelsdorfer TSV. Ergebnis: 18:0.

4. Juli

Testspiel gegen Oberligameister TuS Dassendorf (Stadion Sander Tannen in Bergedorf). Ergebnis: 10:0.

6. Juli

Testspiel gegen den dänischen Erstligisten Aarhus GF (Volksparkstadion/nicht öffentlich). Ergebnis: 1:5.

8. bis 14. Juli

Trainingslager in Bad Erlach (Österreich).

11. Juli

Testspiel gegen den russischen Vize-Meister ZSKA Moskau in Draßburg. Ergebnis: 1:0.

14. Juli

Testspiel beim österreichischen Rekordmeister SK Rapid Wien. Ergebnis: 2:1.

21. Juli

Blitzturnier in Meppen mit Spielen gegen den Drittligisten SV Meppen und Englands Premier-League-Absteiger Stoke City. Ergebnis: jeweils 2:1.

28. Juli

Saisoneröffnung mit dem vierten Volksparkfest und dem Spiel gegen Frankreichs Vizemeister AS Monaco. Ergebnis: 3:1.

3. August

Auftaktspiel 2. Bundesliga gegen Holstein Kiel (20.30 Uhr).

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