Titz glaubt an den Klassenerhalt. 2000 Fans überraschen Mannschaft. Einsatz von Müller noch unklar. Großes Lob von Seeler und Sammer.
HSV steht vor Verlängerung mit Trainer Christian Titz
Kurz vor dem entscheidenden Bundesliga-Spieltag hat sich Vereinslegende Uwe Seeler für den Verbleib von Christian Titz ausgesprochen, auch Matthias Sammer – künftiger Berater von Borussia Dortmund – lobt den Nachfolger von Bernd Hollerbach in höchsten Tönen (siehe unten). Nun stimmt die Vereinsführung in den Jubelchor um Titz ein: Der HSV steht kurz vor einer Vertragsverlängerung mit dem Cheftrainer – auch im Falle eines Abstiegs in die zweite Liga.
"Aufsichtsrat und Vorstand sind sich einig, dass die Zusammenarbeit mit Trainer Christian Titz ligaunabhängig fortgesetzt werden soll", sagte Aufsichtsratsvorsitzender Bernd Hoffman. "Es geht nur noch um abschließende Detailfragen, die nach der Saison geklärt werden, um den aktuellen sportlichen Fokus nicht zu stören", ergänzte Vorstand Frank Wettstein. Das soll auch in der Mannschaft ein Zeichen setzen und zugleich Aufforderung sein: Zeigt, dass ihr mit eurem Coach Berge versetzen könnt!
Nachdem 2000 Fans am Donnerstagvormittag zum Training des Tabellen-17. gepilgert waren, Mannschaft und Trainer ausgiebig gefeiert und besungen hatten, war wohl auch Restvorstand Frank Wettstein und Aufsichtsratschef Bernd Hoffmann klar: Von diesem Coach können wir uns nicht trennen. Noch vor Wochen hatte Hoffmann angedeutet, bei Abstieg einen anderen Trainer verpflichten zu wollen. Ihm schwebte ein namhafter Fußball-Lehrer vor, der schon hier und da seine Duftmarke hinterlassen hat. Jedoch, das weiß Hoffmann zur Genüge, ist gerade dieses Vorhaben regelmäßig in die Hose gegangen.
Titz freut sich über Fan-Auflauf im Volkspark
Die Szenerie wirkte skurril. Der finsterste Tag in der ruhmreichen Vereinsgeschichte des HSV steht womöglich unmittelbar bevor, doch rund um das Volksparkstadion herrschte am Himmelfahrtstag Volksfeststimmung. Rund 2000 Fans feierten die HSV-Profis und Trainer Christian Titz beim Training mit lautem Applaus und Sprechchören - es gab Autogramme und Selfies, Eiscreme und Bier.
"Ich fand es eine richtig tolle Aktion", sagte Titz mit einem strahlenden Lächeln im Anschluss bei der Spieltags-Pressekonferenz. Er habe nicht mit solch einem Auflauf gerechnet und fühle sich von der Unterstützung geschmeichelt. "Es zeigt die große Leidenschaft in der Stadt. Es ist sehr wichtig, dass wir einen zwölften Mann haben", sagte Titz, der vor Beginn des öffentlichen Trainings von Spalier stehenden Fans mit Sprechchören begrüßt worden war.
2000 HSV-Fans feiern Spieler beim öffentlichen Training
Die Aktion mag Titz in seiner Strategie bestätigen. So hatte er die Mannschaft vor dem entscheidenden Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach (15.30 Uhr/Sky und im Liveticker auf abendblatt.de) nicht etwa von Fans und öffentlichem Druck abgeschottet, sondern sie – ganz im Gegenteil – öffentlich Trainieren lassen und Fans sowie Familien der Spieler eingeladen. "Die Mannschaft einzusperren, das würde ich mir gar nicht anmaßen", sagte Titz. "Es ist gut, dass die Spieler merken, dass die Menschen an sie glauben. Das tut gut und gibt Selbstvertrauen."
Euphorie statt Endzeitstimmung beim HSV
Die triste tabellarische Realität, in der die Hamburger mit der schlechtesten Ausgangsposition in den Abstiegs-Showdown am letzten Spieltag starten und der Absturz in die Zweitklassigkeit die wahrscheinlichste Option ist, rückte bei all dem Trubel in den Hintergrund. Dabei ist die Situation der seit fünf Jahren am Abgrund wandelnden Hamburger so prekär wie nie, die legendäre Bundesliga-Uhr könnte nach 54 Jahren und 262 Tagen zum Stillstand kommen.
Titz' Optimismus ist trotz der äußerst kniffligen Ausgangssituation ungebrochen. "Wir erwarten eine großartige Atmosphäre", sagte der Trainer. "Wenn wir rausgehen, werden wir aber in einem Tunnel sein und uns vollkommen auf unsere Aufgabe konzentrieren."
Schafft es der HSV? "Ich glaube daran. Ja", sagte der 47-Jährige auf die Frage aller Fragen. Sieben Punkte betrug der Abstand zum rettenden Ufer, als Titz den HSV im März übernommen hatte. "Wenn mir jemand gesagt hätte, dass wir am letzten Spieltag wieder bis auf zwei Punkte dran sind, hätte ich das unterschrieben", sagte er.
"Nicht zu viele Spielstände durchgeben"
Doch am Sonnabend hängt es nicht mehr allein an der Leistung der Spieler, ob der HSV es noch in die Relegation schafft. Der HSV benötigt zwingend einen Sieg gegen Gladbach, gleichzeitig muss der VfL Wolfsburg daheim gegen den bereits als Absteiger feststehenden 1. FC Köln verlieren. "Ich denke, dass es ein Knistern und viel Spannung geben wird im Stadion, weil es eben auch um den Ausgang eines anderen Spiels geht", vermutet Titz.
Auf die Frage, ob er die Spieler während der Partie über die anderen Spiele auf dem Laufenden hält, zeigte er sich nur minder entschlossen. "Ich halte es nicht für ratsam, zu viele Spielstände im Stadion durchzugeben", sagte Titz. "Aber man wird es ohnehin nicht verhindern können. Sollte Köln etwa ein Tor gegen Wolfsburg erzielen, wird das Stadion beben."
Wird Nicolai Müller zu Beginn auflaufen?
Bevor es dazu kommt, muss der Trainer sich zunächst Gedanken über die Offensivpositionen im Feld machen. Kern der Diskussion ist dabei Nicolai Müller: Nach seinem Kreuzbandriss trainiert der 30-Jährige zwar wieder gut mit, "aber wir fragen uns schon, ob wir ihn gleich zu Beginn über die 90 Minuten spielen lassen können", sagte Titz. Bezüglich der Startaufstellung seien noch nicht alle Dinge final geklärt.
"Der richtige Mann": Seeler von Titz überzeugt
Clubidol Uwe Seeler hat sich unabhängig von der künftigen Ligazugehörigkeit des HSV für eine Weiterbeschäftigung von Trainer Christian Titz ausgesprochen. "Man sollte mit ihm weitermachen", sagte Seeler dem SID. Die letzten Spiele seien "überzeugend" gewesen. "Für einen Neubeginn im Sommer ist Titz der richtige Mann", sagte der 81-Jährige.
Für den Fall des Abstiegs fordert Seeler, alle Kräfte für den sofortigen Wiederaufstieg zu mobilisieren. "Ich hoffe, dass der Verein so schlau ist, eine schlagkräftige Truppe zusammen zu bekommen", sagte der Ehrenspielführer der Nationalmannschaft. Die 2. Liga sei ein "hartes Brot. Das Wichtigste wird es sein, direkt wieder hochzugehen".
Zwar habe Seeler, der in der Spielzeit 1963/64 mit 30 Treffern zum ersten Torschützenkönig der Bundesliga avancierte, noch immer eine gewisse "Resthoffnung" auf die erneute Last-Minute-Rettung. Doch es fehlt ihm der Glaube. "Ich bin realistisch. Es wird eine schwierige Angelegenheit und ich glaube nicht so recht daran", sagte Seeler, der am Sonnabend im Stadion sein wird und sich auch die Spiele in der 2. Liga live anschauen würde.
Unabhängig vom Ausgang des Saisonfinales rief Seeler die Fans zu friedlicher Unterstützung auf. "Ich hoffe, dass es keine Krawalle gibt. Alle sollen die Ruhe bewahren", sagte Seeler. Insgesamt sei er von den Fans "positiv überrascht, dass sie trotz der gezeigten Leistungen immer wieder ins Stadion gekommen sind".
Rückenwind: 2000 Fans überraschen den HSV
Rückenwind vor dem Abstiegs-Showdown: Der akut abstiegsgefährdete HSV geht mit viel positiver Energie in den letzten Bundesliga-Spieltag. Mehr als 2000 Fans kamen am Himmelfahrtstag zum Training in den Volkspark und feierten das Team mit lautem Applaus und Sprechchören. Vor Beginn des Trainings hatten die Fans für Trainer Christian Titz Spalier gestanden.
Die öffentliche Einheit ist Teil einer Charmeoffensive des Liga-Dinos. Im Angesichts des drohenden erstmaligen Bundesliga-Abstiegs der Vereinsgeschichte sagte der Club kurzfristig sein Geheimtraining ab und öffnete am Donnerstag seine Pforten. Am Dienstag hatten die HSV-Profis allen Kiebitzen ein Eis spendiert.
Als letztem verbliebenen Bundesliga-Gründungsmitglied droht den Hamburgern am Sonnabend der Absturz in die Zweitklassigkeit. Im Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach (15.30 Uhr/Sky und im Liveticker auf abendblatt.de) benötigt der HSV als Tabellen-17. zwingend einen Sieg, um noch die Chance auf den Relegationsplatz zu haben. Gleichzeitig muss der VfL Wolfsburg zuhause gegen den bereits als Absteiger feststehenden 1. FC Köln verlieren.
Holstein Kiel hofft auf Sondergenehmigung
Zweitligist Holstein Kiel hofft weiter auf eine Ausnahmegenehmigung für das heimische Holstein-Stadion im Falle des Bundesliga-Aufstiegs. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) hatte eine Spielerlaubnis für die rund 11.000 Zuschauer fassende Arena zunächst abgelehnt. „Wir haben Einspruch eingelegt und wollen unsere Pläne erläutern. Wir hoffen, dass wir Erfolg haben“, sagte Geschäftsführer Wolfgang Schwenke am Donnerstag. Einen Termin für die Überprüfung durch die DFL gebe es noch nicht.
Schwenke sieht durch die Stadiondiskussion keine Beeinträchtigung der Mannschaft vor den Relegationsspielen gegen den Drittletzten der Bundesliga. „Die Mannschaft verkraftet das. Sie möchte sich gern in der Bundesliga präsentieren und gibt alles dafür“, sagte Schwenke.
Die DFL hatte ihre Ablehnung mit der zu geringen Stadionkapazität begründet. Mindestens 15.000 Plätze muss eine Bundesliga-Spielstätte bieten. Die Kieler fragten vor einigen Tagen beim HSV nach. Dieser lehnte einen Umzug ins Volksparkstadion wegen Eigenbedarfs ab. Im Gespräch ist weiterhin das knapp 30.000 Zuschauer fassende Millerntor-Stadion des Zweitligisten FC St. Pauli.
Sammer: Gefühlt ist der HSV auf Platz zehn
Jetzt auch noch Matthias Sammer: Der künftige Berater von Borussia Dortmund lobt HSV-Trainer Christian Titz in den höchsten Tönen: „Gefühlt steht der HSV auf Rang zehn, gesichert. Dieses Gefühl hat sich der HSV mit Christian Titz hart erarbeitet. Das Team hat Willen und Charakter gezeigt“, sagte Sammer im Eurosport-Interview.
Titz kam im März als Nachfolger des erfolglosen Bernd Hollerbach. „Wenn der HSV das über die ganze Saison mit Christian Titz gezeigt hätte, wäre der HSV doch niemals in der aktuellen Situation“, meinte Sammer. Die Herangehensweise von Titz imponiere ihm, sagte der 50 Jahre alte ehemalige Nationalspieler. „Er verwaltet nicht, er lässt agieren. Ballbesitz, Offensive und Mut. Er lässt nicht konservativ defensiv agieren, er will nach vorne spielen. Diese Art und Weise gefällt mir.“
Was ein HSV-Abstieg für Hamburg bedeuten würde
Beim ebenfalls abstiegsbedrohten VfL Wolfsburg hofft Sammer, „dass der absolute Tiefpunkt erreicht ist. Es geht jetzt nicht mehr tiefer.“ Die Mannschaft mit dem namhaften Kader gehöre „doch niemals da hinten hin“, meinte er. „Wolfsburg ist für mich unerklärlich. Die Art und Weise, das Auftreten, diese Behäbigkeit."
Rouven Schröder bleibt in Mainz
Der HSV muss weiter suchen: Auch der Mainzer Sportvorstand Rouven Schröder (42) hat einem Wechsel endgültig eine Absage erteilt und bleibt Mainz 05 auch in der kommenden Saison treu.
„Ich habe mir in den vergangenen Tagen mit dem nötigen Abstand zu unseren dramatischen Spielen im Abstiegskampf viele Gedanken gemacht über den Weg des Vereins und meine eigene Situation“, räumte Schröder in einer Vereinsmitteilung ein. Er wolle nun aber „mit vollem Einsatz und voller Überzeugung“ beim FSV weiterarbeiten. Schröder hat bei den Rheinhessen einen Vertrag bis 2020. Der ehemalige Profi war 2016 von Werder Bremen zunächst als Sportdirektor und Nachfolger von Christian Heidel nach Mainz gewechselt. Seit Juli 2017 ist er Sportvorstand. Schröder hätte beim HSV Jens Todt nachfolgen sollen.