Marienfeld. Heribert Bruchhagen arbeitete für Hamburg und auch für den nächsten Gegner Frankfurt. Ein Heimatbesuch.

„Schauen Sie, hier vorne hat früher mein Vater abends sein Bier getrunken“, lenkt Heribert Bruchhagen den Blick beim Eintreten ins Restaurant Klosterstübchen, das zum Hotel Klosterpforte gehört, auf die gemütliche Bar. Der Vater hatte es nicht weit, wenn es mal mehr als ein Getränk wurde – das Haus in Marienfeld stand nur einen Steinwurf entfernt vom Hotel. Um zum Kindergarten und später zur Grundschule zu gelangen, brauchte der in Düsseldorf geborene kleine Heribert früher noch nicht einmal ein Fahrrad. Noch heute lebt Bruchhagen in seinem Revier im Münsterland, im 25.000 Einwohner zählenden Harsewinkel, unweit von Gütersloh.

Bruchhagen bestellt einen Kaffee, und seine Gedanken bleiben beim Sommer 2016 hängen, als er dem HSV während des Trainingslagers im Hotel Klosterpforte einen Freundschaftsbesuch abstattete. Seine 13-jährige Amtszeit bei Eintracht Frankfurt war gerade zu Ende gegangen. Mit Dietmar Beiersdorfer und Bruno Labbadia saß er genau hier zusammen, nichts ließ ihn das sich anbahnende Zerwürfnis erahnen. Doch dann musste erst Labbadia im September gehen, im Dezember war für Beiersdorfer Schluss – und plötzlich klingelte Bruchhagens Handy. Bei Anruf HSV.

Aufsichtsratsvorsitzender wollte Neuanfang

„Ich bin froh, dass das Rentner­dasein ein Ende hat“, sagte Bruchhagen am 14. Dezember 2016 bei seiner Vorstellung als Vorstandsvorsitzender des HSV. Nach fast 30 Jahren in der Bundesliga wirkte der damals 68-Jährige dankbar, nach einem halben Jahr Pause wieder tätig sein zu dürfen. Ausgesucht hatte ihn der damalige Aufsichtsratschef Karl Gernandt vor allem, um bei einem Abstieg in die Zweite Liga den Neuaufbau zu gestalten.

Alles Geschichte. Am 8. März dieses Jahres informierte ihn Bernd Hoffmann im Vorstandsbüro des Volksparkstadions über seine Freistellung. Der HSV hatte am Wochenende davor trotz klarer Überlegenheit nur ein 0:0 zu Hause gegen Mainz erreicht („Ein Schlüsselspiel“). Der neue Aufsichtsratsvorsitzende wollte einen Neuanfang. Am Nachmittag saß Bruchhagen im Auto Richtung Harsewinkel.

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Duell seiner Ex-Clubs

„Wenn in Hamburg die Ergebnisse nicht stimmen, werden die Köpfe aus­getauscht, warum sollte es mir anders gehen? Ich war zwar nicht für alles verantwortlich, aber ich trug die Gesamtverantwortung“, klingt Bruchhagen distanziert, dabei ist er alles andere als das. Seine Enttäuschung über sein Ende („Ich hätte gerne weitergemacht“) mag er nicht verbergen. Womöglich hätte er seine Zeit beim HSV verlängern können, hätte er Sportchef Jens Todt geopfert, wie es vonseiten des Aufsichtsrats mehrfach gefordert worden war. Doch er weigerte sich, verhielt sich loyal. Sprechen will er darüber nicht mehr.

Wenn der HSV am Sonnabend nun bei Eintracht Frankfurt die nächste schwere Hürde auf dem Weg zum Klassenerhalt nehmen will, ist es zugleich das Duell seiner Ex-Clubs. Zum Abschied schenkte ihm die Eintracht im Sommer 2016 zwei Ehrenkarten auf Lebenszeit. Deshalb wird Bruchhagen auch am Wochenende auf der Tribüne sitzen – und wem die Daumen drücken? „Ich hoffe auf einen HSV-Sieg, auch wenn mir die Eintracht natürlich auch am Herzen liegt“, sagt Bruchhagen.

Respekt vor Titz

Doch er ist zugleich viel zu sehr Realist, um sich Träumereien hinzugeben. „Es wird schwer für den HSV, den Klassenerhalt zu schaffen. Bis zum Wolfsburg-Spiel waren die Hamburger das schwächste Auswärtsteam der Bundesliga.“ Mit Respekt verfolgt er hingegen die Arbeit des neuen Trainers Christian Titz., der am 13. März die Nachfolge des glücklosen Bernd Hollerbach übernahm. „Bernd hatte allerdings mit Leipzig, Dortmund, Leverkusen und Bayern auch sehr schwere Gegner“, nimmt ihn Bruchhagen in Schutz.

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Natürlich hat Bruchhagen in den vergangenen Wochen häufig an die Ereignisse der vergangenen Monate gedacht. Zum Beispiel an die starke Rückrunde 2016/17 (Platz sieben), die ihn glauben ließ, dass der HSV in der kommenden Saison einen sicheren Mittelfeldplatz erreichen könnte. Und an sein Ziel, nach den Negativbilanzen seines Vorgängers ein positives Ergebnis für das Geschäftsjahr 2017/18 zu erreichen. Was er sich selbst vorwirft, ist, dass es ihm damals nicht gelang, einen der Großverdiener (Holtby, Ekdal, Hunt, Lasogga) zu verkaufen: „Ich habe nicht umsetzen können, was ich mir vorgenommen hatte.“

Groll ist ihm fremd

Zwar wirkt Bruchhagen auch erleichtert, dass er nun einige Gespräche mit handelnden Personen nicht mehr führen muss, doch Groll ist ihm fremd: „Ich habe meinen Frieden mit dem HSV geschlossen und möchte auch in Zukunft ein freundschaftliches Verhältnis zu allen Protagonisten führen.“ Auch Bernd Hoffmann wirft er nichts vor – dieser habe ihn schon kurz nach der Mitgliederversammlung am 18. Februar über seine Pläne informiert.

Passend dazu wird es auch keine (öffentlichen) Auseinandersetzungen geben bezüglich seines Vertrags, der im Dezember 2017 bis Juni 2019 verlängert worden war. Von Anfang an war eine – für den Verein sehr faire – Lösung im Fall einer Trennung vereinbart. Und wie geht es nun mit ihm weiter? In diesem Jahr will Bruchhagen keine Anstellung mehr annehmen. Am 4. September feiert er seinen 70. Geburtstag. Anders als noch vor eineinhalb Jahren kann sich Bruchhagen sehr wohl vorstellen, dem Profifußball dauerhaft den Rücken zu kehren: „Ja, ich denke, das war es für mich.“ Zumindest hauptberuflich.

Einladung für den „Doppelpass“

Am Sonntag hat er eine Einladung für den „Doppelpass“ (Sport1) angenommen, während der WM wird er mit Moderator Jörg Wontorra zwei Wochen auf der MS „Europa 2“ die Gruppenphase kommentieren. Und außerdem plant Bruchhagen (Handicap 17) einige Auftritte bei den „Gofus“, den Golf spielenden Fußballern, die für den guten Zweck aufteen. So ganz ohne etwas Rundes geht es eben auch mit fast 70 Jahren noch nicht.