Hamburg. Immer wieder hat es in der Bundesliga wundersame Rettungen vor dem Abstieg gegeben. Der HSV erinnert sich an 2011.

„Das Wunderbarste an den Wundern ist, dass sie manchmal wirklich geschehen.“ Gilbert Keith Chesterton (englischer Schriftsteller)

Fünf Punkte Rückstand, nur noch drei Spiele, die Lage ist aussichtslos. Der erstmalige Abstieg aus der Fußball-Bundesliga, unvermeidlich. Da muss man doch nur seinen Verstand einschalten, wie soll das noch gehen? Aber: „Fußball ist nicht logisch“, sagt Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler. Aus dieser Erkenntnis schöpft der HSV vor dem Auswärtsspiel am Sonnabend beim VfL Wolfsburg. Oder ist es sogar Zuversicht? Auf die unwahrscheinliche Rettung? „Borussia Mönchengladbach hat es uns vorgemacht“, sagt der Direktor Sport Bernhard Peters. „Das ist unser großes Beispiel, dass wir es auch schaffen können.“

Es war die Saison 2010/1111, als sich die Borussia noch rettete, obwohl sie zwischen dem 13. und 30. Spieltag Letzter war. Nach 28 Spieltagen hatten sie neun Punkte Rückstand auf Eintracht Frankfurt, aber am Ende stiegen die Hessen mit dem FC St. Pauli ab. Mönchengladbach rettete sich in die Relegation und setzte sich dort gegen den VfL Bochum durch. Der Schweizer Trainer Lucien Favre hatte nach dem 22. Spieltag den entlassenen Michael Frontzek abgelöst. In den letzten vier Spielen gelangen drei Siege und ein Unentschieden. „Wir alle zusammen haben ein Wunder geschafft“, sagte der gefeierte Favre nach dem Klassenerhalt.

Frankfurts Rettung 1999 ist bis heute legendär

Es war nicht das erste Wunder, es wird nicht das letzte bleiben in der Bundes­liga. 1977 hatte der 1. FC Saarbrücken nach 27 Spieltagen fünf Punkte Rückstand auf die rettenden Plätze. Damals galt noch die Zwei-Punkte-Regel. Aus den letzten sieben Spielen aber holten die Saarländer vier Siege und zwei Unentschieden. Darunter am 30. Spieltag ein 6:1-Sieg gegen Bayern München, von dem sie sich an der Saar heute noch erzählen.

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Legendär ist angesichts der besonderen Dramatik auch die Rettung von Eintracht Frankfurt am letzten Spieltag der Saison 1998/1999. Dieser 29. Mai 1999 bot bis heute das dramatischste Finale der Bundesligageschichte. Es gab keine Relegation, Bochum und Mönchengladbach standen als Absteiger schon fest. Frankfurt hatte die letzten drei Spiele gewonnen und sich damit die theoretische Chance auf den Klassenerhalt erarbeitet.

Selbstmord von Torwart Robert Enke

In einem unfassbar spannenden Heimspiel gegen Kaiserslautern schoss Jan-Aage Fjörthoft nach einem „Übersteiger“ in letzter Minute das Tor zum 5:1-Sieg und weil der 1. FC Nürnberg gleichzeitig sein Heimspiel gegen Freiburg 1:2 verlor, stiegen die Franken ab. Als die Eintracht vor zwei Jahren mit dem damals neuen Trainer Niko Kovac wieder in höchster Abstiegsgefahr schwebte und sich schließlich in der Relegation rettete, galt das „Wunder von 1999“ als Motivation: „Wir waren mit der Mannschaft im Museum und haben uns angeschaut, was möglich ist“, erzählte Kovac.

Hannover 96 litt 2009/2010 unter dem Trauma des Selbstmordes von Torwart Robert Enke im November 2009. Die Mannschaft erlitt in den folgenden zwölf Partien elf Niederlagen und spielte einmal 0:0. Erst am 25. Spieltag gelang wieder ein Sieg. Mirko Slomka hatte am 19. Spieltag Trainer Andreas Bergmann abgelöst. Durch einen 3:0-Sieg im direkten Abstiegsduell gegen den VfL Bochum gelang 96 am letzten Spieltag der Saison dennoch der Klassenerhalt.

Slomka fand den richtigen Zugang

„Das Pro­blem war, Trauer zuzulassen und gleichzeitig Tag für Tag zu funktionieren. Das war ein Zwiespalt, den wir lange nicht gelöst haben“, erinnerte sich der damalige 96-Sportchef Jörg Schmadtke. Dennoch hatte Slomka offenbar den richtigen Zugang gefunden, durchaus ein „Wunder“, psychologisch: „Darf ich im Training lachen, darf ich nach einem Tor jubeln, darf ich mich über einen Punkt freuen? Den Spielern klarzumachen, dass man das darf, war meine größte Schwierigkeit.“

Der Dino bleibt

Die HSV-Profis Sead Salihovic und Sven Schipplock retteten sich unter Ex-HSV-Trainer Markus Gisdol 2013 auf wundersame Weise am letzten Spieltag mit der TSG Hoffenheim in die Relegation. Seit dem 23. Spieltag hatten die Kraichgauer immer auf Platz 17 gestanden und zehn Spieltage vor Saisonschluss nur 16 Punkte. Gisdol löste am 28. Spieltag Huub Stevens ab und holte elf Punkte. Durch zwei Elfmeter von Salihovic gelang am letzten Spieltag ein 2:1-Auswärtssieg bei Borussia Dortmund.

An Wunder glauben

Als auch noch Dortmunds Ausgleichstreffer in der 90. Minute, der zum Abstieg geführt hätte, wegen Abseits aberkannt wurde, war das „kleine Wunder, das man so in kein Drehbuch schreiben kann“ (Kapitän Andreas Beck) geschafft. Sven Schipplock, damals Einwechselspieler, erinnert sich: „Ich habe noch nie so viel
Adrenalin im Körper gespürt.“

An Wunder muss man glauben. Dann können sie passieren. Der Gladbacher Mike Hanke verriet nach der Rettung 2011: „Alle waren damals total positiv gestimmt. Die Fans, der gesamte Verein. Alle haben gesagt: Wir schaffen das! Diese positive Stimmung hat uns getragen.“ Dem HSV muss er das nicht erzählen.