Hamburg. Der Club hat die Lizenzunterlagen für die Zweite Liga eingereicht. Nach Einbruch im VIP-Verkauf wäre ein Wiederaufstieg Pflicht.

Mit Fristen hat der HSV so seine Erfahrungen. 2011 zum Beispiel. Da sollte Ex-Stürmer Eric-Maxim Choupo-Moting am letzten Tag der Transferfrist zum 1. FC Köln wechseln. Doch weil das entsprechende Fax zwölf Minuten zu spät bei der DFL eintraf, platzte bekanntlich der Deal. Fünf Jahre später war es eine E-Mail, die zu spät kam. Der HSV wollte Sekou Sanogo aus Bern verpflichten, war am letzten Tag des Transferfensters aber erneut einen Tick zu spät. Nicht zwölf, sondern vier Minuten. Doch zu spät ist zu spät.

Und gelernt ist gelernt. So war HSV-Alleinvorstand Frank Wettstein am Dienstag, dem letzten Tag, um bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) sämtliche Unterlagen für die Zweite Liga einzureichen, ganz entspannt. Der Grund: Wettstein und der HSV hatten alle Zahlen und Fakten bereits vor dem langen Osterwochenende abgeschickt.

Eine andere Frist hat den HSV-Chefs rund um die Ostertage dagegen sehr viel größere Kopfschmerzen bereitet. Nach Abendblatt-Informationen haben fristgerecht zum 31. März rund 40 Prozent der VIP-Fans bei HSV-Vermarkter Lagardère gekündigt. „In einer sportlich schwierigen Situation ist es üblich, dass zunächst vom vertraglichen Kündigungsrecht Gebrauch gemacht wird“, beschwichtigt der HSV zwar auf Nachfrage. Was der Club allerdings nicht mitteilt: Noch nie zuvor war die Kündigungsquote derart hoch.

Dem HSV fehlen knapp 10 Millionen

Zum Vergleich: In guten HSV-Zeiten, als der Club noch regelmäßig europäisch spielte, gab es zum 31. März eine Kündigungsquote von 15 bis zu im schlechtesten Fall 25 Prozent. Dass diese in den Abstiegskampfjahren so nicht zu halten sein würde, war klar. Doch mit 40 Prozent Kündigungen hatte beim HSV trotz des Dauerabstiegskampfs vor Monaten noch kaum einer gerechnet.

Um die wirkliche Bedeutung zu verstehen, braucht man kein Faxgerät, aber ein kleines Mathematikstudium. Denn: Neben den 40 Prozent weniger verkauften Karten und Logen müsste der Club im Abstiegsfall ja auch noch die Preis­reduktion beim Rest von 20 Prozent einrechnen. Bei Gesamteinnahmen in diesem Bereich von rund 14 Millionen Euro könnte der HSV im schlimmsten Abstiegsfall in der kommenden Saison nur noch mit Einnahmen von rund 4,5 Millionen Euro rechnen.

Im besten Abstiegsfall lässt sich der eine oder andere Edel-Fan nach einem ordentlichen Zweitligastart wieder versöhnen und kauft verspätet doch VIP-Dauerkarten. Das „Best-Case-Szenario“ für die Einnahmen im VIP-Bereich soll dann bei rund sieben Millionen Euro liegen.

HSV kann sich nur ein Jahr Zweite Liga leisten

Doch trotz der alarmierenden Kündigungszahlen bleiben die HSV-Verantwortlichen zuversichtlich, dass man die Finanzierung einer Zweitligasaison mit Blut, Schweiß und Tränen hinbekommen würde. Innerhalb der nächsten beiden Wochen erwartet der HSV ein Antwortschreiben der DFL, in dem die erwarteten Bedingungen und Auflagen für den Fall des Abstiegs mitgeteilt werden. Diese müsste der HSV – im Zweifel durch Bürgschaften – bis zum 23. Mai erfüllen. „Wir antizipieren, dass wir die Lizenz bekommen“, hatte Alleinvorstand Frank Wettstein bereits vor Wochen gesagt – und dürfte Wort halten.

Möglicherweise traurig, aber wahr: Ein Jahr in der Zweiten Liga dürfte sich der HSV leisten können. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht: Ein zweites Jahr in der Zweiten Liga könnte sich der Club definitiv nicht leisten.

Denn unabhängig vom bevorstehenden Abstieg droht dem HSV 2019 ein Jahr voller finanzieller Kraftakte, die in der Bundesliga zu bewältigen wären. In der Zweiten Liga aber eher nicht.

Hauptsponsor Emirates will Bundesliga-Fußball

Kraftakt Nummer eins: Ende September 2019 muss der Club die 17,5 Millionen Euro für die Fananleihe zurückzahlen, die 2012 mit einer Verzinsung von sechs Prozent emittiert wurde. Kraftakt Nummer zwei: Im Sommer des nächsten Jahres läuft auch der Hauptsponsorvertrag mit Emirates aus. In der Zweiten Liga zahlt die Fluggesellschaft ohnehin nur noch fünf statt bislang 7,5 Millionen Euro. Doch selbst zu vergünstigten Bezügen soll eine Verlängerung ohne Aufstieg für die Emirates-Verantwortlichen kaum vorstellbar sein.

Und last but not least: Kraftakt Nummer drei. Auch die Namensrechte am Stadion, für die Klaus-Michael Kühne seit 2015 jährlich vier Millionen Euro zahlt, laufen im Juli 2019 aus. Dass sich eine Firma findet, die wie einst AOL, die Nordbank oder Imtech jährlich Millionen investiert, gilt als nahezu ausgeschlossen. Intern geht man davon aus, dass die Namensrechte nach der noblen Kühne-Geste von einst kaum noch vermittelbar sind. Denn: Welche Firma will die Rolle des „Bad Guys“ übernehmen, der aus dem geliebten Volksparkstadion wieder eine XYZ-Arena macht?

Lange Rede, kurzer Sinn: Der HSV wäre nach einem Abstieg zum sofortigen Wiederaufstieg verdammt. Bei NDR 90,3 verriet Wettstein am Dienstag, dass der Club dieses Szenario in seinem Finanzplan für die kommende Saison bereits einkalkuliert habe. Was passieren würde, sollte dieses Unternehmen nicht gelingen? Darüber will im Volkspark noch niemand sprechen. Schließlich ist der HSV ja auch noch nicht abgestiegen. Die nächste Frist zum Punktesammeln für das Tabellenschlusslicht endet am Sonnabend um 20.20 Uhr. Der Gegner dann: Schalke 04.