Der HSV-Trainer wird seine Elf weiter verjüngen – auch weil sich der Verdacht auf Kreuzbandriss bei van Drongelen nicht bestätigt hat.
Hamburg. Freudestrahlend und mit einem Tablett voller Backwaren in der Hand ging Christian Titz nach dem Auslaufen am Ostersonntag in die Kabine zu seinen Spielern. Die kleine Aufmerksamkeit anlässlich seines 47. Geburtstag war tatsächlich kein Aprilscherz. „Ein bisschen Zucker ist ab und zu auch mal ganz gut für den Kopf“, sagte der HSV-Trainer.
Gut gelaunt war Titz allerdings nur wegen seines Ehrentages, denn das 1:1 beim VfB Stuttgart hatte er auch am Tag danach noch nicht verdaut. „Wir wollten drei Punkte holen, weil wir wissen, dass uns nur Siege weiterbringen.“ Die Chancen auf den Klassenerhalt, mittlerweile vergleichbar mit einem mittelschweren Fußballwunder, schwinden von Woche zu Woche. Doch ans Aufgeben denkt der Trainer des Tabellenletzten noch lange nicht.
„Wenn du mal drei Punkte holst, kannst du auch wieder ein Stück heranrücken. So etwas setzt Kräfte frei und ist auch wichtig für die Psyche, weil Selbstvertrauen dazukommt. Diese Hoffnung dürfen wir nicht aufgeben, sonst würden wir uns selbst aufgeben und dann würden die Spiele nicht so verlaufen wie zuletzt“, sagt Titz, der es als positiv empfand, dass auch die Spieler über das Unentschieden beim VfB verärgert waren, ohne dabei enttäuscht zu sein.
Titz: Youngster spielen aus sportlichen Gründen
Wie schon bei seinem Debüt gegen Berlin wirbelte Titz auch in Stuttgart seine Startelf kräftig durcheinander. Getreu nach dem Motto: Jugend forscht. Diesmal überraschte der Kurpfälzer mit Mohamed Gouaida (24), der drei Jahre beim HSV außen vor war und sich währenddessen auch nicht in der Zweiten Liga beim KSC oder in der Schweiz bei St. Gallen durchgesetzt hatte.
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Dass Titz außerdem erneut Matti Steinmann (23) als alleinigen „Sechser“ und Abwehrtalent Stephan Ambrosius (19) in der Innenverteidigung als Gegenspieler von Nationalstürmer Mario Gomez aufbot, war im Vorfeld bereits erwartet worden. Dennoch wurde durch diese drei Personalien der Eindruck bekräftigt, dass der neue HSV-Trainer bereits einen Testlauf für die kaum noch abzuwendende Zweite Liga startet. Eine Interpretation, gegen die sich Titz mit aller Macht wehrt.
„Solche Gedanken spielen in meinem Kopf keine Rolle. Ich treffe Entscheidungen aus Überzeugung, aus sportlichen Gründen und nicht, weil ich etwas experimentieren will. Wenn man in eine Situation hereinkommt, in der man so abgeschlagen ist wie wir, sollte man auch Dinge verändern. Wir wollten neue Impulse in die Mannschaft bringen: Mehr Ballbesitz, höher verteidigen, höher stehen. Die jungen Spieler haben sich in den Trainingseinheiten angeboten“, rechtfertigt sich Titz, der aber auch Vorteile einräumt, viele junge Spieler schon länger als die vor seiner Zeit etablierten Profis zu kennen. „Das heißt aber auch nicht, dass die Tür für alle anderen geschlossen ist.“
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Verdacht auf Kreuzbandriss bei van Drongelen
Beim nächsten Heimspiel gegen Schalke wird Titz seine Mannschaft voraussichtlich weiter verjüngen. Diesmal allerdings zwangsweise, weil Gideon Jung (23) nach seiner 5. Gelben Karte pausieren muss. Dass der Defensiv-Allrounder vermutlich durch den vier Jahre jüngeren Rick van Drongelen ersetzt wird, war unmittelbar nach dem Stuttgart-Spiel noch bezweifelt worden. Nach einer unglücklichen Streckung des Knies wurde zwischenzeitlich sogar ein Kreuzbandriss vermutet. Doch am Sonntag gab Titz Entwarnung.
„Auch wenn es danach aussah, hat sein Kreuzband zum Glück nichts abbekommen. Trotzdem hat er eine sehr schmerzhafte Verletzung. Weil seine Knochen in der 88. Minute aneinander gerieben sind, hat sich Flüssigkeit im Knie gebildet. Wir müssen bei ihm abwarten, aber unser Arzt hat gesagt, dass er gegen Schalke durchaus spielen kann“, sagte der HSV-Coach.
Titz gegen den allgemeinen Trend
Somit steht sein Projekt Jugend forscht vor der nächsten Episode. Dabei ist es durchaus ungewöhnlich, dass ein Verein im Abstiegskampf eine Verjüngungskur vorantreibt. „Wenn man unten steht, scheuen sich die Trainer in der Regel noch mehr, junge Spieler einzubinden, weil sie nicht wissen, wie sie auf den mentalen Druck reagieren. Ich muss aber feststellen, dass die Jungs das beeindruckend gelöst haben“, sagt Titz.
Während das Durchschnittsalter seiner ersten Elf immer jünger wird, ist der Trainer ein Jahr älter geworden. Auf Backwaren zur Mittagszeit soll am Abend noch ein Essen mit Freunden folgen. „Dann werde ich auch mal anstoßen“, gesteht Titz – der Mann, der den Umbruch beim HSV vorantreibt.