Hamburg. Ordner und Polizisten verhindern einen Platzsturm. Chaoten drohen den Spielern Gewalt an. Warum das Plakat nicht entfernt wurde.

Als die Profis nach einem einstündigen Waldlauf zurückgekehrt waren, war der Arbeitstag für sie beendet. Von dem ursprünglichen Plan, Teile der Mannschaft zur Mitgliederversammlung zu schicken, sah der HSV wegen eines gewaltverherrlichenden Plakats und einem versuchten Platzsturm am Vortag ab.

„Bevor die Uhr ausgeht, jagen wir euch durch die Stadt!“, lautete die Botschaft auf einem Spruchband, das schon beim Warmmachen und später auch in der Halbzeit sowie fast den kompletten zweiten Durchgang an der Nordtribüne zu sehen war.

Damit spielten die Ultras auf die Stadionuhr, die sekundengenau die Zeit des einzigen nie abgestiegenen Gründungsmitglieds der Bundesliga anzeigt, an. „Wir haben Verständnis für die Enttäuschung der Fans, aber uns fehlt jedes Verständnis, wenn Gewalt angedroht wird. Es wurde eine Grenze überschritten“, stellte Sportchef Jens Todt klar.

Darum wurde das Plakat nicht entfernt

Die Sicherheitskräfte in der Arena überlegten, das Plakat zu entfernen, entschieden sich letztlich aber dagegen. „Es war Teil unserer deeskalierenden Sicherheitsstrategie, das Banner nicht gewaltsam aus dem Block zu entfernen“, sagte Stadionchef Kurt Krägel auf Anfrage.

Spätestens nach dem Schlusspfiff lagen die Nerven bei manchen HSV-Fans endgültig blank. Das Entsetzen über den sportlichen Offenbarungseid schlug in blanke Wut um. Ordner und Polizisten mit Hunden verhinderten einen Platzsturm einiger Anhänger, die über den Zaun geklettert waren und ihrem Unmut verbal freien Lauf ließen. „Wir haben eine junge Mannschaft. Ich weiß nicht, was so etwas bezwecken soll. Es ist schade, dass es so ausartet“, sagte Mittelfeldspieler Aaron Hunt.

Hollerbach distanziert sich von HSV-Chaoten

Waren die Fans in den vergangenen Jahren der größte Trumpf des HSV im Existenzkampf, drohen die Hamburger nun die Unterstützung von den Rängen zu verlieren. Bis zum Anschlusstreffer passten sich die Fans dem blutleeren Auftritt der Mannschaft an.

„Ich verstehe die Fans, weil sie in den letzten Jahren einiges mitgemacht haben, aber es hat wenig Sinn, sich jetzt zu zerfleischen. Solche Plakate gehören nicht ins Stadion, davon distanziere ich mich auch“, sagte Trainer Bernd Hollerbach. Dass die Stimmung angesichts der unrühmlichen Vorfälle gefährlich sei, verneinte der Franke allerdings. „Wie die Fans die Mannschaft bislang unterstützt haben, ist eigentlich sensationell. In schwierigen Zeiten muss man zusammenstehen.“

Supporters-Chef versteht die HSV-Fans

Doch genau darin bestehen nach dem Leverkusen-Spiel gehörige Zweifel. Nach dem Verlassen des Stadions versammelten sich rund 45 Anhänger vor dem Spielerparkplatz und forderten die Mannschaft. Erneut waren Ordner und Polizisten gefordert, diesmal um den Eingang zu den Spieler-Kabinen abzusperren.

Die Polizei hatte die Lage nach dem Spiel trotz eines versuchten Platzsturms im Griff
Die Polizei hatte die Lage nach dem Spiel trotz eines versuchten Platzsturms im Griff © Witters | Unbekannt

Obwohl sich anders als nach dem Heimspiel gegen Köln (0:2) vor vier Wochen, als es zu ähnlichen Szenen gekommen war, kein Spieler den aufgebrachten Fans stellte, blieb die Lage friedlich. „Ich kann verstehen, dass Teile unserer Fans auf Provokation umgestellt haben. Ob es was hilft, weiß ich leider nicht“, sagte Timo Horn, Chef der HSV-Supporters.

Um das letzte Fünkchen Hoffnung im Abstiegskampf zu wahren, muss der HSV die Fans dringend wieder geschlossen auf seine Seite bringen. Sonst hört die Stadionuhr wirklich bald auf, zu ticken.