Hamburg. Der HSV-Präsident spricht über den Investor, seine eigene Amtszeit, die Aufgaben des Aufsichtsrats und die Verschuldung.
Am 18. Februar möchte Jens Meier als Präsident des e.V. wiedergewählt werden. Wie sein Kontrahent Bernd Hoffmann stellte sich auch der 51-Jährige den Fragen des Abendblatts.
Herr Meier, Ihr Tipp: Findet die Mitgliederversammlung am Sonntag überhaupt statt?
Jens Meier: Wenn Sie auf die Debatte um die Räumlichkeiten anspielen: Es gibt kein Indiz dafür, dass die Veranstaltungskapazität nicht ausreichen könnte. Bisher haben wir 1100 Anmeldungen. Erfahrungsgemäß kommen von diesen Menschen nicht alle, dafür aber ein paar andere dazu. Die Kapazität der Kuppel kann im Bedarfsfall weiter erhöht werden. Ich verbuche das als Angstmacherei im Wahlkampf.
Ihr Kontrahent Bernd Hoffmann war viel unterwegs in den Abteilungen und Fanclubs und versucht, die Versammlung mit seinen Unterstützern zu füllen...
Im Wahlkampf ist dies doch völlig legitim. Im Übrigen haben wir immer gesagt, dass wir es begrüßen, wenn es bei den Präsidiumswahlen mehr als eine Wahlmöglichkeit für die Mitglieder gibt. Wir als Präsidium konzentrieren uns auf Inhalte, also darauf, wie wir unseren HSV weiterentwickeln und wie wir ein langfristiges, lebensfähiges Geschäftsmodell für den HSV e.V., aber auch für die Fußball AG umsetzen.
Aber wie sieht Ihr Wahlkampf aus? Müssen Sie nicht befürchten, dass wie im Mai 2014 die Wahl schon vorher entschieden ist und niemand mehr Argumente hören will? Wird die Wahl nicht weniger durch die Bilanz des e.V., sondern vielmehr den aktuellen Tabellenplatz in der Bundesliga entschieden?
Das kann sein, aber ich glaube, dass viele Mitglieder auch aus der Vergangenheit gelernt haben und weitsichtig auf Kontinuität setzen wollen. Dafür stehen wir als Präsidium. In den vergangenen drei Jahren haben wir als Team den HSV e.V. in eine super funktionierende Organisation mit klaren Verantwortlichkeiten gebracht. Wir agieren wirtschaftlich solide und wollen gemeinsam nachhaltig die Zukunft des HSV gestalten.
Das hätte man sich auch von der Fußball AG gewünscht. Wie lauten Ihre weiteren Ziele sowohl für den Verein als auch für die HSV Fußball AG mit den Profis?
Grundsätzlich sollte der Verein weiter völlig unabhängig von potenziellen Einnahmen aus der Fußball-AG wirtschaften können. Als Hauptaktionär der HSV Fußball AG ist es aber ganz klar unser Ziel, auch diesen Bereich finanziell und sportlich wieder nachhaltig erfolgreich zu machen. Nach der Konsolidierung des HSV e.V. werden wir dies nachdrücklich in der HSV Fußball AG fortführen. Unser Weg hat gerade erst begonnen.
Und welche Ziele gibt es für den HSV e.V.? In der HafenCity war zum Beispiel ein Sports-Dome geplant. Das Projekt stockt.
Wir beobachten das weiter, haben uns aber schon nach Alternativen umgeschaut. Ich kann versprechen: Bleiben wir im Amt, wird das Konzept, einen zentralen Anlaufpunkt für den HSV im Zentrum der Stadt mit dem Konzept Fitness, Sport und Gesundheit zu schaffen, eine unserer wesentlichen Aktivitäten sein. Wir setzen aber auch darauf, uns in anderen Sportarten stärker zu engagieren.
Im Hamburger Spitzensport kämen einige in Betracht, gerade nach dem Rückzug der Freezers und der Insolvenz der Handballer.
Ich möchte keine Erwartungen schüren, die dann enttäuscht werden. Darunter hat der HSV über Jahrzehnte gelitten. Aber nehmen Sie exemplarisch unsere Eishockey-Abteilung, die wir wirtschaftlich wieder auf gesunde Beine gestellt haben. Dort stehen wir vor der Entscheidung, ob wir in solch einem attraktiven Mannschaftssport den nächsten Schritt in die Professionalisierung gehen.
Haben Sie noch ein Beispiel?
Meines Erachtens war es ein Fehler, unser Frauen-Fußballteam aus der Bundesliga zurückzuziehen. Würden wir gewählt, würden wir sofort loslegen, um den Frauenfußball deutlich nach vorne zu bringen.
Können Sie sich denn wirklich kümmern? Bernd Hoffmann behauptet, den Präsidentenjob könne man, um den Anforderungen zu genügen, nur in Vollzeit ausüben.
Das ist ein Systemfehler in der Kampagne des Alternativteams. Schon der Name „Team Hoffmann“ ist meines Erachtens unglücklich gewählt. Wir sprechen nie vom „Team Meier“, sondern von einem Präsidium, das sich in hohem Maße ganzheitlich unterstützt. Die Kombination mit einem hauptamtlichen Geschäftsführer und Mitarbeitern sowie Abteilungsleitern und dem ehrenamtlichen Präsidium funktioniert wunderbar. Das ist ein Managementansatz, bei dem der HSV im Vordergrund steht und nicht der Mensch Meier als Dominator.
Mag sein, dass die 7000 Sportler überwiegend zufrieden mit Ihrer Bilanz sind. Aber was glauben Sie, was die 72.000 Supporters und Förderer denken? Haben Sie den Profibereich vernachlässigt?
Sie spielen auf die Kritik an, ich hätte mich als Aufsichtsratsmitglied der AG stärker ins Tagesgeschäft einmischen sollen. Um es einmal klar zu sagen: Der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft hat kein Recht, dem Vorstand Weisungen zu erteilen. Das finden einige nicht toll. Aber es ist so. Wir geben Ratschläge, ernennen Vorstände oder berufen sie ab. Das sind unsere Rechte und Pflichten.
Dann anders formuliert: Wie viel Schuld hat der AG-Aufsichtsrat am sportlichen Misserfolg, wenn Sie auf die vergangenen drei Jahre zurückblicken?
Mit dieser Frage beschäftigen wir uns stets selbstkritisch. Ein Aufsichtsrat ist allerdings nicht ein besserer Spielerberater oder sogar Einkaufschef, da werden immer wieder Märchen erzählt. Zu beurteilen, ob ein Spieler gut rechts oder links schießen kann, gehört nicht zu den Aufgaben des Aufsichtsrats. Ich könnte Ihnen jetzt aufzählen, welche Defizite in der Organisation wir im Aufsichtsrat in enger Abstimmung mit dem Vorstand bearbeitet haben, wie die Einführung eines Compliance Managementsystems und den Aufbau einer Einkaufs- und Rechtsabteilung. Wir haben reihenweise Unklarheiten des Ausgliederungsprozesses beseitigt. Das will aber keiner hören.
Stimmt. Auch uns interessiert mehr, ob es den Räten nicht gelungen ist, den Vorstand sinnvoll zu besetzen.
Ich werde stets meinem Stil treu bleiben, nicht in der Vergangenheit handelnde Personen schlecht zu machen. Mit Dietmar Beiersdorfer haben wir sehr gut zusammengearbeitet, er war eine exzellente Integrationsfigur. Zusammen mit Bernhard Peters haben wir unter anderem ein Konzept für den Nachwuchs aufgestellt, womit wir die Basis für zukünftigen Erfolg gelegt haben. Die Ergebnisse können Sie an den Tabellenständen der Juniorenmannschaften ablesen und an der besseren Durchlässigkeit zu den Profis, Stichwort Fiete Arp. Am Ende ist es aber so, dass ein Manager immer am Ergebnis gemessen wird, deshalb mussten wir die Entscheidung treffen, uns zu trennen.
Im neuen Aufsichtsrat sind Sie nur Stellvertreter, obwohl Sie den Hauptgesellschafter vertreten. Was befähigt Herrn Krall denn, diesen Posten in einem Fußballverein zu übernehmen? Wie will jemand Rat geben, wenn er das Geschäft gar nicht kennt?
Michael Krall ist ein exzellenter Finanzexperte und kennt sich in Personal-Auswahlprozessen aus. Er verfügt nicht nur über die notwendige Erfahrung, einen Aufsichtsrat zu leiten. Den Verein kennt er aus langjähriger Verbundenheit, er ist fußballinfiziert. Im Übrigen: Schalkes Clemens Tönnies hat auch keine 300 Bundesligaspiele bestritten und handelt mit Fleischwaren. Erfolgreich ist der Club dennoch. In der Debatte steckt häufig viel Polemik.
Aber noch mal: Ihnen wird regelmäßig vorgeworfen, durch Ihr Amt bei der Hamburg Port Authority und wegen der geplanten Elbvertiefung hätten Sie nicht die Zeit, sich im Ehrenamt intensiver um die AG zu kümmern.
Ich glaube durchaus, dass ich die notwendige Erfahrung und fachliche Kompetenz habe, um mich – auf Kosten meiner Freizeit, das wird oft mutwillig durcheinandergebracht – um den HSV kümmern zu können. Aber noch einmal: Wer glaubt, dass der Aufsichtsratsvorsitzende das operative Geschäft leitet, liegt völlig falsch.
Also bewirbt sich Bernd Hoffmann um den falschen Posten?
Ich möchte ungern kommentieren, was ich in der Zeitung lese. Aber ja, bei der Lektüre drängt sich der Eindruck auf.
Sitzen im neuen Rat nur Ihre Kumpel?
Die Kandidaten wurden in einem von der Satzung vorgegebenen Prozess ausgewählt und haben die Zustimmung in verschiedenen Gremien des Vereins erhalten. Die Kandidaten sind also keine „besten Freunde“ des Präsidenten oder des Präsidiums, sondern haben ihre Legitimation durch mehrere Vereinsgremien. Und obwohl er laut Satzung nicht das Recht hat, boten wir Klaus-Michael Kühne an, einen Vertreter auszusuchen. Wir haben uns dann darauf verständigt, dass wir Menschen in diesem Gremium haben wollen, die alle Gesellschafter optimal vertreten. Ich bin mir sicher, dass dieser Aufsichtsrat das richtige Gremium ist, den HSV in eine nachhaltig gute Zukunft zu führen.
Eine Aufsichtsrat, in dem trotz der E-Mail-Affäre auch noch Felix Goedhart sitzt. Hat sich nicht in dem Vorgang eine neue Führungskrise manifestiert?
Dass sich der Aufsichtsrat eines Tabellen 17. der Fußball-Bundesliga über bestimmte Dinge – auch über Führungspersonen – unterhält, ist doch legitim. Wenn solche Diskussionen in die Öffentlichkeit gelangen – womöglich nicht ganz zufällig kurz vor einer Wahl – ist das unschön. Aber ich bin felsenfest davon überzeugt, dass so etwas in der neuen Konstellation des Aufsichtsrats nicht mehr vorkommen wird.
Herr Kühne ist also zufrieden mit der jetzigen Besetzung? Zu Beginn hat er ja öffentlich seinem Ärger Luft gemacht. Bekommen Sie ihn überhaupt jemals in den Griff?
Es ist nicht unser Ziel, Herrn Kühne zu ändern. Er ist ein freier Bürger und äußert sich zu bestimmten Dingen. Wenn jemand sehr viel Geld in den Verein steckt, hat er vielleicht auch mal das Bedürfnis, seine Meinung kundzutun. Für mich ist aber etwas anderes wichtig: Wie ist das Verhältnis des Aufsichtsrats beziehungsweise der Gesellschafter untereinander? Dazu kann ich nur sagen: Es ist von einer vertrauensvollen Zusammenarbeit und vertraulichem Austausch geprägt.
Viel wird darüber diskutiert, ob Herr Kühne ein Fluch oder ein Segen ist?
Lassen Sie uns eines festhalten: Ohne Herrn Kühne wäre der HSV lange pleite gewesen. Er hat dem HSV mit seinen Geldspritzen das Überleben gesichert und auch aus den Klauen von Banken oder Finanzinstituten befreit, indem er eine Stadionfinanzierung abgelöst hat und dem HSV die Chance gegeben hat, Schuldscheindarlehen auf dem Markt zu platzieren. Da können wir alle nur ganz laut danke sagen.
Trotzdem ist es dem HSV nicht gelungen, die Finanzen zu verbessern.
Sie können mir glauben, dass ich genauso wenig glücklich bin wie alle HSV-Fans, wenn die AG ein Geschäftsjahr mit einem zweistelligen Millionenminus abschließt. Nachdem wir den HSV e.V. saniert hatten, haben wir im Aufsichtsrat die klare Entscheidung getroffen, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Deshalb haben wir im laufenden Geschäftsjahr die Basis dafür geschaffen, ein ausgeglichenes Ergebnis erzielen zu können.
Trotzdem drücken den HSV gewaltige Sorgen mit über 100 Millionen Euro Verbindlichkeiten.Die Lage ist bedrohlich.
Auch hier lohnt eine differenzierte Betrachtung. Aktuell umfassen die Finanzschulden die langfristige Stadionfinanzierung mit 36 Millionen Euro, die Fananleihe mit 17 Millionen Euro sowie die noch ausstehenden Darlehen von Klaus-Michael Kühne mit Forderungsverzichten in Höhe von rund 30 Millionen Euro. Sowohl diese Darlehen von Kühne als auch die Transferverbindlichkeiten werden nach Ablauf des laufenden Geschäftsjahres weitestgehend abgearbeitet sein. Die Verschuldungssituation ist also keineswegs beunruhigend, sondern vielmehr deutlich komfortabler als zu unserem Amtsantritt.